Gar keine Frage, das war gestern Abend der beste Tatort aller Zeiten! Eigentlich kein Kompliment bei der Konkurrenz („Ich will Gegner, keine Opfer!“) und eigentlich erst recht kein tatsächlicher Tatort. Eher eine kongeniale Mischung aus Italo-Western, Tarantino, NCIS und Theater. Und als Sahnehäubchen untermalt das hr-Sinfonieorchester die Bilder mit extra angefertigten Einspielungen von klassischen Werken: surreal anmutend, augenzwinkernd und süffisant überspitzend.

Und das keineswegs (nur) mit Kandidaten für Best of Klassik-Hits Vol. 17. Sondern mit sorgsam ausgewählten, stimmigen Perlen. Und die Flut an begeisterten Posts und Beiträgen in den Sozialen Netzwerken scheint den Erfolg dieses künstlerischen Gesamtexperiments zu bestätigen.

Den Kulturauftrag als Prozess begreifen

Fest steht jetzt schon: Tatort, Theater und sinfonische Musik haben voneinander profitiert. Der Marketingcoup ist gelungen, die jeweiligen Marken konnten ihr Image entstauben und street credibility erzielen. Toll! Ich möchte die verdienterweise herrschende Euphorie nicht allzu sehr bremsen, daher stelle ich die Frage der Nachhaltigkeit nur sehr behutsam in den Raum. Wird diese Aktion eigentlich flankiert von Folgeprogrammen oder versandet der frische Schwung irgendwo zwischen Spielplankorsetten und Probenmarathons? Allein eine textliche Auflistung der Musiktitel scheint mir etwas mager in Sachen Serviceorientiertheit. Schaffen es die hr-Aufnahmen nochmals aus dem Archiv und als CD, LP oder Download zum nun angefixten Tatort-Publikum? Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk mehr zu bieten hat an Kulturvermittlung als scheinbar fette Brummer, die sich als Eintagsfliegen entpuppen wie zuvor schon das Dvorak-Experiment. Da fehlten die Jugendwellen fast vollständig und outeten sich dadurch als dritte Popwelle in den jeweiligen Landesrundfunkanstalten.

Musikvermittlung per Schneeballsystem!

Aber genug der Nörgelei, mir tut es ja fast schon leid. Ich will nicht warten, bis die Frage „Wie geht es weiter?“ beantwortet wird und habe daher als kleine Fleißaufgabe die 23 im Film erklungenen Werke in einer spotify-Playlist vereint. Seht es als mein kleines Scherflein zu einer kontinuierlichen Kulturvermittlung bei den Öffentlich-Rechtlichen. Bitte bedient euch: teilt diese Musik-Liste mit euren Freunden & Arbeitskollegen, wenn ihr euch das nächste Mal begeistert über die klasse Sonntagabendunterhaltung austauscht. Nutzt die entstandene Aufmerksamkeit für klassische Musik und befriedigt die Neugier der fast 10 Mio. Tatort-Zuschauer!

Zurück zum Film: Schlichtweg episch. Anders lässt sich der Tatort von gestern Abend nicht beschreiben. Und zum versöhnlichen Abschluss biete ich euch nun noch ein paar Bonmots vom Stakkato-Nachrichtendienst meines Vertrauens feil.