Die Geschichte des musikalischen Flashmobs ist kurz. Hat aber eine neue Phase erreicht mit der Dresdner Aktion. Zunächst aber: Was ist ein Flashmob. Unser aller Erkenntnis-Dienst, die Wikipedia sagt dazu:

Der Begriff Flashmob (englisch: Flash mob; flash = Blitz; mob [von mobilis beweglich] = aufgewiegelte Volksmenge, Pöbel – deutsch etwa Blitzpöbel) bezeichnet einen kurzen, scheinbar spontanen Menschenauflauf auf öffentlichen oder halböffentlichen Plätzen, bei denen sich die Teilnehmer üblicherweise persönlich nicht kennen und ungewöhnliche Dinge tun.

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Ein Chef auf dem Altmarkt

Musikmachen gehört dazu. Eigentlich ist ja sowieso alles ungewöhnlich, wenn man es tut sobald man es genauer betrachtet. Musizieren auf öffentlichen Plätzen zum Beispiel. So etwas wird geregelt. Man kann nicht einfach sich wo hinsetzen und dann musizieren. Braucht man eine Genehmigung, nämlich. Der erste mir bekannte größere musikalische Flashmob fand am sogenannten „Tag der Musik“ in Berlin statt. nmzMedia hat diese Aktion dokumentiert. So schön es geredet wird, es ist ein Bild des Scheiterns, so eine für die Schwiegermutter-Aktion. Na klar, Spaß war dabei, aber mit was für einem Bart. E-Musik eben.

In Dresden hatte man sich da etwas mehr vorgenommen. Ein Komponist, Carsten Hennig, hat ein Werk geschaffen, das zwar den Charakter des „scheinbar spontanen Menschenauflaufs“ äußerlich hat. Wer nicht von der Aktion wusste, musste einigermaßen überrascht sein. Gleichwohl. Ein gewisses Tempo gehört zu so einer Aktion dazu, sonst wirkt sie nicht mehr so spontan, wie sie sollte. Hier haperte es an der ersten Stelle.

Etwa eine Stunde vor Beginn musste überlegt werden, ob die Komposition nicht doch besser in der Dresdner Kreuzkirche stattfände, da der Wind auf dem Altmarkt ein Problem darzustellen begann. Die Ballons, mit denen Hennig den musikalischen Gruppen auf dem Platz signalisiert, welche Passage zu spielen ist, drohten nicht in die Höhe zu kommen. Das Ausweichen der Aktion in die Kreuzkirche wurde kurz erwogen, aber dann gottlob verworfen.

notenmaterial Henning
notenmaterial Henning

Der große Platz des Altmarkts füllte sich. Es kamen Musiker zusammen, teilweise organisiert, teilweise aber auch auf den Aufruf des Klangnetzes im Internet oder an anderen Stellen. Die entsprechenden Stimmen mit einer Anleitung konnte heruntergeladen werden. Auch eine Anmeldung gab.

Das Risiko des Komponisten ist klar. Er stellt ein umfangreiches Stimmmaterial her für eine unbekannte Anzahl von Musikern und Instumenten. Das Stück muss also in vielerlei Hinsicht mit unbekannten Größen operieren. Habe ich nur Hörner auf dem Platz oder ein komplettes Orchester. Der Komponist muss den Schwierigkeitsgrad aber auch so wählen, dass die potentiellen Musiker nicht abgeschreckt werden und damit der Mob in sich zusammenbricht. Drei Musiker auf dem Altmarkt machen keinen Mob.

Sicher konnte der Komponist mit anderem rechnen, zumal einige Gruppen ihr Erscheinen sehr früh bekundeten. Angeblich wurden auch 2.000 Downloads der Noten gezählt. Gekommen sind nachher tatsächlich insgesamt 800 Personen (inklusive Zuhörer).

Ein paar Vorkehrungen hat der Komponist außerdem getroffen. Offensichtlich waren bestimmte Gruppen mit bestimmten auskomponierten Passagen betreut worden. Aus dem Chor klang so etwas und auch ein Blechensemble war so eingesetzt. Dies gab dem Stück eine Art musikalisches Fundament. Doch zugleich wirkt die Vermeidung des kompletten Risikos als ein die Komposition zerbrechendes Element. Es hierarchisiert nämlich an einer Stelle, die man sich nicht wünschen will. Hierarchie und Spontanäität kreuzen sich unglücklich. Aber die Momente der risikoreicheren Passagen, in denen der Mob losgelassen wird, wirkten zu chaotisch in sich.

Hier muss man sich was anderes einfallen lassen. Zeichengeben und musikalischer Klang hingen in sich fest. In der Kreuzkirche wäre die einfacher gewesen, auch als akustische Situation, aber mit den anderen Nachteilen.

Man kann es drehen und wenden wie man will. Das Stück hat sich selbst ausgehebelt. Und das wurde noch verstärkt durch die Länge des Werkes, 45 Minuten konnte es nicht fesseln. Man brauchte ja nicht lange um sich einzuschwingen, aber kurz danach wurde es auch wieder in einer atemberaubenden Steigerung langweiliger. Auch hier hätte der Komponist die Chance gehabt, seine eigene Partitur anders abzuhaken als er es tat. Manchmal muss man einfach Pläne über den Haufen werfen, umbauen.

Wenn man doch weiß, wieviel Wert in der neueren Neuen Musik auf den Faktor Raum gelegt wird, wundert es dann doch, wenn hier der schnelle Eingriff ausbleibt. Vielleicht hätte dem Komponisten das Wetter doch hilfreich zur Seite stehen können, in dem es das Stück verweht hätte.

Bei aller Kritik, der Weg ist an sich nicht falsch, die Mittel sind es noch. Lieber so etwas, als konzertierte Musikerziehungsvermittlungsaktionen im Rahmen eines „Tages der Musik“, der dann eher als „Tag gegen die Musik“ wirkt.

[Martin Hufner]