Man kann das Unglück nicht herausfordern. Das Unglück kommt über einen, fällt auf einen zu. Egal, ob das Unglück von langer Hand geplant ist oder Folge eines schleichenden Prozesses ist, der sich durch die Glieder frisst. Beide Methoden habe ihr Recht, bzw. ihr Unrecht. Dran glauben müssen dann die Institutionen, wie zum Beispiel Orchester, Theater, Musikschulen. Mit Mitteln der Bürokratie zugrunde gerichtet, mit Mitteln zweifelhafter, demokratisch nur noch bedingt legitimierter, Entscheidungen exkulpiert.

Ein Skandal findet nicht statt

Bis zu einem gewissen Maße regt sich dann tatsächlich mal was. Man geht auf die Straße und vielleicht auf die Presse zu, setzt seine Netzwerke in Betrieb. Aufregung folgt. Doch mit der Dauer der Aufregung erlahmt die Solidarität in der Sache. Beharren verwechselt man schnell mit Verbissenheit. Die Sache wird im Zweifel unerträglich personalisiert und damit der Diskussion entzogen. Das ist ein möglicher Verlauf.

Am Ende bleibt die Ernüchterung. Sehen wir auf die Fusion der SWR-Orchester anlässlich der Donaueschinger Musiktage, sehen wir in das Video-Gespräch mit Hans Zender, aufgezeichnet von nmzMedia. Bei 1:45 analysiert Zender, dass in der neuen Musik es so wenige Stücke für Chor und Orchester gebe, weil es so wenige gute Chöre gäbe. Patsch! Das sitzt. Ist aber falsch. Aber falsch ist vor allem etwas anderes bei Zender.

Über Zenders Kompositionsleistung muss man hier nicht eigens referieren, siehe Badblogger Alexander Strauch. Da war schon mal mehr. Nein.

Ein Skandal findet nicht statt

Findet nicht statt, weil sich die Parteien vergleichen. Lange ist es nicht her, dass ein Haufen von Dirigenten und Komponisten gegen die Fusionspläne in offenen Briefen sich äußerten. Hans Zender selbst drohte mit dem Abzug aus Freiburg, wenn die Rettung nicht geleistet werden könnte. Aber was ist nun? Man tut weiter wie bisher. Das Orchester spielt ja ein Stück von ihm. Und es spielt auch Stücke von anderen Komponisten. Und alle komponieren sich die Finger wund für eine Aufführung mit diesem Orchester an diesem Ort, obwohl es doch abgewickelt werden soll. Wen interessiert das heute noch. Kunst muss ja weitermachen – und mache es nicht ich, macht es der nächste. Also bin ich mir selbst der Nächste.

Vor zwei Jahren hatte da dagegen Johannes Kreidler seine Aktion durchgezogen und das Fusionsinstrument vor den Verantwortlichen geschmolzen. Das hat ihm nicht nur Freunde zugeführt. Sondern auch Neid und Missgunst. Es war in jedem Fall riskant. Zender ist risikoarm in jeder Richtung, denn es gilt ja der Kunst.

Kunst muss aber riskant sein (aber anders als die Spekulation an der Börse), als „Business as usual“ dankt es ihr niemand außer jenen Ruhestiftern, die den Deckel geschlossen halten wollen und die sich auf die prekäre Situation in diesem Bereich der Musikwirtschaft verlassen können – wo es allerdings auch deutlich weniger prekäre Personen gibt.

Ein Skandal findet natürlich statt, er wird nur nicht wahrgenommen

Ein Skandal lockt heute niemand mehr hinter dem Ofen hervor. Also maximal wenige. Doch ist der Skandal nicht der der Kunst, sondern der der Bedingungen der Kunst. Skandalös sind die Verhaltensweisen der Kämmerer, Intendanten und ihrer Zuflüsterer. Kreidler hat das sehr wohl vor zwei Jahren in Aktion setzen können.

Aber skandalös kann es auch sein, sich mit dem Skandal abzufinden und zu arrangieren. Dies bringt dem wirklichen Skandal die nötige Ehrerbietung.

Nachtrag

Ein bisschen Protest gab es denn dann doch.

Protest gegen die Orchesterfusion in Donaueschingen am letzten Tag. Foto: Hans Kumpf

Protest gegen die Orchesterfusion in Donaueschingen am letzten Tag. Foto: Hans Kumpf