In den vergangenen Jahren wurden große Teile der Musikindustrie und der Kulturpolitik nicht müde, zu betonen, dass die im Internet so verbreitete und sogenannte „Kostenlosmentalität“ nicht gehe. Künstler und kreative müssten von ihren Produkten, die sie herstellen oder verbreiten leben können. Vorne in der Argumentationskette immer die Musikindustrie, die auf Grund des Zusammenbruchs der CD-Welt schwer ins Schlingern kam, sich aber mittlerweile konsolidiert hat: auf einem Niveau, wie es vor dem Siegeszug der CD der Fall war.

Seit gestern ist bekannt, dass Dieter Gorny vom Bundeswirtschaftsministerium und hier explizit von Minister Sigmar Gabriel zum „Beauftragten für Kreative und digitale Ökonomie“ ernannt worden ist. Das allein sorgt schon für Unruhe bei den Netzaktivisten und -politikbeobachtern und Piraten. Für Unruhe sorgt aber eben auch die Fähigkeit Gornys, in Gesprächen und Vorträgen sprachvisionär aufzutreten. Er ist ein großer Rhetoriker. Doch das nur nebenbei.

In der Heisemeldung von Gornys Berufung findet sich der Hinweis, dass sein Amt im Bundeswirtschaftsministerium „ehrenamtlich“ sei. Neben der Frage, ob es gut ist, dem Cheflobbyisten der Musikindustrie diese Tätigkeit zu überantworten, rein aus politischer Sicht, muss man doch fragen, wie objektiv er, Gorny, das Amt überhaupt wahrnehmen könnte, wenn er wollte. Wenn er sein Einkommen vor allem von denen bezieht, für die er Lobbyist ist, dürfte eine gewisse Neutralität eher unwahrscheinlich sein.

Aber ganz zuletzt: Wie war das mit der „Kostenlosmentalität“ im Netz (und im richtigen Leben)? Auch Beauftragte sollen von ihrer Arbeit leben können. Sollte man meinen. Das lässt sich mit einem Ehrenamt allerdings nur schwer in Einklang bringen. Und man müsste mal fragen, ob dies wirklich überhaupt ein Ehrenamt ist, was er da ausübt – das ist es nämlich nicht, es ist eine unbezahlte Nebentätigkeit für Musikindustrie und Co – bis zum Beweis des Gegenteils. Und ob das in der Politik wirklich eine vernünftige Lösung ist. Der Soziologe Max Weber hat in „Politik als Beruf“ das Problem angerissen:

„Die Politik kann entweder »ehrenamtlich« und dann von, wie man zu sagen pflegt, »unabhängigen«, d.h. vermögenden Leuten, Rentnern vor allem, geführt werden. Oder aber ihre Führung wird Vermögenslosen zugänglich gemacht, und dann muß sie entgolten werden.“ [Max Weber: Politik als Beruf. Berlin 1982, S. 17 f.]

Weber hatte da das Problem der Abkömmlichkeit im Blick. Gorny wäre in seinen Ämtern jedoch wirklich abkömmlich. Und dann sollte er sich vom Ministerium eben auch so bezahlen lassen, dass er abkömmlich ist. Als Lobbyist hat er nichts in der Politik verloren – auch wenn man weiß, dass kaum je ein Politiker oder Staatsbeamter frei von Lobbyeinfluss ist. Doch wäre dies Voraussetzung für Übernahme des Amtes. Kostenlos geht in der Politik schon gleich gar nix. Das Amt ist mit seiner Besetzung durch Gorny automatisch beschädigt und sinnlos.