Die Zeitungen und das Internet ist voll mit Kommentaren und Analysen zum Interview mit Mertesacker, das ein ZDF-Interviewer direkt nach dem Spiel Deutschland gegen Algerien gemacht hat.

Die Fraktionen sind klar. Einerseits: Was erlaube Mertesacker? Und: Was erlaube Büchler?

Das Interessant dabei. Beide Seiten gehen immer davon aus, dass es sich um frei agierende Subjekte in einem gesellschaftlichen Sprachspiel handle. Und das stimmt nicht. Früher hätte man gesagt, diese Vorstellung sei ideologisch, nämlich, „notwendig falsches Bewusstsein“. Es geht nicht um Büchler vs. Mertesacker. Denn beide sind nicht als Privatpersonen vor Ort, die sich zufällig treffen, beide haben dagegen Funktionsrollen, für die sie stehen und die sie einnehmen müssen. Mertesacker hat in dieser Hinsicht den Versuch unternommen, aus dem einvernehmlichen Spiel auszubrechen. Er war, wie die ZEIT kommentierte, „wütend“. Ein Affekt, der ihm trotz seiner Abgeschlagenheit jedoch nicht zusteht. Und: „ehrlich“ ist dieser Affekt schon gar nicht. Er ist bestenfalls Resultat der Umstände. [Und dennoch hätten beide Seiten souverän reagieren können, wenn sie nicht totale Hampelmänner sind oder sich als solche definieren. Es war zuletzt ihre Entscheidung, so und nicht anders zu reagieren.]

Ehrliche Unehrlichkeit

Dieses Gekicke in Brasilien ist auch nicht ehrlich. Es ist ein Geschäft, ein gutes Geschäft – und zwar für eben alle. Selbst für die Zuschauer, die sich nun in dieser oder jener Richtung über das Interview äußern. Es wird die Tage bis zum Viertelfinale überbrücken helfen.

Wut und Grausamkeit dachte Spinoza in seiner Ethik noch zusammen.

Grausamkeit oder Wut ist die Begierde, durch welche jemand angetrieben wird, dem Böses zuzufügen, den wir lieben oder den wir bemitleiden. [Spinoza: Ethik. DB Sonderband: 100 Werke der Philosophie, S. 45062 (vgl. Spinoza-Ethik, S. 247)]

Der Begriff der Wut ist heute aber anders in Verwendung, gilt als legitimer Affekt gegenüber einer Ungerechtigkeit. Deswegen kann heute die Wut ja auch „ehrlich“ sein. Sie ist es aber nimmer.

Sold

Das Problem des Spielers Mertesacker und aller seiner Kollegen. Sie sind nicht sie selbst, sie sind nicht Vertreter Deutschlands im Spiel oder dergleichen. Sie sind bezahlte Fußball-Söldner. Sie haben einen Auftrag, für den sie nicht schlecht vergütet werden. Und deshalb müssen sie hampeln – nach den Regeln aller: des Verbandes, der Medien, der Nation, nach Dir und mir.

Das zu ändern wäre dabei wirklich einfach. Wenngleich nicht die komplette Lösung, würde es aber die Sportler erleichtern. Sie müssten ihre Aufstellung als Ehrenamt wahrnehmen. Anders ist es doch in anderen Auswahlen auch nicht, vornehmlich der Musik, von der der Fußball lernen könnte. Die Mitglieder diversen Jugendorchester im Klassik oder Jazzbereich – BuJazzO und Co.

Ich habe mal einen Musiker aus dem LaJazzO Brandenburg gefragt, warum er die weite Anreise und den Zeitaufwand auf sich nehme: Er mache es, weil es ihm Spaß bereite, weil er was lerne, weil er Freunde treffe … Er ist frei. Und auch frei, zu gehen.

Mertesacker und Büchler sind nicht frei. Das Gerede über sie zeigt nur an, wie unfrei sie wirklich sind: alle. Und dass dabei das Menschliche überhaupt keine Rolle spielt.

Hippo

Kommen wir zum täglichen Geschäft: Die Tipptabelle der Finalrunde (Hippo vorn)

WM2014 Brasilien Finale 2014-07-02 15-43-13

WM2014 Brasilien Finale 2014-07-02 15-43-13

hippo

hippo

Die Tabelle zeigt eine neue Spitzenreiterin: Hippo aka Ursula Gaisa (Redaktion JazzZeitung und nmz). In acht Spielen, acht mal die richtige Richtung getippt und einmal vollkommen korrekt gelegen. Sie ist die richtige Wahl für das Endspiel. pianist23, gestern noch auf 1, hat dagegen einmal zu wenig getippt und runtergerutscht. Chefredaktuer Juancho schleicht sich heimlich nach vorn und ist mittlerweile auch in der Gesamtwertung auf Platz 2. Sein Kollege nimmt leider auch tippsinnfrei.