[Das ist hier kein Artikel aus der Welt von Herrn Wiegelmann, sondern allein der Kopf eines Artikels aus der Welt illustriert den Gegenstand, der hier verhandelt wird.]

Lucas Wiegelmann, der „stellv. Ressortleiter Feuilleton“ der „Welt“ eilt seinem Musik-Feuilletonmenschen Manuel Brug nur scheinbar zur Seite, wenn er versucht, die Kritik an Brugs „Analyse“ der Chefdirigentenwahl der Berliner Philharmoniker durch die Twitterin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung irgendwie umzudeuten, als Innovation des Journalismus. Er rubriziert es ein unter Meinung/Glosse und man weiß jetzt nicht genau was von beidem? Beides. Oder gar nix?

Für eine Glosse ist es irgendwie zu bemüht im Tonfall, für eine Meinung zu periphär. Was und wie will also will Lucas Wiegelmann nach fast einem Monat den Degen von Eleonore Büning parieren – das ist flott, aber nicht Florett. Er will nur zeigen, dass Büning in ihrer Kritik eigentlich nämlich viel mehr über den Dirigenten lästert als sein eigener Autor Brug.

Man könnte hier Satz für Satz des Textes durchgehen, um zu zeigen, dass weder die „Meinung“ seines Autors stimmig ist noch die Gestaltungshöhe einer Glosse erreicht wird. Zum Beispiel, wenn er der Klassikberichterstattung nachsagt, sie gehöre eher zu den verschlafensten Genres des Feuilletons (was er selbst ja beweist mit seinem Text) und dann die Innovationen der FAZ-Autorin zu geißeln. Das Bild ist so schief, dass man gar nicht weiterlesen mag.

Die angeblichen Tricks:

„Erster Trick: Die Fiese-Gerüchte-um-XY-Technik“. Wohlgemerkt, es geht vorgeblich um Büning, nicht um Brug (auch wenn beide mit „B“ beginnen). Er wiederholt dann das Statement, das Brug in der Welt brachte. Zitat: „Die „Welt“ hatte berichtet, Petrenko werde „der dritte Jude auf einem Berliner Chefsessel“ sein, neben Daniel Barenboim und Iván Fischer.“ Das korrekt zitiert unter Auslassung der näheren Bezeichnung, er, Petrenko, sei es „interessanterweise“. Der stellv. Ressortleiter Feuilleton hat den Vorwurf einfach nicht verstanden oder er ignoriert ihn absichtlich. „Interessanterweise“ ist er dabei ja nicht der erste. Wie überhaupt: Als ehemaliges „Gründungsmitglied des Investigativ-Teams“ weiß er aber auch, was man wo interessanterweise dann besser auslässt und wo nicht. Erfreulicherweise wissen das aber auch alle anderen um ihn herum. Der Rest seiner Argumentation ist mir irgendwie nicht klar, gebe ich zu. Wie er oben schon sagt: „Im Zweifel lieber einen Tag zu spät als einen zu früh, dafür dann aber mit Überlänge, und am Ende versteht man doch wieder nur die Hälfte.“

Dann kommt er zum zweiten Trick: „Zeit sparen“ – Frau Büning wärme altes Material wieder auf. Glaubt man ihm jetzt unbesehen, macht er ja auch. Bei ihm wirkt‘s unangenehm und unentschlossen, bei Büning ist es im Fundus der Erfahrung. Ich verstehe dies auch nicht. Auch nicht die VW-Sache und die Budgets und so. Investigativ aber, alte Texte nach Dopplern zu durchforsten, gelernt ist gelernt. Nur: Was hat das zu bedeuten? Hier im konkreten Zusammenhang? Die Analyse mit „Zeit sparen“ glaubt keiner. Das ist doch schneller geschrieben als gesucht.

Letzter genannter Trick: „Unentbehrlich ist heutzutage schließlich ein individueller Ton.“ Und der wird angeblich durch die Verwendung des „Ich“ gewährleistet. Ich will da gar nicht drauf eingehen, denn interessanterweise sind die Erinnerungen, die Büning auskramt, an sie gebunden. Die hat nun mal sie gemacht. „Ich“ laufe gut durchs Dorf der sozialen Medien. „Es ist, nicht nur sprachlich, eine Demonstration der Stärke. Eine Kampfansage an all die Blogger, Facebooker und Twitterer, die sich ja viel zu häufig einbilden, die Egozentrik gepachtet zu haben,“ sagt – oder besser – schreibt er. Wo die nun wieder herkommen und in den Text eingebracht werden, darüber rätsele ich nun stundenlang. Hat der stellv. Ressortleiter Feuilleton nun was gegen den Blogger und Twitterer Brug, fühlt es den plötzlich geschwächt. Oder wähnt er seinen Schützling Brug jetzt als Egozentriker?

Wir alten Blogger sagen in solchen Fällen immer „Herrjemine“. Mir tut der Brug schon ein bisschen leid, das hat er jetzt auch nicht verdient, vom Ressortleiter irgendwie hintenrum einen mitzubekommen.

Man sollte ja nicht vergessen. Die Kritik an Brugs Text war im Wesentlichen weniger eine stilistische, weder hier, noch bei der FAS-Autorin. Und insofern sollte man nicht vergessen, das ist nämlich ein alter Trick aus der Rhetorik (lies nach bei Schopenhauer, der hats schön zusammengefasst), man holt den Ball aus dem Spiel, malt ihn anders an und geht zu einer anderen Sportart über.

Nachts ist’s kälter als draußen

Nehmen wir zur Erinnerung die Glossen von Karl Kraus. Der blieb immer im Spiel, hat sozusagen textimmanent gearbeitet. Dagegen klingt der Text des Absolventen der Dingsundbums-Akademie in seiner argumentativen und stilistischen Kultur eher wie „Nachts ist’s kälter als draußen.“ Das ist nur bedingt „glossy“, eher hilflos.

Hätte er besser geschwiegen. Er tut Brug nichts Gutes, seinem Blatt nichts Gutes, der Aufklärung nichts Gutes und er wärmt das auf, was er Vergessenmachen wollte. Das ist schwach.

Frau Büning wird’s wohl gelassener sehen. Aber wer weiß.

PS: Nein, eines noch. Man übersieht es zu leicht. Klein oben wird der Text von Wiegelmann so betitelt: „FAS-Autorin Büning: Kirill Petrenko und der Antisemitismus“. Prima Trick, man tauscht die Subjekte des Themas einfach mal aus und geht mal gar nicht auf das Thema Antisemitismus ein. Das ist allerdings dann doch mehr als frech. Bitte korrigieren Sie das oder lassen Sie es korrigieren: Einigermaßen korrekt wäre noch: „Welt-Autor Brug: Kirill Petrenko und der Antisemitismus“ – aber auch das wäre nur eine Notlösung.

Auch der Haupttitel selbst ist eigenartig: „Kirill Petrenko und die Tricks des Journalismus.“ Diese Junktion „und“ lässt mich geradezu verzweifeln. Ist es ein Und wie bei „Peter und der Wolf“ oder eher wie bei „Peter und Paul“? Welche Beziehung wird da aufgemacht. „Meinung und Glosse“, herrjemine, die Welt wird aber auch immer selbstreferentieller. Nee, im Ernst, was hat Petrenko nun mit den Tricks des Journalismus am Hut. Der Wiegelmann will einen doch nur verwirren. Schreiben wollen hätte er eigentlich „ICH und meine journalistischen Tricks“. Durfte er aber wohl nicht. Mal sehen, was dann der Ressortleiter Feuilleton der WELT in 30 Tagen schreiben wird. Wir arbeiten die WELT schon noch durch, notgedrungen.