Pressluft oder der Traum vom soundwalken in Augsburg
Die typischen Klänge der Städte einfangen, das sollen die Soundwalks tun und uns dabei für die spannenden Klänge des Alltags sensibilisieren. Was aber, wenn die Klangpunkte einer Stadt (entgegen der verheißungsvollen Punkte auf den verteilten Flyern) vor allem durch den zarten Klang von Presslufthammern auf Pflaster bestehen? So gehört in Augsburg, wo pünktlich zu sounding D noch mal eben die Straßen um den Rathausplatz aufgerissen wurden. Na gut, in Städten mit einer mittelalterlichen Bausubstanz wie sie Augsburg hat, gibt es immer einen Hinterhof, in den man sich retten und wieder der Stille nachlauschen kann. Gott sei Dank!
Dabei geht man aber als Ortsfremder schnell verloren und wird unter Umständen von ungeahnten, nicht verzeichneten Klangpunkten überrascht. So hörte ich, die Gässchen der Fuggerstadt durchstreifend, auf einmal seltsam schwebende Klänge, die ich zunächst nicht einordnen konnte. Unvermittelte Freude durchströmte mich. Sollte die Neue Musik am Ende schon einen Hafen gefunden haben in dieser altehrwürdigen Stadt mit ihrer zweitausendjährigen Geschichte, wo sie es anderswo doch so schwer hat? Von dieser elysischen Vorstellung beflügelt, schritt ich aus, um die fabelhafte Klangquelle willkommen zu heißen.
Jäh wurde ich jedoch aus meiner Träumerei gerissen, als ich entdecken musste, woher der Feenzauber rührte: Nicht der gemeine Augsburger in seiner ungezügelten Lust an den Freuden zeitgenössischer Musik, umjubelt von seinen Nachbarn und Partnern im Geiste, war da am werke, sondern doch wieder nur die Handlanger des Neue-Musik-Establishments: Ich war mitten in eine Sounding-D-Performance des Duos Zander/Fiebig hineingestolpert. Mein Traum von der unbegrenzten Weite der Neuen-Musik-Landschaft in Bayern war zu ende geträumt. Matt sank ich auf eine alte Mauer nieder und lauschte…
Unter den Kopfhörern meiner Soundwalk-Gruppe wurde auch Presslufthämmern zu gut ausgesteuerter musique concréte. Auch entdeckten wir die urbane Stille in Augsburgs Damenhöfen und Renaissance-Palazzi. In der großen Akustik des Römermuseums erklang nach den Soundspaziergängen diverse Stein-Musicken des Vibraphonisten Wolfgang Lackerschmid: Presslufthämmer mussten auch hier leider draußen bleiben. Das menschliche Ohr, so eine lapidare Erkenntnis dieses Sounding-Augsburg-Tages, hört sowieso nur, was es will.
…sorry Kolb: Was war mit dem Scheibenwischer??? Dass unser Ohr nur hörte, was es will, halte ich für eine Wunschvorstellung unter allerbesten Bildungs-Voraussetzungen – und unter Ausschaltung des Gehirns (kein Problem bei Ihnen?).