Ich will einen Oper-O-Maten bauen! – Teil II

Szene aus der Kinski-Oper "Sweat of the Sun" im Theater Osnabrück. (Foto: Jörg Landsberg)
Szene aus der Kinski-Oper "Sweat of the Sun" im Theater Osnabrück. (Foto: Jörg Landsberg)

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Szene aus der Kinski-Oper "Sweat of the Sun" im Theater Osnabrück. (Foto: Jörg Landsberg)

Szene aus der Kinski-Oper „Sweat of the Sun“ im Theater Osnabrück. (Foto: Jörg Landsberg)

Im ersten Teil meines Berichts über die aufwändige Entstehung dieses musiktheatralischen Psychotesthybrids ging es schlicht um die Auswahl der weit über 200 Opern, die ich ins Rennen geschickt habe.

Erst einmal: Danke für die vielen Shares und Likes auf Facebook. Und: Nein, keine „Frage“ (es sind ja eigentlich keine Fragen, sondern Statements…) wird „verschluckt“. Die Statements kommen ganz unterschiedlich – je nach Antwort. Es kann sein, dass man nach sieben Klicks am Ziel ist. Es kann aber auch sein, dass man bis zu 15 Mal „Ja“ oder „Nein“ wählen muss. (Denn ich wollte kein Diagramm oder so; ist es nicht viel interessanter und emotionaler, genau eine Oper zugewiesen zu bekommen als zu wissen: „Aha, ich bin also zu 67 Prozent ein Rossini-Typ, zu 18 Prozent Mozart und zu acht Prozent Wagner!“?).

Nach der Auswahl habe ich über Eigenschaften von Opern nachgedacht. Was unterscheidet Opern so klar voneinander, dass man als Ersteller „ernster“ (aber eigentlich lustig gemeinter) „lustiger“ (aber eigentlich ernst gemeinter) Online-Musik-Psychotests nicht gleich zu Beginn der Arbeit Selbstzweifel bekommt? Ich brauchte Fakten! Und da gab es relativ früh die Idee, Opern nach Länge zu sortieren. Und, ja, ich weiß: Dass jemand ADHS hat, heißt nicht, dass er nicht Wagner lieben kann. Aber es geht bei dem Oper-O-Maten halt nicht darum, deine eh schon Lieblingsoper wiederzufinden! (Das wäre doch langweilig, oder?). Es geht darum, welche Oper (vermeintlich) am besten zu einem passt!

Und, ja, „passen“ ist natürlich so ein Ding… Letztlich kann man es nicht anders machen, man muss irgendwo anfangen… Man braucht Eigenschaften, Eigenschaften, Eigenschaften – und dazu einfühlsame (aber irgendwie auch unterhaltsame) Statements, auf die man mit „Ja“ oder „Nein“ antworten muss.

Ich habe wirklich versucht, gleich das erste Statement sensibel zu formulieren. Ja, da geht es unterschwellig darum, ob man bereit ist, mehr als zwei Stunden konzentriert und mit Lust einer Oper zuzuhören: „Diese Ungeduld heutzutage! Diese Menschen, die keinen Satz zu Ende bringen, ohne dabei mindestens einmal auf ihr Smartphone gelugt zu haben! Diese Kurzatmigkeit in allen Landen! Zu der Gemeinschaft dieser Zeitgenossen mag ich so gar nicht gehören! Denn ich bin noch imstande, mehr als zwei Stunden ohne Unterbrechung auf dem Allerwertesten zu verweilen, ohne dabei mein Buch, sei es nun gerade spannend oder nicht, aus der Hand zu legen.“

Jetzt kommen wieder die Zweifler, die Musikwissenschaftsnerds – und sagen: „Ja, aber…“. Ich sage (voller Liebe): „Fuck you.“

Denn natürlich hat es Opern gegeben, die man eigentlich als „kurz“ hätte kategorisieren können (die aber auf den „lang“-Zweig gekommen sind). Ich habe da subjektiv jeweils unterschieden (mir teilweise zweite, dritte Meinungen eingeholt; lieben Dank an B. aus D., H. aus D., C. aus D., S. aus Schw. und L. aus B.), mit meiner grandiosen Kompetenz: Ich habe schon 1000 Opernvorstellungen gesehen, ich habe Musikwissenschaft studiert (mit Abschluss), ich bin sehr sehr schlau – und ich habe dann eben individuell entschieden. Und zwar so, dass die auf der Kippe stehende Oper auf ihren grundsätzlichen Unterhaltungswert abgeklopft wurde. Denn: Es gibt auch kürzere Opern, die aber einfach nicht so geil sind – und daher lang wirken (und umgekehrt).

Ein weiteres (relativ) „hartes“ (also gut entscheidbares) Kriterium war die Epoche.

Insgesamt habe ich über 200 Opern einzeln nach 25 Kategorien befragt – und in die jeweilige Kategorien-Spalte ein „Ja“ oder ein „Nein“ eingetragen. Im Falle von Opern, die ein bisschen „zwischen die Epochen“ fallen (Rossini, Beethoven und auch die überraschend vielen Schubert-Opern, die dabei sind…), habe ich dann bei „Klassik“ ein „Ja“ und bei „Romantik“ auch ein „Ja“ eingetragen – und die Verwendung dieser Statements dann vermieden, wenn am Ende eines „Zweigs“ meiner Zeichnung beispielsweise Rossini und Schubert unterschieden werden wollten. (Capisci?)

Das Statement zu der dahinterstehenden Entscheidung, ob die Klassik als Epoche (und demnach vielleicht auch eine Oper der Klassik) zu einem passt, hieß dann: „Einfachheit, Maß halten, Symmetrie, ein menschliches Miteinander, Goethe, Schiller, die Errungenschaften der Aufklärung: Das sind zeitlose Werte, die wo auch heute noch wichtig sind. Und bei einem schicken Abendessen geht es aus meiner Sicht um gepflegte Konversation – und weniger um Saufen und Ficken.“ (Die Redaktion hat aus „Ficken“ dann „Tindern“ gemacht. Okay, gebongt.)

Das Statement zur Romantik lautet: „Spannungsvolle Geschichten von Liebe und Tod, Schwärmereien, nächtliche Begegnungen im Wald – oder sagen wir es kurz: krasse menschliche Emotionen, wie sie in der Kunst so richtig erst im 19. Jahrhundert ans Tageslicht kamen – das sind Dinge, die mich noch heute im Bereich Unterhaltung enthusiasmieren.“

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Arno Lücker wuchs in der Nähe von Hannover auf, studierte Musikwissenschaft und Philosophie in Hannover, Freiburg - und Berlin, wo er seit 2003 lebt. Er arbeitet als Autor (2020 erschien sein Buch »op. 111 – Beethovens letzte Klaviersonate Takt für Takt«, 2023 sein Buch »250 Komponistinnen«), Moderator, Dramaturg, Pianist, Komponist und Musik-Satiriker. Seit 2004 erscheinen regelmäßig Beiträge von ihm in der TITANIC. Arno Lücker ist Bad-Blog-Autor der ersten Stunde, Fan von Hannover 96 und den Toronto Blue Jays.