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Der Ohnmacht sein Vertrauen schenken – G20-Gipfel & die Musik

Andreas Bourani. Foto: Hufner
Andreas Bourani. Foto: Hufner

Anfang Juli findet der G20-Gipfel in Hamburg statt. Das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs wird am 7./8. Juli 2017 in Hamburg stattfinden. Die Stadt rüstet sich auf und ein. Der G20 gehören 19 Staaten sowie die EU an. Die Länder sind: Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, Türkei und die USA. Worum geht es dabei? „Die Staats- und Regierungschefs befassen sich traditionell mit Fragen des Wachstums der Weltwirtschaft, des internationalen Handels und der Regulierung der Finanzmärkte.“ Es geht weder um Kultur, Moral noch Bildung oder Unterhaltung.

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Aber man unterlässt es nicht, auch für ein Kulturprogramm zu sorgen, auch in der Musik. So gibt es ein Open-Air-Teil. Global Citizen nennt sich das. „Am 6. Juli werden wir am Abend vor dem G20-Gipfel in der Barclaycard Arena in Hamburg gemeinsam unsere Stimmen erheben, um ein klares Zeichen gegen Armut und Ungleichheit und für internationale Zusammenarbeit und offene Gesellschaften zu setzen.“ Zu den Musikern, die da auftreten, gehören: Coldplay, Pharrell Williams, Shakira, Herbert Grönemeyer, Ellie Goulding und Andreas Bourani. Die Karten werden verlost, sie kosten dafür nichts. „Die Kampagne ruft die Führungseliten dazu auf, konkrete Maßnahmen umzusetzen, um die nachhaltigen Entwicklungsziele zu erfüllen und sich vor allem in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Entwicklung stark zu machen und die globale Flüchtlingskrise zu adressieren. Der Gipfel bietet eine entscheidende Gelegenheit, die G20 Staats- und Regierungschefs zur Verantwortung zu ziehen und sie dazu aufzufordern, die notwendigen politischen und finanziellen Mittel für den Kampf gegen Ungerechtigkeit und Armut aufzubringen.“ Das steht so auf der Website der Veranstaltung. Andreas Bourani:

„Für mich ist Musik immer Ausdruck persönlicher Erfahrungen. Ich bin so gespannt, Teil eines Festivals zu sein, das diesen Ausdruck feiert, aber auch das Engagement Tausender junger Menschen in Deutschland für eine Zukunft ohne Armut. Durch das Zusammentreffen von Regierungsoberhäuptern aus der ganzen Welt in Hamburg kurz nach dem Konzert können wir sichergehen, dass sie unsere Aufforderung zum Handeln hören können.“

Andreas Bourani. Foto: Hufner

Andreas Bourani. Foto: Hufner

Darüber mag man nun denken wie man will. Die einen finden das vielleicht lächerlich, die anderen mutig, oder blauäugig oder vermessen. In jedem Fall ist es ein Statement.

Ganz anders sieht es aus im Bereich der E-Musik! Da gibt es auch eine Veranstaltung, die in der Elbphilharmonie stattfinden soll, zu der dann die Gipfelteilnehmer eingeladen sind und mit einem Programm, das niemand bislang kennt. Kent Nagano soll es dirigieren. Was auch immer. In einer ZEIT-Beilage hat nun Johann Hinrich Claussen, der Kulturbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland Kritik geäußert. Er schreibt den Gestaltern des Konzerts ins Gewissen: „Wenn Künstler vor Großpolitiker treten, dann dürfen sie auf keinen Fall zu deren Dienern werden. Sie müssen etwas anderes öffentlich darstellen: die Schönheit und die Würde der Freiheit, die Bedeutung der Kultur für eine offene Bürgergesellschaft. Deshalb darf die Elbphilharmonie sich nicht einfach dafür hergeben, ein profanes diplomatisches Arbeitstreffen kulturell zu überhöhen.“ Und ergänzt:

„Es kommt also darauf an, was man dort spielen wird. Es warten einige Abgründe.“

Bislnag weiß man nicht einmal, wer tatsächlich entscheidet, was da gespielt wird, aber irgendwie könnte die Bundeskanzlerin höchstpersönlich die Finger mit im Spiel haben, heißt es. Außer einem Stück von Wolfgang Rihm (das ARTE exklusiv überträgt) würde sich Beethovens Neunte anbieten, das können fast alle mitsingen und funktioniert weltweit. Die darin als eingebundene Europa-Hymne fungierende Thema im vierten Satz könnte allerdings als Parteinahme missverstanden werden. Andererseits kann kein Orchester das Stück oft genug üben.

Ohnmacht von Kunst und Kultur

Der Präsident des DTKV hat darauf laut dpa-Meldung reagiert und eingewandt „der G20-Gipfel sei ein Aushängeschild für „die Offenheit unserer Gesellschaft und für unseren Kulturreichtum“. Auch Musiker sollten ihn nutzen, um der Welt zu zeigen, dass es möglich sei, „Hochkultur zu bieten, ohne liebedienerisch oder affirmativ der Politik gegenüber aufzutreten“.

Aber ernsthaft: Wie soll man das machen? Mit einem Programm mexikanischer Komponisten der Gegenwart, mit der Kompositionsverpflichtung von Siemens-Musikpreis-Nachwuchspreisträgern? Mit Pomp und Circumstances oder doch mit einer Realisation von Frederic Rzewskis „Les Moutons de Panurge“. Eislers „Kleine Sinfonie“ wenigstens?

Welche Programmvorschläge hätten denn die werten Leserinnen des Bad Blog Of Musick? (Bitte in die Kommentare).

Wäre also Absage die einzige mögliche autonome Lösung, wenn man schon nicht wirklich die volle Gestaltungshoheit hat?

Erstaunlich ist doch aber auch wieder, dass die Dinge, die im Popbereich ganz selbstverständlich funktionieren, im E-Musik-Bereich mal wieder gar nicht laufen. „Man“ hat keine Kontrolle über das Programm, der Zugang ist begrenzt und eingeschränkt, das Publikum ist in weiten Teilen mit dem Begriff Ekelpakete zu beschreiben. Wer möchte da spielen?

Es gäbe allerdings eine recht simple Lösung. Man tauscht die Künstler zwischen den Bühnen einfach aus. Nagano Open Air, die Popstars in die Elphi. Da hätten wahrscheinlich alle am meisten davon.

Man muss einfach nur der Ohnmacht von Kunst und Kultur vertrauen!

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Chefmitarbeiter bei Kritische Masse | Website

seit 1997 chefökonom der kritischen masse und netzbabysitter der nmz.

2 Antworten

  1. Marin Petrov sagt:

    Aerial Tarts von Rzewski ist auch keine schlechte Idee. Passender scheint mir jedoch Workers Union von Andriessen.

  2. tommy sagt:

    wie wäre es mit der dreigroschenoper?