Stellen Sie sich vor, Ihr Sohn, Ihre Tochter hat die Chance, Saxophonunterricht für einen Euro die Stunde via Internet ohne weitere zeitliche Begrenzung zu erhalten. Lernen, solang man will und zahlt. Die Lehrerin/der Lehrer sitzt in Chicago, USA, kommt per Pod oder Phone. Von dort kommen auch die feinen fünf videobegleiteten Klassik-Digitalwellen, zwischen denen Sie, Ihr persönlicher Geschmack wird im Angebot zunehmend präzise berücksichtigt, wählen können. Lauter Superstar-Aufnahmen, teils Live-Übertragungen gegen geringes Aufgeld. Kleine Irritation: nach jedem Sinfonie-Satz, nach jeder Arie fünf Minuten Werbung.

Wird Kulturradio zur Notnachrichten-Infowelle?

Der sogenannte öffentlich-rechtliche Rundfunk samt seiner Klangkörper wird (wegen Wettbewerbsverzerrung durch Gebührenfinanzierung) auf eine Notnachrichten-Infowelle reduziert, freilich trimedial. Es genügt eine sehr kleine, aber netzaffine Redaktion in einer Best-Glasfaser-Connect-Büro-Etage, deren andere Stockwerke ansonsten Juristen, Urheberrechts-Anwälte und vor allem Wirtschaftsprofis beherbergen.

Instrument lernen? Dafür gibt’s doch tausend tolle Samples

Für kommunale Musikschulen entfällt jegliche Förderung, weil private Anbieter günstiger sind, allerdings vorzüglich im Drums- und DJ-Unterricht. Bratsche, Harfe, Fagott? Dafür gibt’s doch tausend tolle Samples. Weshalb das Wissen um die mühsam generierten Sounds und Behandlungen kommerziell sinnloser, leicht ersetzbarer Klangerzeuger fortschreiben? Telex-Brief und Fax haben doch auch ausgedient. Ein ähnlicher Maßstab gilt für unsere von 24 auf maximal drei zu reduzierenden Musikhochschulen mit ihrem absurd komplexen Ausbildungsangebot. Schon mal ausgerechnet, was ein Tuba-Professor kostet, für fünf Studentinnen und Studenten? Der Kostensatz pro Semester liegt jetzt, wie in Amerika üblich, zwischen 10.000,- und 15.000,- Euro.

Und Recht geschieht: Die Länder Bayern, Nordrheinwestfalen und Baden-Württemberg (haben ja noch sowas Überkommenes wie einen relativ hohen Kulturetat) erhalten von einer renommierten Schiedsgerichts-Kanzlei „Bring it, dont burn it“, Sitz in London, eine millionenschwere Kompensationsklage, weil sie Ihre Opernhäuser, Orchester und Theater „subventionieren“. Das können Flexi-Ensembles, von Amazon engagiert, besser und billiger.

Geheim wie Obamas Handy

Ein Horror-Szenario, glauben Sie? Könnte sein. Aber TTIP wird so geheim verhandelt wie Obamas Handy. Einsicht in die „Ergebnisse“ haben hierzulande nur (neben US-Amerikanern in ihrer Berliner Botschaft) Europa-Abgeordnete. Alle hier angeführten Folgen für unseren Kulturbetrieb sind möglich, wahrscheinlich, weil das Parlament eines Halbwegs-Kulturlandes Bundesrepublik weder konkrete Informationen über den Verhandlungszustand erhält noch als eine von 27-Euro-Stimmen bei allen Gabrielschen und Merkelschen Anmerkungen viel zu sagen hat. Ein Hoch der Eurokratie.