Der Buchhandel hat Angst vor Amazon, schon lange Zeit. Jetzt endlich haben es aber auch die Autoren mitbekommen und haben auch Angst. Kollektiv. Am Horizont steht der Online-Händler, der bald die ganze Branche dominieren wird. Verlage werden schließen, Autoren verarmen. Amazon ist böse.
Soviel immerhin ist wahr: Amazon ist böse. Aber die Geschichte erinnert mich an die Anfänge von Ritter Rost (von Jörg Hilbert und Felix Janosa), der heuer 20 Jahre wurde, also der Ritter. Als Lektor des damaligen Verlages oblag es mir unter anderem auch, die Bücher in den Buchhandel zu bringen. Musikbücher, na klar, ist schwer. Ritter Rost aber war unmöglich. Ein Buch mit Bildern, mit Noten und mit CD? Sozusagen für jeden nix. Oder anders gesagt: Ich hatte auf diese Weise immer ein Geschenk für meine Verwandtschaft, weil das Buch garantiert niemand besaß. Das aber nur am Rande.
Ich erinnere mich an Besuche im qualifizierten Buchhandel, wo ich Ritter Rost bestellen wollte. Die meisten Buchhändler haben damals aber nur einem Grossisten konsultiert und der hieß Libri. Aber Libri führte den Ritter eine Ewigkeit lang überhaupt nicht. Und so bekam man die Auskunft: Gibts nicht! Wenn ich dann bat, ob man nicht bei Koch, Neff, Oettinger nachschauen möge – also in die anderen fetten Kataloge mit Büchern, gab es schon mal Stirnrunzeln. Und wenn mich die Erinnerung nicht täuscht, gar nix, weil beispielsweise der Buchhändlerische Norden nur Libri kannte – oder zur Not noch das VlB (Verzeichnis lieferbarer Bücher). „Können wir beim Verlag bestellen, dauert aber etwas.“ Anfangs noch versandkostenfrei, später wollte man den dann gelegentlich auch noch aufschlagen.
Ich weiß es noch ganz genau: Ein Geschrei ging durch die Lande. Boah, Libri mobbt kleine Verlage und ist ein Kulturvernichter, sofort wurden Schutzschirme aufgebaut zu unserer Rettung wie später zur Bankenrettung (nur dass mal klar ist, wo die Prioritäten liegen). Dazu noch die unverschämten Rabatte, die Libri wollte. Aber auch die Buchhändler, ich erinnere mich, dass meine Schwester immer wieder neu Ritter Rost bestellen musste, der Buchhändler wollte das Zeug nicht ins Regal stellen. Jedes mal die gleiche Szene.
Und nun? Amazon. Selbst Frau Grütters stöhnt auf.Aber auch sie hat es beispielsweise nicht geschafft, einem E-Book den ermäßigten Steuersatz angedeihen zu lassen. Natürlich trägt Europa daran Schuld. Und weiter geschaut: Frau Grütters schreibt in dem Welt-Artikel:
„Auf tausend Einwohner kommt hierzulande eine Erstveröffentlichung eines Verlags, das gibt es nirgendwo sonst auf der Welt.“
Ich bin mir nicht sicher, ob das eine erfreuliche Mitteilung ist oder gar keine, wie zum Beispiel: Auf alle Bewohner Deutschlands kommt eine Helene Fischer. Das macht mir eigentlich mehr Angst.
Anders Stefan Weidner, der in der Süddeutschen Zeitung schrieb: „Der Deutsche Buchmarkt geht an der eigenen Arroganz zugrunde“, siehe oben. Weidner sieht den Autoren im Mittelpunkt:
„Bekommt man als Buchautor zehn Prozent vom Ladenpreis, darf man als E-Book-Autor mit 30%, 50%, und wenn man exklusiv bei Amazon publiziert, derzeit sogar mit 70% rechnen. Ein Horrorszenario für den stationären Buchhandel und wahrscheinlich für die Verlage. Aber auch für Leser und Autoren? Wäre es so, bestünde keine Gefahr, niemand würde sich darauf einlassen.“
Allerdings macht er auch den Fehler, der schnellen Gewinnmarge nachzulaufen. Und nicht nur der: Die Prozentwerte schmelzen ja schnell als Absolutwerte dahin, wenn das E-Book so viel erheblich billiger wird. Kostet es nur ein Drittel vom Buch, bleibt bei 30% auch nicht mehr auf der Kante.
Hat man bei Verlagen immerhin noch die Wahl, sich einen zu suchen oder selbst zu verlegen, wird dies bei Amazon als Monopolist anders laufen. Die Idee der großen Demokratisierung geht einfach nicht zusammen mit einer Welt, deren Märkte nicht vom Volk sondern von gewinnorientierten Unternehmen beherrscht wird. Ist nicht anders bei YouTube, Facebook und Co. Die AGBs darf man am Ende nur abnicken oder eben aussteigen.
Aber jetzt muss ich erstmal zur Haustüre, da kommt ein Amazon-Paket mit der Drohne in der Zustellung.
PS: Wann kommt endlich Ritter Rost als E-Book?
PPS: Und wie ich gehört habe, ist es heute immer noch schwer, Ritter Rost in den Regalen des Buchhandels unterzubringen. Entweder stören die Noten, die CD oder die Grafiken. Also all das, was den Ritter Rost ausmacht. Absurd!
27. August 2014 um 16:13 Uhr
Wie wäre es, den Ritter Rost dort zu kaufen bzw. zu bestellen, wo es Sinn macht? Im MUSIKALIENHANDEL.
Aber in Zeiten, in denen jede Buchhandlung so tut als könne sie diese kleinen Aufgabe (Noten zu bestellen) mal eben so nebenher mit übernehmen und bspw der Schott Verlag Wochenendseminare für ebendiese Buchhandlungen anbietet, wundert mich überhaupt nix mehr.
27. August 2014 um 17:12 Uhr
Nichts gegen den Musikalienhandel, aber heulheul, wie viele Geschäfte mussten da in den letzten 20 Jahren aufgeben?
Die Sache mit Schott war mir neu. Das soll funktionieren?
Zum Musikalienhandel könnte ich auch was nettes sagen. Manchmal ist er auch ein Verhinderer beim Erwerb von Noten – in meinem Fall, wie später nachfragte, gedeckt vom Verlag. Chorpartituren kann man offenbar nicht als Einzelnote erwerben (Angst vor Kopien!).
27. August 2014 um 19:37 Uhr
Lieber Martin Hufner, der stationären Musikalienhandel kämpft seit Jahren vielerorts ums Überleben- nicht nur aufgrund der online-Konkurrenz. Die Problematik des Notenkopierens ist auch keine neue, siehe Ihr Beispiel „Mindestbestellmengen“ bei Chornoten. Das machen im übrigens die meisten deutschen Verlage (auch die im Ausland) aus gutem Grund so. Aber dafür meist inzwischen mit Probepartituren als PDF oder zumindest Auszüge. Tja, gute persönliche Beratung ist natürlich überall Gold wert – ob im Buchhandel oder Musikaliengeschäft, online oder stationär. Deshalb gibt es ja auch den Ausbildungsberuf des Musikfachhändlers. Falls es Sie interessiert, zur Thematik ein Beitrag: http://www.miz.org/static_de/themenportale/einfuehrungstexte_pdf/07_Musikwirtschaft/boecher.pdf
27. August 2014 um 20:08 Uhr
Danke schön. (Ich wollte ja aus wissenschaftlichem Grund eine Webern- oder Eislernoten-Partitur. Aber eben nicht 20!