DAS PODCAST UFO – Die E-Musik-Transkripte 1

Seit Dezember 2014 veröffentlichen die beiden TV-Autoren Florentin Will und Stefan Titze fast durchgehend wöchentlich eine neue Folge von „DAS PODCAST UFO“. Diese beiden liebenswürdigen – und blutjungen – Menschen sprechen darin über Alltägliches, Nerdkram, Tiere, Begriffe, Filme, Naturwissenschaften und häufig über die – wie wir auch durch zahlreiche Reaktionen angesichts von Spaßbeiträgen dieses Blogs hier wissen – schlimme Lage des deutschen Humors. Dabei analysieren die zwei nicht nur den fatalen Nicht-Humor von Adolf Hitler Mario Barth und Co, sondern sind selbst die Lösung für dieses Problem, weil: wirklich lustig.

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Will und Titze haben in ihrer Kindheit und Jugend eine klassische Musikausbildung – mindestens an der Gitarre – genossen. Und so sprechen die beiden häufiger mal über den Gegenstand „klassische Musik“ (die wir hilflos „E-Musik“ nennen), teilweise enthusiastisch, zu Recht lästernd oder halt auch mal musikwissenschaftlich völlig falsch (lol). Analog zu der Serien-Korrektur-Serie unseres geschätzten Blog-Gründers und Kollegen Moritz Eggert („Everything that is wrong in „Mozart in the Jungle“) werde ich in den kommenden Monaten – stets aktualisierend – jeden Gesprächsteil jeder PODCAST-UFO-Folge, in der es um Themen aus dem Bereich E-Musik geht, im Original-Wortlaut transkribieren. Möglich ist auch eine Integration dieser Transkripte in Pufopedia, die eigene Wikipedia von DAS PODCAST UFO, mittels der inzwischen ein ganzes Podcast-Universum im Netz entstanden ist.

Transkriptionsvoraussetzungen: Es muss jeweils im weitesten Sinne um E-Musik (nicht also um den U-Musikgeschmack der beiden Podcaster), um E-Musik-Instrumente, E-Musik-Phänomene, E-Musik-Komponisten und so weiter gehen. Dabei spielt die Ausführlichkeit des Gesprächsteils keine Rolle. So wird es in dieser Serie hier mal sehr kurze, mal recht lange Folgen geben. „Ähs“ werden nicht abgebildet, sondern durch „…“ ersetzt (sonst wäre es textlich noch weniger zu ertragen).

Fast 150 Folgen des Podcasts existieren bereits. Jede Folge wurde bereits (ab)gehört. Und trotzdem müssen wir selbstverständlich von vorne beginnen, im Jahre 2014, bei Folge 1.

Folge 1 (16. Dezember 2014)

Vor dem hier transkribierten Gesprächsteil geht es um unsympathische Einzelkinder und um den existenziellen Zweifel am Dasein eines Comedy-Autoren. An dieser Stelle holen wir aus guten Gründen etwas weiter aus, um erst ganz zum Schluss – und das in aller Kürze – die „Klassik-Stelle“ in Folge 1 abzubilden.

(…)

[Minute 22.23]

Florentin: Man sinkt automatisch…

Stefan: [stöhnt laut auf]

Florentin: …im Humorverständnis, wenn man sagt, vom Beruf [zögert, ringt nach Worten]… beschäftigt sich [sic] beruflich mit Comedy, ist man sofort der Unlustige. Weil man kann diese Erwartung nur enttäuschen.

Stefan: Ja.

Florentin: Weil, es ist was ganz anderes, ob du [zögert kurz] privat oder sozial lustig bist oder ob du die Fähigkeit hast, Gags zu schreiben, die man in Fernsehsendungen verwenden kann. Aber trotzdem denken Leute… …weil, zum Beispiel… …das ist auch so ein Ding. Comedy ist das Unsubjek… [räuspert sich] …das Subjektivste, was es gibt. [Schnieft kurz. Florentin ist wie so oft erkältet.] Und zwar denkt ja jeder, zu beurteilen… …beurteilen zu können…

Stefan [fast im exakten Gleichklang mit Florentin]: …was lustig ist und was nicht.

Florentin: …was lustig ist und was nicht. [Hebt zu einem neuen Satz an, wird aber jäh von Stefan unterbrochen.]

Stefan: Und ob man selber lustig ist, kann meistens… …sehr gut sagen.

Florentin: Ja, ge… …jaaaaaaaaaaa, weiß ich… [ringt mit sich] …weiß ich… [unverständlich]… ich habe auch viele Leute…

Stefan [unterbricht, spricht den Satzanfang Florentins unisono mit]: …ich habe auch viele Leute… …ich hab im Satz noch die Richtung…

Florentin: [lacht leise und heiser]

Stefan: …geändert. Weil, das andere war zu erwartbar [unverständlich].

Florentin [unterbricht quasi, lachend]: …und zum Falschen!

Stefan: Zum Fal…

Florentin: …im Satz! Die falsche Abbiegung genommen.

Stefan: Ich selber… das ist nämlich [unverständlich] …im Flugzeug, wenn man…

Florentin: …ja…

Stefan: …wenn man… …wenn man mich fragt: „Ja, [unverständlich] lieber das Schinken- oder das Käse-Baguette?“ Ich sag immer das Falsche! Weil mir im Satz auffällt…

Florentin: [lacht heiser]

Stefan: …nein! Das wolltest du nicht!

Florentin: „Ich hätte gerne das Schinke… [verzweifelte Sprachgeste]!“

Stefan: Man denkt…

Florentin: „Fuck!“ [lacht]

Stefan [lacht]: [unverständlich] …und jetzt noch mal die… [unverständlich] …das änderst…

Florentin: Ja?

Stefan: …regen sich die Reihen vor dir wieder auf… [zeitgleich mit Florentin] …und das ist einfach scheiße.

Florentin [unterbrechend]: Ja, das [unverständlich]…

Stefan: [unverständlich]

Florentin: Ja, das ist kein Thema. [unverständlich] Nein, aber… …also angenommen… Also bleiben wir mal im Kunstgewerbe. Aber wenn du zum Beispiel sagst: „Ich bin… ich bin Schriftsteller. Ich schreibe Romane.“ Dann würden viele Leute vielleicht dein Buch lesen und sagen: „Mmh, ich interessiere mich nicht so für Bücher und so keine Ahnung… …kann ich mit nicht so viel anfangen.“ Aber sie würden nicht sofort sagen: „Es ist schlecht.“ Bei Humor hingegen hat jeder das maximale Verständnis in seinen Augen und kann maximal kompetent bewerten, ob was gut ist oder nicht.

Stefan: Ja, weil es ein reiner Meinungsstreit ist. Ist ein reiner Meinungsstreit.

Florentin [unterbrechend]: Ja, es sind ja schon so was wie Humor… …irgendwie Technik, Humor-Handwerk und so…

Stefan: Das ist selten. „Handwerk Humor.“ [unverständlich] …vorhaust [schmunzelt].

Florentin: Aber da kann ich zumindest zu sagen: Die Reaktion ist immer emotional. Immer… …ist immer das Lachen… …und dann kann man immer sagen: „Finde ich nicht lustig. Das finde ich nicht…“ …und das ist tatsächlich sehr unangenehm. Weil man tatsächlich sich damit beschäftigen muss… …ich beschäftige mich vielleicht mein ganzes Leben mit einer Kunst, die von vielen Menschen vielleicht einfach nicht anerkannt wird und du sagst: „Ich bin Stabhochspringer!“ Dann kann dir niemand diese Zahl nehmen: „Ich kann 2,80 Meter hoch springen als Stabhochspringer. …das kann ich.“ Dann sagen die Leute: „…okay, cool!“ Aber lustig… Könntest du tatsächlich nach fünfzig Jahren Karriere…

Stefan [kurz und aus dem Hintergrund]: Ja.

Florentin: …deine Ausbeute bei „Null“ liegen?

Stefan [unterbricht]: [unverständlich]

Florentin: [unverständlich] …in den Augen von manchen! [unverständlich]

Stefan: [unverständlich] Das ist aber Kunst! Das ist… …du beschreibst den Kunstbegriff und den Streit um den Kunstbegriff allgemein! [unverständlich]

Florentin: Ja… [unverständlich] na… […]

Stefan: [unverständlich] Du kannst… [unverständlich, es folgt ein lauter, quengeliger Laut]

Florentin: …aber ich habe bei Kunst generell…

Stefan: [unverständlich]

Florentin: …können sich die Leute nicht so eine Meinung bilden.

Stefan: [unverständlich] …Bild malen… Klar, bei Witzen auch! Du kannst ein Bild malen und es kann entweder gut gefunden werden… [unverständlich]

Florentin: Ja, aber nicht jeder… …aber nicht jeder sagt von sich selbst, er hat die maximale Kompetenz, Bilder zu beurteilen. Wenn du ihm sagst: „Ich habe ein Bild gemalt von irgendwie einem abstrakten Fisch.“, dann sagt er: „Gut, ich interessiere mich nicht so für Kunst. Sie schon ganz okay aus. Keine Ahnung.“ Wohingegen bei Humor gibt es keine… …es gibt kein eli… …es gibt…

Stefan [unterbrechend]: Ich… [unverständlich]

Florentin: …keine Elite bei Humor…

Stefan: Ich hätte noch keinen gehört, der sagt: „…wow! Dieser… …dieser… …Blaukreis… …auf dem Bild…“, …und das Bild ist nur ein blauer Kreis, „…finde ich das beste Bild, was ich je gesehen habe!“ Diese [unverständlich] hörst du nämlich nicht… [unverständlich]

Florentin: …ja… [unverständlich] …bitte fang nicht mit einem Moderne-Kunst-Thread an! Ey, das ist wirklich das Lächerlichste.

Stefan [quasi singend]: Nee, nee, neeee… nee nee… …ich sage nicht…

Florentin: [unverständlich] mit einem… [unverständlich, danach im Tonfall einer Kinderhänselei] „…könnte ich aber auch mal ein…“

Stefan: Genau!

Florentin: …schwarzer Strich…“

Stefan: Das sagen nämlich…

Florentin: Neeeein!

Stefan: …alle!

Florentin: Halt die Fresse!

Stefan [zeitgleich]: Da sagen… …das meine ich ja gar nicht!

Florentin: [unverständlich] …da will ich gar nicht drüber reden…

Stefan: Das ist…

Florentin: …das ist mir zu dumm!

Stefan: Nee, das sagen…

Florentin: Sorry.

Stefan: Boah, das ist… …das ist… [sehr unverständlich]

Florentin: …das… …nee…

Stefan: …ich glaube, dass jetzt zumindestens [sic] zehn Zuschauer [sic] verloren haben.

Florentin: Ja, das ist okay! Geht!

Stefan: [unverständlich]

Florentin: Euch will ich nicht! Euch Zuschauer will ich nicht!

Stefan: …ich…

Florentin: Haut ab!

Stefan: …find… …nein, man muss ja sagen…

Florentin [räuspert sich]

Stefan: …ich finde es ja gut! Die Idee muss man gehabt haben. Finde ich. Aber du wirst… …die meisten…

Florentin: …ja!

Stefan: …Leute werden sagen

Florentin [sehr merkwürdiges Geräusch, vermutlich ein Räuspern]

Stefan: …es ist scheiße! „Das ist…

Florentin: …ja…

Stefan: …doch keine Kunst.“

Florentin: Aber schau mal…

Stefan: Und ich da… …och, das da… … ich glaube… [unverständlich] …dass bei Kunst allgemein…

Florentin: …ich glaube…

Stefan: …sich… [unverständlich]

Florentin: Nein!

Stefan: Ich haue mal auf den Tisch jetzt!

Florentin: [lacht]

Stefan: Ich glaube, dass … [haut offenbar tatsächlich irgendwo gegen, möglicherweise das Mikrofon, es folgen zwei dumpfe, rauschige Geräusche; dazu unverständliches Gemurmel]

Florentin [lachend]: Der schlechteste Tisch, um auf den Tisch zu hauen!

Stefan [verzweifelt lachend]: Das ist… [unverständlich]

Florentin: [unverständlich] …zwei Millimeter Blech… [unverständlich]

Stefan: [unverständlich] …er bricht wahrscheinlich dabei zusammen gleich [unverständlich] …das ist mir egal!

Florentin: Nein.

Stefan: Man muss… [wieder das dumpfe Mikrofongeräusch] …man muss dazu sagen: Kunst allgemein [es folgen noch zwei weitere, leisere dumpfe Mikrofongeräusche] ist etwas, worüber Leute meinen, urteilen zu können.

Florentin: Das glaube ich nicht! Ich glaube, dass bei Kunst, bei den meisten Bereichen die Leute zu einem gewissen Grad akzeptieren, dass es eine gewisse Form von Verständnis und Erfahrung braucht, um ein Kunstwerk adäquat bewerten zu können. Wenn dir jemand ein abstraktes Kunstwerk vorsetzt… [unverständlich] …eine Skulptur… …kannst natürlich schon subjektiv sagen: „Das gefällt mir spontan!“ – oder: „Es gefällt mir nicht!“ Aber auf der anderen Seite kannst du sagen: „Würde ich mich vielleicht mehr mit Kunst beschäftigen, hätte ich ein größeres Verständnis darüber, könnte ich es besser bewerten“…

Stefan: …ja, okay…

Florentin: …von daher sage ich vielleicht eher [räuspert sich]: Wenn du zum Beispiel… …du gehst in…

Stefan: …ja, du hast mich ja überzeugt.

Florentin: …du gehst in die Oper…

Stefan: [schmunzelt skeptisch]

Florentin: …und sagst: „Ja, damit kann ich halt nichts anfangen.“

Stefan: …klar…

Florentin: …würde ich zum Beispiel auch sagen.

Stefan: [sehr kurzer unverständlicher Laut, womöglich bestätigend]

Florentin: Aber ich würde nicht sagen…

Stefan: …„Zauberflöte“…

Florentin: „Das ist schlecht!“

Stefan [mit sarkastischem Unterton]: …„Wahnsinnig gut!“

Florentin: [lacht fast stumm] …ja, okay…

Stefan: Das war… …okay…

Florentin: …gut…

Stefan: Das waren alle, die ich kenne.

Florentin: Aber…

Stefan: Weiter!

Florentin [lacht]: Das ist doch keine Oper, das ist eine Operette!

Stefan: [langes Zögern] …

Florentin: [singt mittels des Vokals „u“ mit seinem – wie wir gleich sehen werden: hier falschen – Wissen über Stefan triumphierend ein kleines schnelles Glissando in die Nähe des Tons „c2“, um daraufhin – im Stile einer emotionalen Popsong-Geste – in die Nähe von „as2“ zu glissandieren].

Stefan: Oh…

Florentin: Das ist vielleicht sogar falsch.

Stefan: …die Besserwisser-Glocke…

Florentin: Man weiß es nicht. Ding Dong.

(…)

Die musikwissenschaftliche Analyse: Interessant, dass hier im Gespräch der alltägliche Grundkonflikt vom Verständnis oder zumindest vom Verstehen-Wollen abstrakter Kunst (Florentin Will studierte kurze Zeit Philosophie, was sich in einigen, vor allem frühen Folgen lauthals bemerkbar macht) versus zumindest angedeutete, vielleicht auch schlichtweg zwecks Unterhaltung gespielte Ablehnung derselben (Stefan) hochkocht. Freilich endet dieser Dialogausschnitt mit einem fatalen Fehler Wills, der sich brüstet, zu wissen, welcher gattungsgeschichtlichen Provenienz Wolfgang Amadeus Mozarts 1791 komponierte „Zauberflöte“ zuzuordnen sei. Schon „Oper“ ist im Grunde zwar nicht falsch, obschon man besser von „Singspiel“ spräche. Zu Wills Entlastung sei persönlich angemerkt, dass ich einen Intendanten eines großen klassischen Konzertveranstalters kenne, der mir 2016 begeistert erzählte, Regisseur X inszeniere „Die Zauberflöte“ unter Weglassung der Rezitative und ließe die Texte sprechen, nicht singen!

Genau so hat Mozart aber dieses Werk angelegt (wie ihr Klassiknerds da draußen natürlich alle wisst). Es gibt schlichtweg keine Rezitative in der „Zauberflöte“, sondern eben Sprechszenen (die freilich, wie in der immer noch laufenden Inszenierung an der Komischen Oper Berlin, nicht immer dementsprechend umgesetzt, sondern, wie in diesem Fall, im Design alter Stummfilmzwischentafeln projiziert werden). Das war dem besagten Intendanten nicht bewusst (was mir bis heute Angst macht, lol). Insofern verzeihen wir Florentin Will, müssen ihn gleichsam jedoch korrigieren. Denn eine Operette ist „Die Zauberflöte“ nun wirklich nicht!

Wie mir scheint werden junge Leute in der Schule (offenbar ist es Stefan Titze – Jahrgang 1994 – so ergangen) immer noch mit der „Zauberflöte“ penetriert. Ich selbst halte „Die Zauberflöte“ nicht unbedingt für den Schulunterricht geeignet. Doch das ist ein anderes Kapitel.

Spoiler: In späteren Folgen werden Will und Titze auf ganz andere Weise über klassische Musik sprechen, ja, sogar ihrer Begeisterung Ausdruck verleihen.

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Arno Lücker wuchs in der Nähe von Hannover auf, studierte Musikwissenschaft und Philosophie in Hannover, Freiburg - und Berlin, wo er seit 2003 lebt. Er arbeitet als Autor (2020 erschien sein Buch »op. 111 – Beethovens letzte Klaviersonate Takt für Takt«, 2023 sein Buch »250 Komponistinnen«), Moderator, Dramaturg, Pianist, Komponist und Musik-Satiriker. Seit 2004 erscheinen regelmäßig Beiträge von ihm in der TITANIC. Arno Lücker ist Bad-Blog-Autor der ersten Stunde, Fan von Hannover 96 und den Toronto Blue Jays.