Halbanonymisiert: auffallen, bis der Förderer erscheint

Wie schön, dass es anonyme Wettbewerbe gibt. Wie oft jammert’s in unsren Kommentarspalten, dass die Wettbewerbswelt grau und verschworen. Absurd wird’s, wenn die Teilnehmenden Anonymisieren nur halbscharig zustande bringen. Die Tage durfte ich lustige, verrückte und erfreuliche Werke eines Wettbewerbs sichten, die fast durchweg anständig mit Kennwort versehen worden sind. Das Schönste ist, dass allen Unkenrufen zum Trotz auch in computergeschriebenen Partituren bei feinen Werken eigene „Handschriften“ auffallen. Wer eine solche hat, kann selbstbewusst und stolz seine Musik einreichen. Der betreffende Wettbewerb ist auch offen für bereits uraufgeführte Werke. Fast alles wunderbar. Nur ein Werk, nicht einmal ein Schlechtes, da hatte der oder die Komponierende entweder nur flüchtig anonymisiert. Oder trotz der deutlich eigenen Handschrift irgendeine Art Aufmerksamkeitsdefizit. Oder sie oder er wollte schlichtweg nur ein bisschen angeben.

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Das bereits aufgeführte Werk, dessen Titel an einen rothaarigen, großen, schlaksigen Berliner erinnert, aber nicht von ihm komponiert worden war, führte nicht mehr den Auftraggeber im Titel, aber die honorige Stiftung, die den Auftrag gefördert hatte. Ich war erst leicht schockiert, dann verwundert, dann lachte ich mir fünf Minuten einen ab, vertippte mich prustend ein paar mal beim Googeln und konnte dann doch den Menschen ausfindig machen, der das Stück vor drei Jahren in den Rechner gehackt hatte. Nun, nachdem es ohne genaues Titelblattstudium bereits auf dem „gut gemacht“ Hügel gelandet war, verschob ich es kurz zum Altpapier. Ein Stündlein später dachte ich im Spongebob-Modus: Oh krosse Krabbe, krebs‘ nicht so rum, zurück auf den Premiumhügel und die Kollegin oder den Kollegen im Badblog gegrillt.

Ein anderes wundersames Erlebnis hatte ich einmal umgekehrt: eine ebenfalls honorige Stiftung förderte in einem Projekt nur die Hälfte der Kolleginnen und Kollegen, man hatte wohl vergessen, die Namensliste des Projektantrags weiterzublättern. Nach köstlichen wie ärgerlichen Verwerfungen fanden sich dann doch noch Wege, alle glücklich zu machen. Selbst die Stiftung verzichtete, die Namen der einen Hälfte der Geförderten bekanntzugeben, so dass sich jeder dann so fühlen konnte, als habe das Schicksal doch weitergeblättert. Sprich, der Förderer verstiess selbst gegen seine Richtlinie, dass Förderer und Geförderter deutlich im Programmheft, anderen Publikationen oder auf dem Werk selbst in Bezug auf die betreffende Person genannt werden muss. Die meisten Kollegen hielten sich fair an diesen Regelverstoss.

Doch zwei konnten nicht widerstehen, doch den Förderer in Partitur und Werkverzeichnis zu nennen. Auch da war ich erst schockiert, darauf verwundert und musste zuletzt ob des schmalen Selbstbewusstseins der Kollegen knapp eine Stunde durchprusten. Nun, gute Schokolade schmeckt meist noch besser, wenn der Firmenname auf der Packung prangt. Ich verzichtete dann auf mein aus dem Kollegentopf doch wundersam zustande gekommenes Honorar und förderte damit einen der beiden nun zur Hälfte mit und sehe seitdem vor meinen inneren Auge in Geheimtinte neben der honorigen Stiftung meinen Namen prangen, im Gegensatz zum Anonymisierungsschluderer aber bestens kaschiert, nur für Eingeweihte der höchsten Strauchmysterien erkennbar, so sich das dicke Buschwerk lichtet.

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