Karriereangebote gegen Sex – Kaufmann und mehr

Die letzten Tage produzierte Facebook folgendes: „Ich habe überhaupt kein Problem damit und halte es sogar für legitim, dass Frauen – oder auch Männer – sich prostituieren um beruflich weiterzukommen; sie sollten dann aber auch selbst die Verantwortung dafür zu tragen bereit sein und nicht rückwirkend diese dem verführenden oder verführten Sexualpartner allein in die Schuhe schieben.“ Uff, das muss man erst einmal wirken lassen.

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Als ich Komposition zu studieren begann, meinte ich, dass man fleissig Alte und Neue Musik studiere, Sachen davon ausprobiere, das weitermacht, was einem davon anspricht und in einem selbst langsam anders zu klingen beginnt. Dass dies bei Anstrengung und Begabung Aufmerksamkeit beim Lehrer, bei den Kommilotonen, bei einem ersten Publikum erzeuge und man so peu a peu den Weg aus den angeblichen sicheren Kreisen der Münchner Musikhochschule herausfände. Dass es anders geht, das hätte mir der obige Facebook-Satz zeigen können. Die Frage ist nur: wieviel Karrieren in den 90ern wurden vor allem durch „Prostituieren, um beruflich weiterzukommen“ erreicht?

Heute blättere ich im Netz und fand folgenden Satz im Spectator-Interview mit Jonas Kaufmann, der in den 90ern wie ich auch zugleich an der Münchner Musikhochschule studierte, der unser Studentensprecher war, und musste irgendwie an diese alten Zeiten denken, sprich Karriere nicht gegen künstlerische Leistung sondern wie hier nun z.B. gegen Ganzkörpermassage aka sexuelle Dienstbarkeit: „‘When I was a student,’ he relates, ‘there was a promoter who offered me a concert in his series, which would have been fantastic for me. But the obvious exchange, and he was very specific, was for me to go with him to a sauna club, rent a cabin and give a full body massage.‘I was 20 or 22 and I understand that if you think this is your chance you probably think, go for it. But I didn’t. I was really, really scared.’“

Und dann blättere ich noch weiter auf dietiwag.org. Da zitiert der bisher immer gerichtlich erfolgreiche tiroler Blogger Markus Wilhelm eine Mail über angebliche Zustände bei den Erler Festpielen und über dessen Leiter Gustav Kuhn: „Es ist ein sexistischer, patriarchaler Weg, dem junge Talente in Erl und vor allem im Convento die Lucca – Tramonte ausgeliefert sind… Es ist aber eine ungezählte Gruppe an Solistinnen, Choristinnen und Musikerinnen, die, insofern sie halbwegs groß und gut gewachsen und mit blonden langen Haaren „ausgestattet“ sind, zu den ekelhaften und erniedrigenden „Einzelgesprächen“ im „Camerino“ des „Maestro“ im Festspielhaus „geladen“ wurden. Welches Leid und welche Vergewaltigung dort unter dem Begriff und der Sehnsucht nach „Karriereentwicklung“ auf dem grauen Designersofa… passierte. Wir waren Freiwild, Frischfleisch. Anfassbar, zur Verfügung.“

Ach, wie traurig, sollte von diesen mutmasslichen Verhältnissen nur ein Quentchen wahr sein. Aber wir wissen ja: „Ich habe überhaupt kein Problem damit und halte es sogar für legitim, dass Frauen – oder auch Männer – sich prostituieren um beruflich weiterzukommen.“ Also vergesst die Kunst, irgendwelche transparenten Entscheidungen, neue Richtlinien. Alles erkaufen und erschlafen, that’s the way!!

Komponist*in

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2 Antworten

  1. Die Sache mit Erl zieht schon Kreise. Im Standard.at gibt es folgende Meldung: Festspiele Erl klagen Blogger als Reaktion auf anonyme Vorwürfe – derstandard.at/2000074266065/Vorwuerfe-gegen-Festspiele-Erl-diese-kontern-mit-Klage

    Wir wissen natürlich auch nicht, wie die Sache sich entwickeln wird. Blogger Wilhelm ließ den STANDARD wissen: „Auf diese Auseinandersetzung freue ich mich. Das bisher Berichtete ist nämlich erst die Spitze des Eisbergs.“

    Wir machen ja keine Verdachtsberichterstattung. Allerdings würde es wohl niemanden wundern, wenn sich die Berichte von Wilhelm als richtig herausstellen würden. In der Tat haben wir es – soweit wir es wissen können, teils aus eigenen Erfahrungen – wahrscheinlich wirklich mit der Spitze eines Eisbergs zu tun.

    • Danke Martin für den Hinweis. Mein Text spricht ja auch dezidiert von „angeblichen Zuständen“ und „mutmasslichen Verhältnissen“, worauf ich hiermit nochmals hinweise und auf eine recherchierte Abklärung seitens dietiwag.com hoffe. Nachdem das Thema Machtmissbrauch im gesamten Kunstbetrieb aufgearbeitet wird, die Berlinale widmet sich dem durch Panels im Filmbereich demnächst ausführlich, das internationale Präsenz hat, das Thema selbst deutschsprachige Hochschulen und Musikinstitutionen angeht, die international agieren und vernetzt sind, ist es auch wichtig, die tiroler-lucchesischen Aspekte dem beizufügen. So berichtet z.B. auch der Neue Merker darüber: http://der-neue-merker.eu/15-februar-2018