Was ist gute Musik?
“Let’s get ready to rumble!”
Mir läuft in Momenten schöner Musik ein angenehmer Schauer den Rücken runter.
Inzwischen ist dieser Schauer mein individuelles Qualitätsmerkmal geworden.
Nun gilt es, den Auslöser dieses Schauers aufzuspüren. Ist es ein guter Drive im Jazz? Ist es schlichte Eleganz im Barock, nach dem Motto “Weniger ist mehr”? Ist es Konsonanz nach einer Dissonanz Triade in moderner Musik wie Entspannung im Whirlpool nach Kistenschleppen?
Ich weiß es nicht.
Für mich persönlich steht die Musik über allen Disziplinen. Über den schwerfälligen Naturwissenschaften, den etwas schnöden Geisteswissenschaften und irgendwie ist sie für mich auch die erhabenste unter den Künsten. Man hört an meiner stilistisch unschönen übermäßigen Verwendung von ich/mir/mich schon, wie subjektiv es mit dieser Angelegenheit doch zugeht. Nun soll auch noch der Frage nachgegangen werden, was gute Musik ist. Es wird noch subjektiver, denn eher wird ein Motorrad-Rocker, dem der zugegebenermaßen etwas zusammenhangslos dastehende erste Satz entnommen wurde, in ein klassisches Konzert gehen, als dass jemand einen Katalog mit objektiven Kriterien für gute Musik erstellen kann. Was ist also für mich gute Musik?
Musik hat ja immer den Zweck, Emotionen jedweder Art freizusetzen. Freude (in 80% der Fälle), Schmerz, Liebe, Macht. Man könnte also sagen, je besser eine Emotion übertragen wird, desto besser die Musik. Aber so leicht mache ich mir es nicht und außerdem ist auch das Empfinden hierbei individuell. Den einen erfreut Hummels Oboenvariationen op.102, der andere fühlt das Sentiment Schmerz perfekt abgebildet in Billy Talents “A Devil in A Midnight Mass”, wieder ein anderer fühlt sich von Ella Fitzgerald zum Thema Liebe im Song “Love for Sale” aus dem Herzen gesprochen und zuletzt fühlt sich einer mächtig, nur weil er gerade Mahlers 5. Symphonie gehört hat.
Aber zurück zur Frage, denn einer Sache bin ich mir sicher: Gute Musik muss nicht zwingend Perfektion heißen und ist bei weitem nicht von Perfektion abhängig. Eine schlecht geübte Katzenmusik auf der Geige kann zu einem Aha-Erlebnis erster Güte führen. Vielleicht sind die äußeren Umstände auch so geschickt gelegen, dass sich die Musik schön anhört. Vielleicht ist es im Saal kalt, was zur Stimmung passt, vielleicht war jemand jahrelang von seinem Instrument getrennt und kann zum ersten Mal wieder spielen, vielleicht sitzt aber auch nur das Mädchen mit den langen Beinen in der Reihe vor dir.
Wenn Musik Handlungen guter Art anregt, ist auch schon mal was gewonnen. Musik als Kommunikationsmittel ist hier das Stichwort. Befreundet sich die rennende Kinderschar mit dem schwarzen Mann, vor dem sie endlich keine Angst mehr hat, weil er mit ihr etwas vorgespielt hat, ist Musik zum Wunderheilmittel gegen Rassismus geworden. Die schreiende Kinderschar, die offen für alles ist, sich aber instinktiv gegen alles Neue wehrt und dann johlend davon rennt, ist auch in dem ein oder anderen renommierten Opernhaus unserer Republik anzutreffen. Fest steht: Gute Musik macht den Rassisten zum Toleranten, den Einzelgänger zum Rudeltier und den Dummen zum Klugen.
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