Mitten in die Fastenzeit hinein lassen neue musikzeitung und das musikforum – die Zeitschrift des Deutschen Musikrates – aufhorchen. Denn da werden die drei Anwärter für den Musik-Gordi nominiert. Das ist eine besondere Ehre. Aber nicht jeder ist gleichermaßen qualifiziert.

Wie sehr aber manche dann doch qualifiziert sind, zeigt sich in dem Rummel und den Wellen, den eine Nominierung dann auszulösen in der Lage ist. Um Sandra Scheeres ist es sehr ruhig, obwohl sie in Berlin ein echtes Musikschulchaos angerichtet hat. Schon letztes Jahr war sie nominiert, konnte sich aber gegen Mathias Brodkorb mit seiner Kahlschlag-Kultur in Mecklenburg-Vorpommern nicht durchsetzen. Eigentlich schade. Aber das Ergebnis war eindeutig.

Benjamin-Immanuel Hoff hält in Thüringen mit seiner „Perspektive 2025“ das Kulturland in Atem – und die Augenärzte, die umlernen müssen, was Diagenosen wie Kurz- und Weitsichtigkeit angeht. Im Augenblick führt er. Klar, man kann sich schon fragen, ob da nicht allein der Name seiner Initiative ein Neusprech ist, der über die wirkliche Absicht so schön täuscht. Gleichwohl ist Hoff immer noch um Kommunikation bemüht, tingelt von Theater zu Theater und stellt sich selbst den Studierenden, die ihm die rote Karte zeigen. Aber das ist immer noch sehr guter Stil.

Was den dritten Kandidaten angeht, den Oberbürgermeister von Hagen, Erik O. Schulz, sieht die Lage schon anders aus. In Hagen geht es ab. In einem Nichtgezeichneten Text in der WAZ liest man da:

„Vorzugsweise in den sozialen Netzwerken tummelt sich der erste Musikus der Stadt mit seinen Statements. (…) Ludwig selbst gibt sich über Facebook zunächst betroffen, dass Hagen auf dem Musik-Gordi-Podium wieder einmal wenig schmeichelhafte Aufmerksamkeit errege. Um im nächsten Atemzug seiner Leserschaft ans Herz zu legen, bei der Gordi-Online-Abstimmung gefälligst so zu votieren, dass in Hagen der gesellschaftliche Kultur-Kitt erhalten bleibe. Ein durchaus bemerkenswertes Gebaren eines Bediensteten in einem städtischen Tochterunternehmen gegenüber dem Chef.“ Ein GMD lässt abstimmen | WAZ.de

Oder anders gesagt: „Was erlauben Knecht? – Auf die Knie, Untertan!“

Angeblich soll sich der GMD von Hagen öffentlich in sozialen Netzwerken damit hervorgetan haben, seine Facebook-Freude aufgerufen zu haben, bei der Wahl zum Musik-Gordi mitzumachen. Wo jetzt das Problem ist, ist mir ehrlicherweise nicht klar. Was hat der Autor gegen einen „gesellschaftlichen Kultur-Kitt“ wie er es nennt. Soll man nun für oder gegen OB Schulz stimmen?

Facebook is it

Facebook is it. Dort nämlich kontert Stefan Ciupka, Ratsmitglied der CDU der Stadt Hagen. Er macht eine Dienstaufsichtsbeschwerde. Der GMD ist sei beratungsresistent und illoyal, vergreift sich in Ton und Verhalten, verhalte rufschädigend. Und dass, obwohl er in Diensten der Stadt Hagen steht, jedenfalls noch.

In den Kommentaren zur Begründung für Erik O. Schulz als Kandidat taucht dann plötzlich auch der ehemalige Kulturdezernent von Hagen, Thomas Huyeng, auf und beschwert sich über falsche Daten und Fakten. Wörtlich:

Der geteilte Beitrag ist nichts anderes als eine freie Erfindung.

Das ist natürlich unwahrscheinlich. Erik O. Schulz ist damit dummerweise nur zum falschen Zeitpunkt an der falschen Stelle. Äh, an der richtigen, denn sonst wäre er ja auch nicht OB geworden. Und der reagiert, wie es sich gehört damit, den GMD Florian Ludwig zu sich zu ziteren. Stand ebenfalls in der WAZ. Den inkriminierten Facebook-Eintrag von GMD Ludwig sucht man vergebens.

In der WAZ stand auch bereits, wie man sich die zukünftige künstlerische Mitarbeit in Hagen eigentlich vorstellt. Die Überschrift des Artikels täuscht ein bisschen. Statt: „Neuer Intendant wird eingebunden“ muss man sachgerecht lesen „Neuer Intendant muss mitmachen“.

„Zeitnah, so wurde vereinbart, sollen in einer Fünferrunde (Schulz, Gerbersmann, Huyeng, Fuchs, Söhnchen) bereits erste ökonomischen Stellschrauben zu Neujustierung des Theaters definiert und konkrete Arbeitsaufträge ans Theater formuliert werden.“ Neuer Intendant wird eingebunden | WAZ.de

Reaktion der Deutschen Orchestervereinigung

Die Deutsche Orchestereinigung hat vor einer Stunde zur aktuellen Lage in Hagen Stellung bezogen und fragt: Fährt Hagen Stadttheater und Orchester gegen die Wand?

Dabei wird noch einmal aufgezählt, in welch misslicher Lage Theater und Orchester zur Zeit sind. Und vor allem, dass man „unsensibel“ mit der Situation umgehe, von Seiten der Stadt.

„Viele Kommunen in Deutschland, die für ein Stadttheater verantwortlich sind, haben Haushaltsprobleme; nur wenige gehen damit derart unsensibel um.“

Gerald Mertens weiter:

„Die Kommunikationskultur in Hagen scheint nicht nur zwischen Stadtspitze und Theater GmbH gestört zu sein. Auch die Dialogangebote der DOV, des Deutschen Bühnenvereins und anderer Verbände hat Oberbürgermeister Erik O. Schulz bislang unbeantwortet gelassen. Es bleibt zu hoffen, dass man sich darauf besinnt, dass die bestehenden gravierenden Probleme nur im fairen Dialog zwischen den Beteiligten gelöst werden können.“

Denn die Lage sei wirklich ernst und berdohlich:

„Bereits seit 2002 sind im Hagener Theater und Orchester Stellen abgebaut und Kürzungen umgesetzt worden. Hier gibt es aber eine natürliche Grenze des Machbaren. Ansonsten läuft die GmbH sehenden Auges in den Konkurs und alle Beschäftigten fallen aufgrund des abgeschlossenen Personalüberleitungsvertrages auf die Stadt zurück. Mit einem fortgesetzten Konfrontationskurs der Stadtspitze gegen ihre städtische GmbH ist keinem gedient.“

Stattdessen geht es nicht um die Sache sondern um Iloyalität und Beratungsresistenz. Klarer kann man zur Zeit nicht zum Ausdruck bringen, dass man an der Zukunft dieser Kultureinrichtungen nicht interessiert ist, sich aber gerne an Preisen sonnt, die dieses Theater im letzten Jahr eingefahren hat, nämlich den Preis für das beste Konzertprogramm (2014/15) des Deutschen Musikverlegerverbandes (DMV). Schaut man in die Liste des DMV muss einen das geradezu traurig stimmen. Gute Progamme scheinen die Institutionen an den Rand einer vernünftigen Weiterexistenz zu bringen.

Schon vor Jahr und Tag haben wir im Sperrsitz darauf hingewiesen, dass Städte offensichtlich nach Duckmäusern Ausschau halten. Jetzt immerhin übernimmt der eine die Position der anderen. Ironie der Geschichte.

PS: Falls jetzt noch Unklarheiten bestehen, wen man bei der Musik-Gordi-Wahl wählen kann, der stimmt jetzt einfach mal nicht mit ab.

Wer soll den Gordi 2016 erhalten?

Sandra Scheeres
Erik O. Schulz
Benjamin-Immanuel Hoff

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