Die ganze Welt weiß, dass es Bielefeld nicht gibt, selbst in Nordkorea ist das bekannt. Mit schöner Regelmäßigkeit wird vor allem an Fernsehfilmen kritisiert, sie zeigten ein vollkommen falsches Bild jener Gruppen, die da abgebildet sind. Musiker sind da mindestens so empfindlich wie Ärzte, aber auch andere Gruppen, die sich benachteiligt fühlen, sehen sich durch die Fernsehpräsenz gleich doppelt benachteiligt. Vor allem auch religiöse Gruppen. Es gibt aber auch Religionen ohne Religion.
Jetzt hat es den „tatort“ aus Dresden getroffen, der irgendwie im volksmusikalischen Milieu spielt. Dieses liefert jedenfalls den Hintergrund für die Geschichte, die man im Einzelnen nicht nacherzählen braucht. Die Folge kann man ja noch einige Tage in der Mediathek nachschauen.
Heute jedenfalls trommeln die Reaktionen aus der Szene ein: Von Heino bis Marianne und Michael. Tonfall: Man habe die Volksmusik-Szene durch den Kakao gezogen (äh, die Nichtvorhandene durch den Nichtvorhandenen). Da werde die „Branche durch den Dreck gezogen“ und das Drehbuch müsse wohl jemand geschrieben haben, dessen Bild der Volksmusik von „banalen Vorurteilen“ geprägt sei.
Die Logik ist entlarvend. Wenn das Drehbuch an der Sache vorbeigegangen wäre, müsste man sich ja nicht angesprochen fühlen. Man zieht sich den Schuh an, um ihn dann nach dem Autor zu werfen. Man redet von sich als Vertreter der Volksmusik, die man aber gar nicht ist. Das ist uncool und erhärtet den Verdacht, dass man eben doch so gemeint wie getroffen war.
Dass solche „tatort“s keine Dokumentationen sind, sondern Fiktionen, hat sich in diesen Kreisen dann genauso wenig herumgesprochen. Bei Opern und Romanen ist das doch nicht anders; es ist ja doch ein Spielfilm, mehr nicht. Ja selbst wissenschaftliche Literatur ist nie präzise. Meistens sind die Dinge ja schlimmer als dargestellt. Das macht aber nix. Der Fundamentalist fühlt sich in seiner Ehre gekränkt, beleidigt. Vor allem der Fundamentalist, der sich immer bemüßigt fühlt, als Teil fürs Ganze sprechen zu können, hier für die Volksmusik. Die herumtümelnden Volksmusiker können wieder nach Hause gehen und sich Platten der Herzensbrecher anhören.
Bielefeld ist übrigens genauso volksmusikfrei wie ein Polizeiruf 110 ein 08/15-Nachruf..
Wer sich ein bisschen mehr mit „Volksmusik“ auseinandersetzen will, dem raten wir die spielfilmfreie Sendungen von taktlos 109 – Volksmusik. Tradition und Anarchie anzuhören.
7. März 2016 um 13:58 Uhr
@Martin Hufner: Die Folge war schon ein wenig tendenziös, das hat mir aber gut gefallen :-) Das Basiskonstruktion „Dieter-Bohlen-artiger Produzent bringt narzisstisch gestörte Halbtalente nach vorne“ war aber so ähnlich, wenn auch im Postpunk-Milieu handelnd, auch schon in Jessens/Studio Brauns „Fraktus“ aus dem Jahr 2012 zu bewundern.
Fast noch bemerkenswerter als die eine Polizistin im Dienst tottrampelnden gefühlsarmen „Herzensbrecher“ (Knochenbrecher) fand ich allerdings die Schnoddrigkeiten bzw. unverhohlenen Büroalltagsaggressionen zwischen den nicht ganz unscharfen, bis ins Mark pragmatisch-abgeklärten Kommissarinnen (grandios: Karin Hanczewski und Alwara Höfels) und ihrem stets nostalgisch-weinerlich gestimmten Vorgesetzten (Martin Brambach = Idealbesetzung).
7. März 2016 um 14:08 Uhr
Einverstanden. Was die Schauspieler angeht, sehr einverstanden. Ansonsten finde ich es schon bemerkenswert, dass in Spielfilmen gewöhnlichweise die Dinge zugespitzt werden, auch mit dem Gegenstand gespielt wird. Aber es sind nur bestimmte Gruppen, die sich danach prominent aufregen müssen. Fänd es mal gut, wenn so ein tatort aus Witten, Darmstadt oder Donaueschingen (andere Orte bitte ergänzen) käme. Hauptdarsteller: Rundfunkradakteure, Kompositionsprofessoren, Komponisten, Musiker … — mit „Filmmusik“ von Klaus Doldinger. Oder besser: Stefan Raab.
7. März 2016 um 14:19 Uhr
@Martin Hufner: Genau! Es gibt einen Sketch von Kreidler aus dem Jahr 2014, der ein wenig in diese Richtung geht: http://wp.me/p1MYy1-37R