Ins Rampenlicht kam die Hochschule für Musik und Theater in München in letzter Zeit nicht durch ihre Ausbildungsleistung sondern durch jetzt insgesamt zwei Fälle von sexuellen Übergriffen bis hin zur Vergewaltigung, die zwei Professoren zur Last gelegt worden sind. Das eine Verfahren gegen den ehemaligen Präsidenten der Hochschule ist im Berufungsgang, der andere Fall geht demnächst möglicherweise vor Gericht und hat noch drastischere Taten zum Gegenstand.

Von Seiten der Hochschule bemüht man sich um Schadensbegrenzung, verweist auf Richtlinien, auf Maßnahmen, auf Initiativen, die man sei 2013 verfolge. Das hat zumindest ihr aktueller Präsident Bernd Redmann kundgetan.

„Wir haben im Haus Vorarbeiten geleistet. 2013 wurde von einer Arbeitsgruppe ein Flyer aufgelegt „Nein heißt Nein“, der auch an anderen Musikhochschulen Beachtung gefunden hat.“ [Die nmz im Gespräch mit Präsident Bernd Redmann über Regelungslücken und Richtlinien]

Moment mal: Schon 2013? Da war ja sogar Mauser noch Präsident. Nach aktueller Lage hat er das Papier offenbar entweder nicht gelesen oder verstanden oder fühlte sich nachträglich auch nicht angesprochen. Egal, die Wahrheit wird auch das Berufungsgericht ermitteln.

Am Schönwetter ist Redmann aber auch interessiert. Und das macht er sehr geschickt, indem er besonders und ausdrücklich auf eine Regelungslücke hinweist, wenn Studierende nicht Opfer sondern Täter werden. Ein Thema, das besonders interessant scheint, wenn es aktuell um Fälle von Übergriffen seitens der Lehrenden geht. Niemand will bestreiten, dass auch Studierende Täter werden können. Aber ist das jetzt das vorrangige Problem?

„Es geht nicht nur um den Fall, dass Studierende Opfer von Übergriffen werden –  Übergriffe können auch von diesen begangen werden. Es gibt an Musikhochschulen verschiedene Beteiligtengruppen: Verwaltung, Lehre, Studierende, Lehrbeauftragte, Festangestellte im Mittelbau, Professoren. In jeder Gruppe gibt es ein eigenes disziplinarrechtliches Instrumentarium an Aktionsmöglichkeiten, wenn Übergriffe begangen werden. Das gleiche gilt beim Opferschutz. Die Lücken sind bei den Studierenden am größten, sowohl was die Opfer- als auch was die Täterseite angeht. Da existiert eine Regelungslücke, …“ [Die nmz im Gespräch mit Präsident Bernd Redmann über Regelungslücken und Richtlinien]

Mit Spatzen auf Kanonen schießen

Etwas eigenartig kommt dann noch Redmanns Einlassung zur sexuellen Hygiene der Jetztzeit herüber. Die ganze Sache sei ein doppelter Einzelfall, sozusagen:

„Beide Fälle bezögen sich auf einzelne Personen und lägen viele Jahre zurück; weitere Vorfälle seien nicht erkennbar. Die Hochschule habe jedoch ein ganzes Bündel von Maßnahmen ergriffen, um eine Wiederholung auszuschließen,“ zitiert ihn die Schwäbische.de indirekt.

Wirklich? Zwei Fälle und sonst ist alles knusper? Vielleicht gibt es andere Gründe, warum man sich in Schweigen hüllt – und zwar auf beiden Seiten. Zum Beispiel strafrechtliche wie Verjährung und Erbringung der Nachweise von Taten. Das Klima, das um den Mauser-Fall geschaffen worden ist mit den Leserbrief-Angriffen auf die Opfer, die man dann zu Tätern umwidmet zum Beispiel: Wie schnell wird man als „tückische Tellermine“ hingestellt (siehe Leserbrief von Hans Magnus Enzensberger in der Süddeutschen Zeitung oder die Einlassungen des Präsidenten der Bayerischen Akademie der Schönen Künste) oder man handelt sich den Vorwurf des Rufmordes oder ähnliches ein. Als Opfer wird man, da ist die Geschichte solcher Verfahren bekannt, schnell zum Täter des Wortes umqualifiziert, der anderer Leute Leben ruiniere.

„Es wurde auch die Ermutigung an eventuelle Opfer von Übergriffen ausgesprochen, sich vertraulich bei den Ansprechpartnern und -partnerinnen der Hochschule zu melden. Es gab in den letzten Wochen jedoch keine weiteren Gesprächswünsche.“ [Die nmz im Gespräch mit Präsident Bernd Redmann über Regelungslücken und Richtlinien]

Es geht hier, siehe das skizzierte Umfeld oben an, nicht um eine Frage, ob man die Kaffeemaschine lieber mit dieser oder jener Kaffeesorte befüllen möchte. Auf den Gedanken, dass man an einer Hochschule, bei der mindestens von zwei Personen einige mehr oder weniger ernste Delikte verübt worden sind, an einer Hochschule, bei der sogar der jetzige Hochschulpräsident implizit sagt, dass sexuelle Übergriffe auf und zwischen allen Beteiligten, unabhängig von der Position wohl stattfinden, sonst würde man so ein Papier ja wohl auch kaum benötigen, vielleicht auch nicht dazu geneigt ist, Dinge an die Öffentlichkeit zu bringen, die passiert sein könnten, deren Nachweis bekanntermaßen häufig genug schwierig ist, auf diesen Gedanken kommt Redmann dann doch nicht. Münchens Hochschule also „safe“?

Recht und Moral

Es ist eben nur juristisch eine Frage der Verjährung. Moralisch verjähren solche Taten keinesfalls. Wenn es der Leitung der Hochschule für Musik und Theater ernst wäre mit der Aufarbeitung, und sei es nur der historischen, so würde sie einen unabhängigen Forscher damit betreuen, dann würde sie Ansprechpartner außerhalb der unsicheren Hochschule benennen. Dann würde sie sich nicht hinter disziplinarrechtlichen Ahndungsmöglichkeiten verstecken. Denn wie weit der Sumpf in der Hochschule wirklich reicht, wissen nur die Beteiligten selbst. An ihnen wäre es, sich moralisch zu den Verfehlungen zu bekennen.