Interview mit Gabriele Hasler
UPGRADE-Blog: Wie sind Sie zur Sprachmusik gekommen?
Hasler: Ich glaube man müsste andersherum fragen, ob ich jemals nicht in der Sprachmusik war. Ich habe da selber auch in letzter Zeit drüber nachgedacht und habe dabei gemerkt, dass mich eigentlich, seit ich Kind war, immer diese Verbindung von Sprache, Rhythmus, Spiel mit Sprachklängen, Lautpoesie und so weiter begleitet hat und dass ich über den Klangaspekt schon immer die Brücke zwischen Musik und Sprache logisch fand.
UPGRAE-Blog: Sie hatten vor dem Interview erwähnt, dass Sie auch viel mit Jazz machen oder gemacht haben, wo ist denn da so die Verbindung zur Sprachmusik?
Hasler: Das war eigentlich die Phase, wo ich glaube ich am weitesten davon entfernt war, wo ich andererseits aber ein unglaublich gutes Training bekommen habe, was Rhythmik angeht. Das war eine Phase in meinem Leben, in der ich einfach viel gearbeitet und gelernt habe, wo allerdings die Sprachlichkeit tatsächlich ein bisschen in den Hintergrund trat, weil ich damals auch englische Texte geschrieben habe. Dann habe ich gemerkt, dass ich mich als Deutschsprachlerin zunehmend unwohl gefühlt habe. Ich habe dann eine Fantasiesprache entwickelt, die hieß “Esperango”, – das war Anfang der 90er Jahre – und habe nicht nur eigene Texte vertont, habe viel mit Texten von Gertrude Stein oder Oskar Pastior gearbeitet. Ich habe zunehmend gemerkt, dass das so mein Bereich ist, der Grenzbereich zwischen Musik und Sprache.
UPGRADE-Blog: Ich habe auf Ihrer Website gelesen, dass Sie des Öfteren solche Workshops veranstalten, machen Sie das nur für Chöre, Vokalensembles, eingespielte Gruppen oder machen sie das auch für Laien?
Hasler: Ich biete privat Workshops an, wo einzelne Menschen kommen, wo es aber immer auch um gemeinsames Singen geht, also mein Schwerpunkt ist die kollektive Improvisation. Es geht nicht so sehr darum, den Einzelnen zu coachen, sondern es geht mir um die Gruppenprozesse. Das ist ja eine Art Kommunikation, eine Prozessarbeit und da unterscheide ich auch gar nicht so sehr nach Laien und Kundigen. Ich weiß nicht, ob es Ihnen aufgefallen ist aber gerade trainierte Stimmen, geschulte Stimmen sind dann oft auch sehr vorsichtig, wenn es in ungewohnte Gefilde geht, wohingegen jemand, der einfach seine Alltagsstimme mitbringt, einfach sagt „Joa gut, kenn ich nicht, aber mach ich einfach.“
UPGRADE-Blog: Was hat die spontane, improvisierte Sprachmusik gegenüber einem Stück, das eingeübt ist, gegenüber etwas, das nicht so spontan ist?
Hasler: Ich denke beides hat absolut seine Vorteile, seine Berechtigung, wobei das Eingeübte in unserer Kultur einfach mehr Raum einnimmt, denn das ist das Gewohnte. Ich habe Spaß daran, Gewohntes auch einfach mal gegen den Strich zu bürsten. Mein Ansatz ist im Grunde auch immer „was passiert denn, wenn…?“. Das ist ein forschender Ansatz nach dem Motto „was passiert, wenn die einen das machen und die anderen das?“. Mir macht es Spaß, eigentlich selber auch noch nicht das Ergebnis zu kennen, sondern gemeinsam zu forschen.
UPGRADE-Blog: Um nochmal auf den Sinn des UPGRADE Festivals zurückzukommen: Inwiefern sehen sie Sprachmusik als gutes Konzept der Vermittlung neuer Musik? (Anmerkung d. Redaktion: Hier wurden die Stellen, an denen Frau Hasler auf die eigentliche Frage eingeht farblich markiert)
Hasler: Da muss ich zum Begriff der Neuen Musik ein, zwei Sätze sagen. Das ist ähnlich wie mit dem jazz: Es gibt den Jazz Jazz, also das ist Swing, Standard, Klaviertrio, Sängerin im langen Kleid, Sie wissen schon, das ist für mich Jazz Jazz.Wenn ich Jazz aber einfach als eine Form oder eine sehr sehr große Schublade betrachte, wo eigentlich sehr viel Freiheit und Möglichkeit drinsteckt, dann fühle ich mich als Jazzmusikerin wohl oder kann mich so bezeichnen. Und genau so ist es für mich mit der neuen Musik, da gibt es auch die strenge Form (wie sie zum Beispiel bei den Donaueschinger Musiktagen praktiziert wird), da sehe ich mich mit der Sprachmusik eher nicht. Würde ich bei den Donaueschinger Musiktagen einen Kompositionsauftrag bekommen, würde ich vielleicht etwas auskomponieren und dann selber noch auf der Bühne dazu improvisieren. Ich bewege mich im Grunde auch da in der Polarität zwischen Komposition – also völliger Festgelegtheit – und völliger Freiheit. Und was mir auch am Herzen liegt, was ich auch erreichen möchte ist sozusagen das Wilde, das Ursprüngliche zurückzuholen, die Leute dazu anzuregen, aus sich herauszukommen. Gerade wir Frauen wollen ja häufig gefallen und sind deshalb eher brav.
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