In Franz Werfels Roman „Stern der Ungeborenen“ von 1945 findet sich eine Schilderung der Musik des fernen Zeitalters, die ein Blick an das Ende der Musikgeschichte wirft. Die Instrumente des dort anwesenden Orchesters werden folgendermaßen beschrieben:
„Sie waren in den Formen zum Teil verschieden von den unserigen, im Prinzip aber dieselben. Und sollte Menschheit nochmals so alt werden, dachte ich, sie wird immer auf dieselbe Art Musik machen, indem sie singt, fiedelt, zupft, bläst, auf gestimmten Saiten oder auf gespannte Felle schlägt. Mein Gott, wie kläglich muß ich mir selbst widersprechen. Diese Instrumente im Orchester schienen ja nur Blas- und Saiteninstrumente zu sein. In Wirklichkeit besaßen die mentalen Varianten der Geigen und Harfen gar keine Saiten sondern waren blanke Attrappen wie der Dudelsack des Einfältigen und der Leierkasten heute morgen im Park des Arbeiters.“ (Franz Werfel, Stern der Ungeboreren, 1945, Seite 474)
Wie Musik produziert wird, stellt er sich folgendermaßen vor:
„Der Komponist hatte inzwischen in dem Orchester, das noch durchaus nicht viel Aufmerksamkeit an den Tag legte, einen der Holzbläser anfixiert, der sich lächelnd nachlässig erhob. Zwischen den beiden Männern begab sich ein kleines Verständigungsspiel mit den Augen, dann hob der Bläser seine Attrappe von Oboe an den Mund, und der Meister begann mit dem Zeigefinger ein bißchen Takt zu schlagen. Ich hörte nichts. Andere Instrumente traten hinzu, um den Oboisten zu begleiten, dessen Oberkörper im rhythmischen Vergnügen hin und her schwankte. Immer mehr spiegelten die Bewegungen des Orchesters das äußere Bild der Musik wider. Das Publikum hörte sie schon längst. Und jetzt ging auch mir das innere Hören auf, und zwar ähnlich, wie wenn einem im Flugzeug, das im Gleitflug aus ziemlicher Höhe niederkreist, die Ohren sich öffnen. … Das Geheimnis der astromentalen Musik lag nicht in einer bloßen Suggestion mit Umgehung des materiellen Klanges, sondern in der Entbindung des inneren, aktiven, musikalischen Lebens, das der Zuhörer selbst in sich trug. Es war ein gewaltiger Schritt vorwärts auf dem Wege der Verinnerlichung und Vergeistigung, dessen ich Zeuge werden durfte.“ (Franz Werfel, Stern der Ungeboreren, 1945, Seite 474)
Franz Werfel weist mit diesem Beispiel auf eine Veränderung von Kunst in der beschriebenen Zukunft hin. Für die Musik findet er den Begriff der „Verinnerlichung und Vergeistigung“. Dieser Gedanke von Sinnlichkeit, ist nur denkbar in einer uniformen Welt, in der Differenzierung auf einen Punkt zusammenfällt. Dieser Gedanke ist der philosophischen Ästhetik des 19. Jahrhunderts entlehnt. Es wird auf diese Weise die Existenz von Sinnlichkeit und Kunst nach ihrem Ende als Folge und Nebeneinander von singulären Ereignissen beschrieben. Es ist so, als ob man beispielsweise in der Musik die Summe aller musikalischen Sonnenaufgänge in einem Werk ein für alle Mal zusammenfassen würde. Das wäre die Schöpfung eines Werkes, welches alle bisherigen überflüssig machte. Denn es stellte musikalisch die Substanz „Sonnenaufgang” dar.
Diese Substanz wird aber nicht mehr material, sie manifestitiert sich notwendigerweise nicht in einem Werk, sondern ein Nichtwerk, das die denkbaren Werke in sich schließt. Interessanterweise schließt das so etwas wie Entwicklung nicht aus, da das gültige Werk immer genau in jenem Moment gezeugt wird, das seine Zeit hat. Ein Fixpunkt des absoluten Gefühls, uniform und doch eher höher differenziert als als ein subjektiver Standpunkt. An anderer Stelle fasst er es im Zusammenhang der Struktur des Essens dieser kommenden Zeit zusammen mit den Worten:
Wie armselig dagegen ist unsere Musik, die bloße Zeitkunst ist, im Sinne von geschichtlicher Unstetheit. Musik ist absolut und vollkommen unhintergehbar und -kritisierbar. Vor der Folie dieser astromentalen Musik ist unsere gegenwärtige Musik, ob alte, ob neue, keine Musik im emphatischen Sinn sondern Tongewölle.