„Ich will eine Brückenbauerin sein“ Porträt/Interview Text by Milena Paschert - 27. Juli 20161 Ein Gespräch mit Percussionistin Linda-Philomène Tsoungui, kurz Philo. Nachdem der erste erfolgreiche Kurstag vorüber ist, treffe ich die studierte Klassik- und Jazzschlagzeugerin am Montagabend nach dem Essen und spreche in der Abendsonne mit ihr über ihre Ausbildung und musikalischen Projekte, ihre Zukunftsvisionen für die klassische Schlagzeugmusik und ihr erstmaliges Mitwirken als Dozentin hier im mu:v Camp. muv:Camp Blog: Philo, du bist dieses Jahr neu im mu:v Camp mit dabei, wie hat sich das denn ergeben? Philo: Das war vor circa einem Jahr, als die Franzi (Franziska Spohr, Organisatorin des Camps) mich auf einem Konzert in München gehört hat und mir daraufhin eine Mail geschrieben hat, ob ich nicht Interesse hätte, als Dozentin beim Camp mitzumachen und Kurse mitzugestalten. Dieses Angebot hab ich dann auch direkt sehr gerne angenommen. mu:v Camp Blog: Hast du denn vorher schon andere musikalische Projekte mitbegleitet oder initiiert? Philo: Ja, ich habe zum Beispiel Workshops an der Cajón für Flüchtlinge in der Bayernkaserne in München gegeben. Das ist nochmal was total anderes, die Leute sprechen ja oft weder Deutsch noch Englisch, deswegen geht da die Kommunikation wirklich nur übers Trommeln und es geht viel weniger um die Spieltechnik, sondern darum, den Leuten einfach ein bisschen Freude und Abwechslung in den Alltag zu bringen. mu:v Camp Blog: Und welche Workshops gibst du hier im mu:v Camp? Wie sah es mit deiner Vorbereitung aus? Philo: Das sind drei verschiedene Workshops, einmal Cajón, dann Body Percussion und Samba, also Percussion mit verschiedenen Instrumenten der Sambamusik. Mir war bei der Vorbereitung vor allem der pädagogische Aspekt wichtig, ich wollte sichergehen, dass jeder von den Kursen profitieren kann, egal auf welchem Niveau sich der Einzelne befindet. Sehr wichtig ist es mir außerdem, zum Beispiel beim Cajón auch den „spirit“, der da mitschwingt zu vermitteln, die Stimmung der lateinamerikanischen Musik. „Das Cajón ist nicht nur eine einfache Holzkiste“ mu:v Camp Blog: Ich habe ja jetzt den Cajónworkshop bei dir mitgemacht, und mein Gedanke dahinter war, dass man über dieses Instrument relativ leicht den Zugang zur Percussion findet. Würdest du mir da zustimmen? Philo: Ja, stimmt, es ist eben doch nicht nur eine einfache Holzkiste, sondern ein total vielseitiges Instrument, was sich auch super als Einsteigerinstrument eignet. Natürlich gibt es verschiedene Spieltechniken, aber das Gute ist, dass man als Anfänger nicht gesagt bekommt, „Du musst das so und so machen“, sondern sich einfach ausprobieren kann und es wird immer ein guter Klang dabei rauskommen. mu:v Camp Blog: Wie ist denn dein persönlicher Zugang zur Musik? Verfolgst du gerade bestimmte Projekte? Philo: Also, was ich zurzeit mache und was mir am Herzen liegt, ist eine Art Hybridform zu schaffen aus Klassik, Jazz und Pop. Ich habe ja klassisches Schlagwerk studiert, was mit dem Schlagzeug oder Drums, wie man es aus dem Alltag kennt, aber nicht viel zu tun hat. Während des Studiums bin ich dann aber mit Jazz in Kontakt gekommen und habe jetzt auch ein Jahr Jazzschlagzeug studiert, gleichzeitig aber auch weiter klassische Konzerte gespielt, kenne also beide Seiten. mu:v Camp Blog: Und was hat es mit deinem Wunsch dieser Hybridform auf sich? Philo: Gerade weil klassisches Schlagwerk einerseits und Schlagzeug andererseits zwei so unterschiedliche Studiengänge sind, möchte ich zu den Brückenbauern gehören, die aus Klassik und aus Popularmusik kommen und nicht nur stur in ihrer abgegrenzten Sparte bleiben. Ich denke dabei an Musiker wie Martin Grubinger, mit dem ich schon zusammengespielt habe. Musiker wie er haben längst gemerkt, dass sonst das klassische Konzertpublikum aussterben wird. mu:v Camp Blog: Warum das? Philo: Ich glaube, viele meiner Generation haben insgesamt keinen richtigen Zugang mehr zu klassischer Musik. Man wird ja nicht 50 und sagt sich dann plötzlich, „Oh, jetzt ist es mal Zeit für ein Abonnement der Philharmoniker“. Da ich weiß, wie die Musik funktioniert, die meine Freunde gerne hören, und wie die klassische funktioniert, möchte ich daraus etwas Massentaugliches und trotzdem Anspruchsvolles machen. Ich glaube, dass diese Verschmelzung die einzige Chance ist, wie klassische Musik als Kulturgut weiterhin erhalten bleiben kann. mu:v Camp Blog: Zum Abschluss noch eine Frage zum mu:v Camp: Hattest du bestimmte Erwartungen im Voraus und wenn ja, haben sich die erfüllt? Philo: Was ich tatsächlich nicht so erwartet hatte, ist, dass es hier eigentlich keine Abgrenzung zwischen den Dozenten und den Teilnehmern gibt, wie ich das bisher kannte. Man begegnet sich auf Augenhöhe und respektiert sich gegenseitig. Das ergibt eine viel fruchtbarere Lernatmosphäre, und macht dann einfach Spaß! Musik verbindet eben tatsächlich! Teilen mit:WhatsAppFacebookTwitterE-Mail