Berliner Nacharbeit – Künstliche Normalität und so
Es ist ja auch so, dass die Software nicht immer so will wie sie soll. Heute zum Beispiel war mein Telefon still. Erst ein klingender Hinweis auf einer Kurzmitteilung wies mich darauf hin, dass man versuchte mich zu erreichen. Dann ruft man auch schon zurück. Wenn man das Gefühl hat, man müsse dies tun.
Ein bisschen so ist es auch mit der Neuen Musik, nur umgekehrt. Die klingelt immer, aber man hört sie nicht mehr. Da kann sie noch so laut sein. Rückblickend erklärt das ein bisschen den gestrigen Tag in Berlin. Im Hauptbahnhof, diesem unschönen Platz der Stadt, mittendrin, in so eine Art Schuhkartons eingebaut, ein Ohrenstrand. Oder sowas in der Art.
Was passiert da? Es gibt Aktion. Die wird auch noch angesagt. Ein Klang-Pfropf in den Bahnhof hinein. Trotzdem überraschend, wenn dann eine Oper entsteht wie György Ligetis „Nouvelles Aventures“ hier. Fulminant.
Anders danach im Stück mit dem planmäßig verzögerten Namen „Verstehen Sie Bahnhof?“ – ich erinnere mich nicht. Ein Gewusel in Rot. Männchen und Weibchen hüppen durch die Gegend, machen dies und machen das. In der Mitte ein Klangmixer. Dauerte wieder lang und schien so peripher, dass es eher störte als sonstwie erregte. Ein künstlicher Flashmob, dessen Substanz nicht zündete. Wahrscheinlich wird dann der künstlerische Leiter, Bojan Budisavljevic, einer Nachrichtenagentur sagen:
„wie plötzlich Form in etwas Ungeformtes kommt.“
Vielleicht aber auch nicht. Das Dilemma einer Oper in einer Real-Oper (eben hier des Bahnhofstreibens), sie bekommt nicht den Abstand hin, möchte aufgehen im Geschehen, kann dies aber nicht, da sonst der künstlerische Charakter verloren geht. Ein bisschen dies sagt auch Robin Minard im Interview mit nmzMedia. Die Klänge in dem Wagon des Zuges seien nicht viel andere als jene draußen. Aber die künstlerische Umformung, so verstehe ich ihn, ändert die Wahrnehmung auch der „normalen Klänge.“ Das ist auch einigermaßen wahrscheinlich.
Wenn sich Leben und Musik durchdringen, indem sie Künstlichkeit absenken, dann aber doch so weit erhalten, dass man die Differenz spürt, bewegt man sich ästhetisch, aber eher noch politisch auf einem rutschigen Boden.
Aber dazu in einem weiteren Eintrag ein paar Gedanken.