Es gibt ja in großer Anzahl: Fussball-Hater unter den Musikern und wie mir scheint vor allem Komponisten. Die tun betreten dreinschauen, wenn sie in der Timeline von Facebook mit mehr oder minder patriotischem Zeug zum Spiel – oder auch zur Theorie oder Praxis des Spiel konfrontiert werden.
Natürlich muss niemand Fussball (Eggert) mögen, es muss ja auch nicht jeder Musik jeder Art mögen. Man kann ja auch Basketball (Feldman) mögen oder Tennis (Schönberg) oder Schwimmen (Nono), Skispringen (Pärt), Bosseln (Mahnkopf), rhythmische Sportgymnastik (Ferneyough), Radeln (Holliger), Tonschraubenschießen (Richard Strauss). Denken wir an die WM 1990 zurück und erinnern wir uns, wie Simon Rattle den Elfmeter für England versemmelte? Und trotzdem ist er Dirigent des besten Orchesters der Welt (Junge Deutsche Philharmonie) geworden. Alles Ereignisse und Zustände, über die in der Szene natürlich fast nie gesprochen wird. Weil man hat ja mit Konzept und Mikrointervallen zu tun.
Der Soziologe Detlev Claussen hat seinen aktuellen Aufsatz zum Fussball mit den wunderbaren Worten enden lassen:
„Eine freedom of choice wird praktiziert. Man kann US-Amerikaner sein und für Brasilien schwärmen oder deutsche Staatsbürgerin und sich für Mexiko begeistern. Der Schwache kann den Starken besiegen. Im Fußball ist ein utopischen Potential zu erleben: Die Freude am Spiel erweckt die Lebenslust, und bis zur letzten Minute wird die Hoffnung genährt, dass nicht alles bleiben muss, wie es ist, und die Welt doch zu verändern ist.“ (Detlev Claussen: Jogo bonito, das schöne Spiel: Fußball als Utopie, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 6/14, S. 112)
[wird fortgesetzt]