Hochrangige musikalische Institutionen haben hohe moralische Ansprüche. Sie vertreten große Interessengruppen, sie müssen die Dinge besser machen als alle andere. Vorbildliches Verhalten ist nötig. Zum Beispiel beim Spitzenverband der Musik, dem Deutschen Musikrat. Auch bei der Honorierung von Praktikanten.
Der hatte sich kürzlich in einem Newsletter zum Thema Mindestlohn geäußert: Christian Höppner, Generalsekretär des Deutschen Musikrates:
„Der Deutsche Musikrat begrüßt, dass die Fehlentwicklungen der ‚Generation Praktikum‘ mit dem von Bundesministerin Andrea Nahles geplanten Mindestlohn angegangen werden. Gerade im Musikleben sind viele Institutionen und Verbände von dieser Thematik betroffen.
Umgesetzt werden kann diese gesetzliche Regelung allerdings nur, wenn es eine bedarfsgerechte Mittelausstattung für betroffene Organisationen gibt. Wo oft noch nicht einmal an eine tarifgerechte Entlohnung der Festangestellten zu denken ist, können nicht zusätzlich noch Praktikanten aus den unterfinanzierten Etats der Kulturinstitutionen bezahlt werden. Will man diese Diskussion offen und ehrlich führen, kann die Forderung der Politik nach einem Mindestlohn für Praktikanten nur glaubhaft erhoben werden, wenn auch die notwendige Gegenfinanzierung in der Musikförderung gewährleistet wird.
Solange dies nicht gegeben ist, hält der Deutsche Musikrat einen Mindestlohn von € 8,50 ab der siebten Praktikumswoche für realitätsfern, zumal zwangsläufig zahlreiche Praktikantenplätze wegfallen würden und in der Folge den jungen Menschen der dringend notwendige Einblick in die Berufswelt verwehrt bliebe.“ (Quelle: KIZ der nmz)
Nun kann man die Probe aufs Exempel machen, denn der Deutsche Musikrat bietet ein Praktikum an.
Das Praktikum kann leider nicht vergütet werden. (Quelle: Praktikum beim Deutschen Musikrat e.V.)
Die Dauer soll 12 Wochen übrigens nicht unterschreiten, was ja auch irgendwie vernünftig ist. Aber so ein bisschen eigenartig ist es doch, welche Tätigkeiten einem da abverlangt werden, aber nicht, welche Perspektiven, welche Gegenleistung der Praktikant erhalten soll, welchen Ausbildungszweck das Praktikum bietet, außer bei dem großen Musikrat mitzuarbeiten.
Man muss ja nicht einmal soweit gehen und den Mindestlohn einfordern, eine kleine Anerkennung, wie sie üblich ist (also um die 400 Euro monatlich) sollten aber doch drin sein.
Aber der Deutsche Musikrat ist, so muss man die Logik verstehen, chronisch unterfinanziert. Er kann den Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ durchführen, er kann eine Publikationsreihe „Musik-Forum“ auflegen, er kann ein Musikinformationszentrum finanzieren, Wettbewerbe, CD-Reihen … . Er kann dies, er kann das. Mag sein, das ist alles nicht viel. Aber die bisschen Kröten Anerkennung für einen Praktikanten, das geht nicht?
Müssen wir ein Crowd-Funding-Projekt durchführen für Praktikum beim Deutschen Musikrat? Das ist echt traurig und es stärkt jedenfalls nicht die Glaubwürdigkeit beim Kampf um Gehälter und Honorare im Musikbereich. Letztlich können sich sämtliche Institutionen darauf berufen, chronisch unterfinanziert zu sein.
Oder brauchen wir eine Petition: Lieber Herr Schäuble, liebe Frau Grütters, können Sie nicht mal schnell die Finanzierung des Deutschen Musikrats um wenigstens 1200 Euro erhöhen, damit sich der Deutsche Musikrat einen/eine Praktikantin leisten kann? Es ist schließlich so, die Praktikanten sind der Sargnagel der Kultur.
Und auch die Menschen, die zum Beispiel „illegal“ Dinge aus dem Netz herunterladen, sind die nicht auch chronisch unterfinanziert, die geben ihr Geld auch lieber für anderes aus. Oder Musiker, die aus Notenkopien spielen, Kindergärten, die Lieder kopieren?
Irgendwie ja: Der Deutsche Musikrat hat schließlich Vorbildcharakter. Was die können, können andere schon längst.
Siehe auch:
28. Juli 2014 um 14:00 Uhr
Sowas ähnliches gab es unter anderen Auguren bereits schon mal im Badblog: https://blogs.nmz.de/badblog/2013/09/14/musikfabrik-ausschreibung-arbeit-und-bezahlung-am-fliessband-eines-jahrespraktikum/
29. Juli 2014 um 15:55 Uhr
Bester Huffi, bei allem Verständnis für Ihre Zuneigung hin zur Generation Praktikum: Den Bedenken von Christian Hoeppner muss ich als kleiner freier Unternehmer weitgehend folgen: Auch wir (ConBrio) beschäftigen Praktikantinnen und Praktikanten zu einem Salär weit unter dem sogenannten „Mindestlohn“. Allerdings lernen die jungen Mitarbeiter eine ganze Menge, finden Kontakte, sammeln jede Menge Infos für Studium und künftigen Beruf – und brauchen jede Menge Aufmerksamkeit und Zuwendung – und damit Arbeitszeit unserer Mitarbeiter. Ähnlich dürfte es beim Musikrat sein – wobei man deutlich zwischen Vereinsteil und gGmbH unterscheiden muss (auch was die Zuwendungen betrifft). Insofern sollte sich Ihre Empathie eher den Zeitungs-Zustellern und ähnlichen unterbezahlten Voll-Jobs zuwenden. Mit Ihrer Argumentation verhindern Sie nämlich im dürftigst finanzierten Kulturbereich (egal ob Kleinunternehmen oder Verband) im besten Sinn des Wortes Nachwuchsförderung und das Sammeln leider oft problematischer realistischer Erfahrungen…
29. Juli 2014 um 16:56 Uhr
Bester Herausgeber. Ich habe bislang noch gar keine Bedenken von Christian Höppner zu sehen bekommen. Seine Bedenken in seinem Newsletter gingen um den Mindestlohn von 8,50. Den verlangt ja nicht einmal die Nahles für bestimmte Praktika. Aber 0? Null?
Wem ich meine Empathie zuwende, ist doch ziemlich egal. Hier sind es die Praktikanten eines hohe Ziele verfolgenden Verbandes. Wie sagen die immer so schön, Sonntagsreden und Montagshandeln. Wie sieht es also aus, wie stellt sich das der Musikrat vor? So ein Praktikum kann nur machen, wer bei Mama und Papa wohnt oder sonst dicke im Fleisch steht.
Und zurück zur Argumentation des Generalsektretärs: Wer die Bezahlung will,soll für Ausstattung sorgen. Deswegen also doch eine Petition oder Crowdfunding, weil der Musikrat arm ist. (Immerhin stehen auf der Mitarbeiterliste ca. 50 Personen.) Wie gesagt das Argument der Unterfinanzierung trifft uns alle. Und deswegen dürfen wir eben auch so handeln – Komponisten um ihr Geld bringen, weil eigentlich macht man ja Werbung für die (Argument, die brauchen Zuwendung), etc.
Ist ja bei der Franklfurter Oper auch so. Praktikum über 12 Monate, unvergütet, 12 Monate Zuwendung, so viel Liebe!
Ja, es gibt dürftigst finanzierte Kulturbereiche. Aber der Deutsche Musikrat gehört definitiv nicht dazu und die Oper Frankfurt auch nicht. Institutionen, die öffentliche Zuwendungen erhalten, sollten so nicht operieren. Oder mal, siehe Oper Frankfurt, 400 Euro im Monat an einer Stargage sparen. Denn vergessen wir nicht: Auch im armen Kultursektor, gibt es sehr, sehr gut verdienende Menschen. (Intendanten, Juristen, Starmusiker, …). Dagegen extreme Unterfinanzierung: http://www.rbb-online.de/kultur/beitrag/2014/07/theater-otonart-berlin-spenden-drohende-schliessung.html
Lesen zum Thema auch mal den Text des Sprecherrates der freien Szene Berlin, den ihr Freund Moritz Puschke mitverfasst hat.
PS: Im übrigen kann man leidvolle Erfahrungen auch bei Vollzeitkräften sammeln. Ich schätze mal, ich sollte doch eine Petition für den Musikrat starten, er barucht unser aller Mitgefühl und Mitleid. Und unser Geld. 1.200 Euro, sollten wir den Betrag als Nutznießer der Arbeit des Musikrates im Klingelbeutel nicht zusammenbekommen. Wäre doch gelacht.