Stimmungskanone Stockhausen
Am Abend dann „Stockhausens“ Stimmung mit den Stuttgarter Vocalsolisten in der Georgenkichen zu Eisenach. An dem Ort, an dem Johann Sebastian Bach getauft wurde und der Kirche, wo Georg Philipp Telemann als Kantor wirkte.
Ich kann mich nicht des Eindrucks erwehren, dass dies ganz und gar eine unbedeutende Geschichte im Rahmen der kompletten Veranstaltung war. Stockhausens Stück aus dem Jahr 1968 (!) ist ja in seinem ganzen Gehabe an sich ein Affront gewesen, gegen all das, was zeitgleich an Verbindungen von Musik und Politik ausbildete. Darunter sicherlich auch einige der schlechtesten Werke der Musik überhaupt.
Wenn die Stimmung beginnt, stimmt man um. Im Septakkord wird gearbeitet. In Weiß und im Kreis. Eine Zelebration. Eine introvertierte Selbstfeier. Stockhausen mochte damit insofern richtig gelegen haben, wenn er damit durch die pure Existenz dieses Werkes manchem Dogmatismus in der Szene begegnete. Ob aktiv und provozierend, will ich nicht sagen.
Das geht auch an sich in Ordnung. Nur sind innerhalb des Stücks manche Kindereien mitverbrochen, die auf Stockhausens nervöse Veränderung in der Sache hinweisen.
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Uiuiuiuiui. Man möge mir den Kalauer verzeihen. Hier wird der Komponist zur Stimmungskanone. Und das Grinsen im Gesicht kann nicht ausbleiben. Den Tag über hoppelte man recht gescheit, damit die Musik erklinge in einer Art musikalischer Selbstbelohungsmusik und dann wird man abends eingesuppt. Das geht natürlich, aber es geht nicht gut. Der Blitz eines Fotografen, der mit auf das Bild gebannt wurde entschärft die Weihräuchigkeit.
Hier in Eisenach gibt es einige Plakate mit dem Hinweis auf eine „Schöpfung“. Hier wirkte auch einer, der sich mit der Schöpfung auskannte. Einer der auch weniger Weihrauch produzierte. Freilich noch genug für den Rest seiner Nachfolger. Worauf will ich hinaus? Nun, es war wohl auch im Jahr 1968 als Ernst Jandl und Friederike Mayröcker für den WDR ein „neues“ Hörspiel produzierten. „Fünf Mann Menschen“ – darin, wenn mich die Erinnerung nicht täuscht, der Satz: „Die Schöpfung – von einem Haydn [Heiden].“ Was Jandl und Mayröcker mit einem Satz erschöpfen, auch wenn er mehrfach wiederholt wird (und wenn möglicherweise es nicht mal aus dem Stück ist) steht so konträr zu Stockhausens Werk, weckt aber eine unendlich (!) größere Sympathie.
Die Andachtsfalle, die Stockhausen hier setzt, könnte unter Umständen sogar ausgehebelt werden. Dazu müsste die integrale Gestalt des Überwerks allerdings erst entlullt werden. Bei der Aufführung heute abend war es insofern „erträglich“ als durch die Verstärkung und räumlich fehlende Präsenz mancher Passage (heißt, sie nuschelt) ein bisschen der Zahn gezogen scheint. Ob das so gewollt war von den Interpreten, glaube ich aber ehrlich gesagt nicht.