Wenn man denkt, in der sogenannten klassischen Musik gäbe es unspielbare Musik, die so schwer zu spielen ist, dass man Scheitern müsse, der irrt. Neue Musik ist total einfach, zumal es Musiker und Musikerinnen gibt, für die es keine Hürden zu geben scheint. Und wenns mal wirklich zu schwer wird, ist das bekanntermaßen die Intention der Komponistin oder des Komponisten.
Aber was eben wirklich nicht geht: Bass spielen und singen zugleich. Der Bassist Jay Leonhart hat das in so wunderbare Verse gekleidet und geradezu bis ins Göttlich-Tiefste ergründet.
Als „Beweis“ ist hier ein anderer Bassist anzuführen: Steve Swallow.
Im Duell Duett mit Carla Blay interpretieren sie den „Very simple song“ – auch das Beispiel dafür, dass selbst das Einfachste manchmal unerreichbar fern sein kann. Ich erinnere mich da dunkel an ein Stück von LaMonte Young (?), das darin bestand, den Klavierdeckel zu öffnen, ohne ein Geräusch dabei zu hervorzurufen. Das Stück sei zuende, wenn man es denn geschafft habe oder man aufgebe. Die einzige Version des Stücks, die ich gehört habe, dass dies funktionierte, war eine am Luftklavier.
Lange Zeit hat man immer so auf komplexen rhythmischen Feldern herumgeschimpft, auf zu viele Noten in zu kurzer Zeit, oder zu wenig in zu langer. Mir will es aber scheinen, am Schwierigsten dürfte es sein, nichts zu erzeugen.
Das Nichts ist das Unmögliche schlechthin.
Das war jetzt überheblich gedacht, ich weiß. Nehmen wir das Thema von oben und Jay Leonhart wieder auf dann kann man ein Stück von Tom Johnson finden mit dem Thema Failing:
Ich weiß auch nicht warum, aber es scheint noch ein besonders spezielles Problem zwischen Bassist und Technik zu geben, das ich sonst so bei anderen Instrumenten nicht wahrnehmen konnte.
3. September 2014 um 22:21 Uhr
Ich bin enttäuscht, die Version von Matthias Bauer fehlt! https://www.youtube.com/watch?v=TIX_gWV-RsA
4. September 2014 um 15:19 Uhr
Jetzt ist sie weitweit bekannt. Bauer forever!
4. September 2014 um 14:46 Uhr
Sehr schön. Als Ergänzung dazu hier
1.) ein Zitat; es bezieht sich auf eine Rede, die der 2008 verstorbene amerikanische Schriftsteller David Foster Wallace vor High School Absolventen gehalten hat: „Die entscheidende Prämisse dieser Rede deckt sich mit vielen Teilen seines Spätwerks und lautet, dass simple und augenscheinlich uninteressante Klischees oft eine tiefere Wahrheit in sich bergen. Diese Tatsache, sagt er, werde jedoch oft von der postmodernen Tendenz verschleiert, höchst intellektualisierten und ästhetisierten Gedanken den Vorzug zu geben vor simplen, ästhetisch uninteressanten, aber dennoch zutiefst wahren zu geben. Die postmoderne Aversion gegen Sinmplizität sei ‚eines der Dinge, die unsere Generation ausgeweidet hat‘.“ (Hubert Dreyfus/Sean Dorrance Kelly: „Alles, was leuchtet. Wie große Literatur den Sinn des Lebens erklärt“, dt. Übs. Ullstein 2014.)
und 2. die „Samba de uma nota so“ (Samba über einer einzige Note) von Tom Jobim als Kommentar zum „Very Simple Song“ von Bley und Swallow. Vielleicht war das ja auch die Blaupause für die beiden. Diesem Stück aus den 1960er Jahren liegt übrigens auch ein witziges und gescheites Stück Poesie zugrunde, mit typisch brasilianischem Seitenblick, Text und Musik bilden eine „strukturelle Einheit“ (der Text liefert auch eine harmonische Analyse des Stücks). Auf dem Video sieht man den bereits etwas älteren Tom Jobim, legendärer Bossa Nova Künstler und daneben auch 12-Ton-Komponist. Hier ist eine Übersetzung:
(Gesungen auf der fünften Stufe:)
„Dies hier ist die kleine Samba über eine einzige Note
Andere Noten werden dazukommen
Aber die Basis ist eine einzige.“
(Auf der ersten Stufe:)
„Diese andere folgt aus dem, was ich gerade gesagt habe
So unvermeidlich wie ich dir folge.“
(Auf Tonleitern mit Modulation, „komplex“:)
„Wieviel Leute gibt es, die nur reden, reden und nichts sagen, oder fast nichts.
Jetzt habe ich schon die ganze Tonleiter benutzt
Und am Schluss ist nichts übrig geblieben.“
Und wieder auf der Dominante:
„Darum kehrte ich jetzt zu meiner Note zurück
Wie ich zu dir zurückkehre.
Ich mag sie, wie ich auch dich mag…“
http://youtu.be/VZegHk4qDaQ
4. September 2014 um 15:23 Uhr
Das deckt sich mit meiner Erfahrung, dass es manchmal ein das fette Brimborium ist, was ob seiner Undurchschaubarkeit geedelt wird, weil ja auch niemand zugeben würde, er wäre zu blöd dazu, dies zu verstehen. Der alte sog. Uni-Bluff in aktuellen Leben. Von Gösta Neuwirth habe ich den Hinweis mal erhalten, dass es darauf ankäme, was in den Noten nicht drin steht. Dass dies aber häufig von Komponisten nicht allzusehr mitbedacht werde. Altes Thema.
4. September 2014 um 15:01 Uhr
Und als Fan der brasilianischen Musik muss ich gleich noch so eine „minimal music brasiliera“ anfügen: „Maricotinha“ mit Chico Buarque und Dorival Caymmi. Der Text ist wunderschöner Nonsense und ebenfalls kongruent mit der Musik: Wenn morgen schönes Wetter ist, komme ich. Wenn es regnet, komme ich nicht.“ Dazwischen irgendwelche Dinge die ich nicht richtig verstehe, aber u.a.: „Sage der Maricotinha, dass…“ Offenbar ist das die Person, die besucht werden soll. Es geht natürlich wieder nur um Frauen.
Das Uralt-Video wird in der Fernsehsendung (ein paar Jahrzehnte später) durch ein Statement von Chico Buarque kurz eingeleitet. Viel Spaß!
http://youtu.be/C2Fg0CYz64w