Sag mir, wo die Urheber sind, wo sind sie geblieben?

Ich unterbreche meine Diskussion von „Dogma 95“ aus aktuellem Anlass.

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Immer wieder sorgen ja die „Piraten“ von der „Piratenpartei“ in unseren Kreisen für Aufmerksamkeit durch ihre teils bizarr uninformierten Ansichten darüber, wie ein schöpferischer Musiker heutzutage so zu leben hat: nämlich am besten als Sammler von Almosen für sein „Hobby“ in der Fußgängerzone von Wanne-Eickel. Zudem vermiesen sie mir alleine schon durch ihre Namenswahl Lieblingsfilme wie „Der Rote Korsar“, obwohl sie doch mit den edlen und wilden Freibeutern der sieben Meere rein gar nichts zu tun haben, eher mit so muffeligen Gameboy-Stubenhockern aus der Generation Golf.

Nun wird immerhin dank der Piratenpartei das Urheberrecht heutzutage so öffentlich diskutiert wie noch nie, und jeder fühlt sich inzwischen als Experte dazu, auch wenn das tatsächliche Wissen darüber oft nur Stammtischniveau hat. „Ja, die GEMA ist ein böser anonymer Konzern und die musikalischen Urheber sind willenlose Zombies dieses anonymen Konzerns“. „Die GEMA schaltet immer alle diese tollen youtube-Videos weg, die sind gemein!“ „Und jetzt wollen sie auch noch tatsächlich Geld dafür, dass in Musik-und Tanzlokalen Musik gespielt wird“. (Ja, wo kämen wir denn da hin, ins „Berghain“ geht doch keiner wegen der Musik hin, die wollen doch alle nur poppen!)

So ungefähr ist das Niveau des allgemein verbreiteten Halbwissens. Dass die GEMA nichts anderes als ein Mitgliederverein ist und die eingenommenen Gelder direkt als Lebensgrundlage an zahllose Komponisten und Techtdichter wieterfließen, ist dann schon weniger leicht zu erklären. Auch, dass die GEMA nicht die youtube-Videos verbietet (und übrigens auch gar nichts dagegen hat, dass auf youtube geschützte Musik kommt, wenn diese denn auch vergütet wird), sondern youtube selber diese Meldung schaltet, weil man gegen die GEMA hetzen will, auch nicht. Und dass jemand, der illegal Dateien verbreitet nicht unbedingt automatisch ein tapferer Held gegen das Establishment ist, auch nicht.

Dass das Urheberrecht oft zu umständlich ist, und in vielen Bereichen hinterhinkt: geschenkt. Dass es bei der GEMA einiges zu verbessern gäbe: geschenkt. Aber ist das Konzept des geistigen Eigentums wirklich „ekelhaft“, wie es die Piratenpolitikerin Julia Schramm behauptet?

Nun veranstaltet das Bundesministerium der Justiz in diesen Tagen ein Podium zum Thema Urheberrecht. Die Gästeliste findet man hier. Nun würde man ja eigentlich erwarten, dass zu einer solchen Diskussion auch Urheber geladen sind, denn um diese geht es da ja wohl. Wenn man die Namensliste durchliest, traut man allerdings seinen Augen nicht – wo sind hier die Urheber? Hat man vergessen, die einzuladen? Ok, Klaus Staeck gibt ein Grußwort, aber verschwindet dann sicher gleich in sein Atelier. Ansonsten liest man nur „Produzent“, „Justitiar“, „Vorstand Online Film Gmbh“, „Chaos Computer Club“. KEIN EINZIGER URHEBER BIS AUF EINEN EINZELNEN DREHBUCHAUTOR (Fred Breinersdorfer, praktischerweise auch gleich noch „Anwalt“. KEIN EINZIGER URHEBER, DER ALLEIN VOM URHEBERRECHT LEBT! (hätte man nicht zumindest einen solchen einladen müssen, wenn man schon darüber spricht?). Irgendwie hat man das beim BMJ dann wohl auch gemerkt, und schnell noch alibimäßig den Filmkomponisten Micki Meuser eingeladen, der fand das dann so komisch, dass er gleich seine Filmmusikkollegen auf diesen unglaublichen Vorgang aufmerksam gemacht hat (danke an Markus Lehmann-Horn für den Tipp).

Vielleicht sollte man als nächstes z.B. über Fragen der Landwirtschaft reden, und anstatt Bauern dann lauter Vertreter von Aldi-Filialen einladen, das wäre ungefähr die selbe Logik.

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Anderswo treibt das Piratentum wunderbar skurrile Blüten. Die oben erwähnte Piratin Julia Schramm hat nämlich ein Buch geschrieben, mit der Forderung nach Abschaffung des von ihr als so ekelhaft empfundenen geistigen Eigentums, ein Buch mit dem wunderbar zweideutigen Titel „Klick mich“. Für dieses Buch hat sie vom Verlag eine ansehnliche Summe bekommen, man munkelt etwas von 100.000,-EUR, gerüchtehalber, aber irgendwas wird’s schon gewesen sein.
Was dann passierte ist schon herrlich:

Noch am Montag, dem Tag der Buchveröffentlichung, stand alternativ eine Kopie kostenlos im Netz. Unbekannte hatten das PDF bei einem Online-Speicherdienst abgelegt, den Link zum Download über Twitter und Tumblr verbreitet, zusammen mit dem Hinweis auf das Parteiprogramm der Piraten. Hinter der Aktion kann man durchaus eine gewisse Häme vermuten. „Klick mich“ zum Klicken, nicht zum Kaufen.

(Quelle: Spiegel Online)

Und drei mal dürft ihr raten, was der Verlag von Julia Schramm nun macht?

Der Verlag schaltete umgehend seine Rechtsabteilung ein und nahm Kontakt zum Betreiber des Online-Speicherdienstes auf. Mit Erfolg: Am späten Montagabend war die Datei zumindest unter der ursprünglichen Adresse nicht mehr abrufbar, stattdessen fand sich dort der folgende Hinweis:

„This file is no longer available due to a takedown request under the Digital Millennium Copyright Act by Julia Schramm Autorin der Verlagsgruppe Random House.“

Im Namen der Piraten-Autorin wurde der illegale Download entfernt.

Ob Julia Schramm ihr aus Urheberrechtseinnahmen (Random House!) finanzierte Honorar für ihr Buch auch umsonst auf der Straße verteilt hat? Man darf zu Recht daran zweifeln.

Mamchmal ist die Wirklichkeit die beste Realsatire.

Moritz Eggert

Wo ist Burt Lancaster, wenn man ihn wirklich braucht?

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10 Antworten

  1. wechselstrom sagt:

    hier ein netter Artukel aus der Süddeutschen.
    den Schlusssatz muss ich zitieren, weil er mir so gut gefällt, und irgendwie auch ausdrückt, warum viele Künstler ihren Beruf gerne machen:

    Der Punkt ist, dass sie [die superreichen Künstler wie z.B. Joanne K. Rowling, Anm. wechselstrom] eine symbolische Möglichkeit repräsentieren, aus dem großen Hamsterrad der Existenz schlagartig auszubrechen. Und zwar nicht durch Funktionieren und Bravsein und Buckeln, nicht durch Erbsenzählen und geschäftliche Brutalität oder gnadenlose Selbstdisziplin, sondern durch eine Idee, eine Inspiration, eine Laune des Schicksals. Einfach so. Und das winzige Fenster, durch das so ein Ausbruch nur gelingen kann, heißt crazy old Urheberrecht.

    und weiter im Text:

    Versucht man, es wegzudenken, sieht die Welt plötzlich wie eine endlose Castingshow aus, in der auch die Künstler immer nur lächeln und schuften und Bausparraten abbezahlen – und am nächsten Morgen pünktlich zum Dienst antreten. Eine furchtbare Vorstellung.

    Sind Piraten Bürokraten?

  2. @wechselstrom: ich weiß zwar nicht, ob dieser Text die Piraten zum Einlenken bringen wird, aber ich finde ihn auch schön. Und ja, Bürokraten sind sie glaube ich schon, wie die inneren Parteikontroversen um ihr Abstimmungssystem „liquid dingsbums“ zeigen.

  3. Hufi sagt:

    Jaja. Die Schramm ist schon ganz schön schlimm, sehe ich auch so. Aber man soll sich nicht täuschen lassen. Es sind gerade auch einige Urheber bei denen. Meistens welche, die mit der GEMA nicht so einverstanden sind und gerne ein paar Änderungen haben wollen, die sie sich besser in einer anderen Verwertungsgesellschaft vorstellen. Der Weg dorthin ist noch steinreich.

    Urheber waren aber dennoch mehr als du denkst bei der Veranstaltung. Nämlich viele Autoren, die über die VG-Wort nichts verdienen. Vergiss die schreibende Zunft nicht, lieber Moritz. Ich habe ja gerade meinen VG-Wort-Scheck vor mir liegen über 34,89 € für das letzte Jahr. Das macht immerhin 2,91 € pro Monat. Oder sechs Zeilen Honorar von der nmz.

    Und die GEMA ist ja auch nett, sie fragte neulich an wegen eines Fotos von Peter Michael Hamel, das sie in ihrer Mitgliederzeitschrift „liquid presto“ verwenden wollte; natürlich kostenlos. Probieren kann man es ja mal, ne?

    Manchmal ist die Wirklichkeit die beste Realsatire.

  4. Alexander Strauch sagt:

    Im Vorfeld des Forums wurde zwar der Protest der Medienlobby wahrgenommen, die darauffolgende Protestnote des Komponistenverbandes ging vollkommen unter, auch die verspätete Ladung von Micki Meuser als einzigen Komponisten. Literaten und mehr fehlten erst Recht unter den Geladenen, sofern es nicht Fachbuchautoren als Produzent, Justiziar, etc. waren, als dies sie zuvörderst firmierten. Schon schade, wie selbst die NMZ im KIZ vergisst, auf den Protest der Autoren selbst hinzuweisen. Da melden die sich mal selbst, fallen aber gleich in den Papierkorb. Immer wissen Gegner wie Befürworter seitens der Industrie, was Autoren wollen. Deren Wortmeldungen oder deren Einladung ist wertloser als Klopapier! Hier ein Bericht aus Sicht des Komponistenverbands.

  5. wechselstrom sagt:

    JaJa, lieber Hufi,

    die „Experten“ ermitteln ja auch immer wieder, dass nur max 10% der Komponisten von den GEMA-Gebühren leben können.
    Daraus zu schließen, das Urheberrecht müsse abgeschafft/ähem: „nutzerfreundlich reformiert“ werden führt in die falsche Richtung.

    Mit ähnlichen statistischen Methoden kann man begründen, dass die Wahlkampfkostenerstattung für Parteien abgeschafft werden sollte, da kaum ein Politiker von diesen Zuwendungen (aus Steuermitteln) sein Auskommen hat, und ebenso kann man argumentieren, dass demnächst Harz-IV eingekürzt/ähem: „arbeiterfreundlich reformiert“ werden soll, da von diesen Zahlungen sowieso niemand so recht leben kann.

    Also, lieber Hufi, ist schon recht, mit deinen 34,89 € von der VG Wort fürs letzte Jahr. Zähle deine Erbsen ruhig weiter und lass noch einen kräftigen Furz in deinen Sessel.

    Gute Nacht Deutschland

    – wechselstrom –

  6. Hufi sagt:

    Jetzt weißt du auch, warum keine Urheber eingeladen wurden, so wie du sie fasst. Mal ehrlich: Ich kann den Unmut ja verstehen. Aber welchen Urheber schickt man da hin? Oder welche? Den Standard-Urheber in Musik, gewählt aus den 60.000 Gema-Mitgliedern. Oder den Standard-Urheber-Aufsichtsrat? Den Filmmusikkomponisten, den Werbemusikkomponisten, den Schlagerkomponisten, den Neue-Musik-Komponisten, den Klingeltonkomponisten? Den Jazzer? Den Sounddesigner? Den Computerspielkomponisten? Den Heker, den Eggert, den Schneider, den Wechselstrom, den Strauch. Welche(r) Komponist könnte sprechen für die anderen? Wieviel Rückhalt würde er aus den eigenen Reihen bekommen und von wem?

  7. Matthias sagt:

    Der Mann von Chaos Computer Club (Frank Rieger), ist Buchautor und schreibt für die FAZ (grade heute ein Artikel drin), ist also ganz klar ein Urheber. Die Aussagen zur Veranstaltung des Ministeriums sind also doch etwas überzogen.

  8. Alexander Strauch sagt:

    Der Strauch, is‘ ja logo! Quatsch mit Sosse. Nein, ich denke, dass es genug Urheber gäbe, Vereine, die man beteiligen sollte. Der ComputerChaosClub mag für die ganze Netzgemeinde reden. All die ZDFler und anderen Teilnehmer vertreten ja menschenmässig betrachtet weniger als Literaten-, Komponisten-, Musiker-, etcpp. Vereinigungen – sie vertreten v.a. das Geld, was mit jenen verdient wird. Wenn Frau Leutheusser-Schnarrenberg von Körbchen spricht, dann liegt das an ihrer zurückhaltenden Ladementalität. Es geht um Vieles, es geht um Viele, da muss eben mehr bieten. Im Prinzip wäre ja wirklich ein grosser, runder Tisch aller Betroffenen angesagt. So begibt man sich aber von vornherein in die totale Komplexität und vergisst, dass es vielleicht gar nicht so Riesenpunkte wären, um die es ginge:
    – faire Entlohnung der Urheber,
    – faire Preise für die Nutzer,
    – akzeptable Geschäfte für die Verwerter,
    – möglichst wenig Kriminalisierung,
    – möglichst wenig Kleinreden.

    Wichtig wäre, generell ins Gespräch zu gelangen, aber eben nicht die Urheber selbst zu vergessen. Abgesagt hat die Industrie, beschweren musste sich für eine Einladung z.B. der DKV. So wenig dieser z.B. an Menschen im Verhältnis zu den 60.000 GEMA-Mitgliedern vertreten mag, so ist er doch eines der zentralen Sprachrohre. Ähnlich den Gewerkschaften, die auch für all die Unorganisierten den Arbeitskampf führen…

    Gruß,
    Alexander Strauch

  9. Alexander Strauch sagt:

    @ Matthias: Es stimmt, das Frank Rieger u.a. als Buchautor in Erscheinung tritt. In Hauptsache firmiert er allerdings als „technischer Geschäftsführer eines Unternehmens für Kommunikationssicherheit sowie Mitgründer erfolgreicher deutscher Start-up-Unternehmen in den Bereichen Datensicherheit, Navigationsdienste und E-Reading aktiv“, wie man seiner Vita auf re:publica entnehmen kann. Beim Forum des BMJ am 19.9.12 war er v.a. als Sprecher des Chaos Computer Clubs geladen. Alle weiteren Teilnehmer, bei denen Autor in der Berufskette auftauchte firmierten zuerst auch als Vertreter anderer Berufe, Vereine: Tim Renner zuerst Musikproduzent, Fred Breinersdorfer als Anwalt, etc. Joerg Heidrich dezidiert als Fachautor. In originärer künstlerischer Position einzig Micki Meuser als Komponist.

    Das soll den auch als Autoren arbeitenden Teilnehmern nicht die Kompetenz absprechen. Im Gegenteil sind sie wohl brillante Kenner des Urheberrechts. Dennoch verstehen sie sich nicht in erster Linie als Autoren, gar Literaten, als Künstler, Fred Breinersdorfer mal ausgenommen. Es bleibt fast ein Geschmäckle, als wollte das BMJ durch die Nennung all der Tätigkeiten seiner Gäste das Wesen „Autor“ nicht ganz aussen vor lassen. Gerade da man sich in der Akademie der Künste traf, wäre eine stärkere Präsenz von Künstlern mehr als notwendig gewesen. Wie gesagt, Nutzer, Verwerter, Medien, Industrie, Politik, etc. wissen je nach ihrer Ausrichtung immer durch ihre Brille was Künstler benötigen, so wie bspw. ein starkes, konservatives Urheberrecht, oder ein nutzerfreundlicheres mit besseren Ausstiegsklauseln und Ausnahmen für Künstler. Das sind ja tw. auch berechtigte Ideen, um das jetzige System zu reformieren. Aber es bleibt dabei: Alles spricht von den Autoren, doch wann lässt man sie zu Wort kommen, gerade bei solch einem hochtrabenden Forum? Schweigen im Walde…

  10. Kurt sagt:

    „[…] jeder fühlt sich inzwischen als Experte dazu, auch wenn das tatsächliche Wissen darüber oft nur Stammtischniveau hat.“ Das gilt auch für diesen Beitrag.