Abschied von Michael Hirsch

Michael Hirsch 2013. Foto: Hufner
Michael Hirsch 2013. Foto: Hufner
Michael Hirsch 2013. Foto: Hufner

Michael Hirsch 2013. Foto: Hufner

Wenn ein besonders stiller und netter Kollege von uns geht, sind seltsamerweise die Nachrufe auch verhalten, so als wolle man auf keinen Fall unhöflich sein. Michael Hirsch war so ein Komponist. Ganz überraschend ist er gestorben, noch sehr jung, ohne Vorwarnung. Es gibt Nachrufe, aber sie sind zurückhaltend. Michael war kein Komponist, der stets im Mittelpunkt stand, obwohl er über Jahrzehnte hinweg sehr fleißig und auch vielaufgeführt war. Er war einfach zu höflich, um Mittelpunkt sein zu wollen.

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Ich kann nicht sagen, dass wir eng befreundet waren (was sicherlich ein Gewinn für mich gewesen wäre), aber es war jemand, den man immer sehr gerne traf. Und man traf ihn oft, natürlich bei den gängigen Gelegenheiten (Festivals, etc.), aber eben auch Mal einfach auf der Straße, wie es mir in Schwabing oft passierte. Er lebte zwar da schon nicht mehr in München, war aber der Stadt weiterhin auf verschiedenerlei Weise verbunden, nicht zuletzt durch seine Mitwirkungen bei den inzwischen auch schon leider eingestellten „Klang-Aktionen“ von Josef Anton Riedl, einem weiteren Münchener, der nicht mehr unter uns ist und doch vielerlei Spuren hinterlassen hat.

Da wir einmal zusammengearbeitet hatten (ich war Pianist bei der Uraufführung seiner „Winterkampagne“, einem eindrucksvollen Stück mit Gesang, im Raum verteilten Low-Tech-Kassettenrekordern und Klavier, nach Ursula Krechel) kannten wir uns, und ich war immer sehr erfreut, ihn zu sehen, denn man konnte mit ihm wunderbar über alles Mögliche reden. Hochgebildet wie er war, wußte er immer Kluges zu sagen. Was ich bei ihm so lustig fand: einerseits wirkte er bei Hardcore-Avantgarde-Stücken als Performer mit, die so spröde und knochentrocken waren, dass einem schon beim Hören die Ohren knackten, andererseits LIEBTE er melodische „große“ Opern, konnte sich für Puccini, Verdi und obskurste Stücke aus dem 19. Jahrhundert begeistern, die nur er kannte. Wenn er von Oper redete, leuchteten seine Augen, was immer eine Freude war.

Seine eigene Opernarbeit – stets sehr ungewöhnliche Entwürfe, die in jeder Hinsicht den Rahmen der „Repertoiretheater“ sprengten, und dennoch so pragmatisch gedacht waren, dass auch kleine Häuser sie ohne Probleme spielen konnten – sah er übrigens durchaus in der selben Tradition. Für ihn war die Welt der Neuen Musik keineswegs getrennt oder isoliert von der reichhaltigen Musiktradition Europas. Er sah sie als logische und notwendige Fortsetzung und sich selber als Teil davon, ganz unangestrengt das alles.

Ungewöhnlich fand ich bei ihm immer, dass ihm keinerlei Frustgebahren anhaftete, das bei Komponisten ab einem gewissen Alter häufig anzutreffen ist. Weder beschwerte er sich je über mangelnden eigenen Ruhm noch über zu erfolgreiche Kollegen, überhaupt schien ihm das Komponieren vor allem Spaß zu machen, er musste sich nicht beweisen oder behaupten. Ganz entspannt entstand so ein großes und spannendes Lebenswerk, zahlreiche „Musiktheater“ (er nannte sie natürlich „Opern“), Kammermusik, Orchesterwerke. Michael war auch als Regisseur, Sprecher wie auch Performer sehr beschäftigt. Er war dabei durchaus selbstkritisch, überarbeitete ältere Stücke, zog auch einiges zurück, das ihm nicht gelungen erschien. Sein großes „Celestina“-Opernprojekt aber wird er nun leider nie vollenden können, es werden allein Fragmente dieses Werkes bleiben.

Dass er nun nicht mehr unter uns ist, ist wahrlich überraschend. Seine Präsenz hat eine wohltuende Kontinuität: dieser kleine Mann, der so gut zuhören konnte und hinter seiner Brille immer leicht schielte. Eigentlich erinnere ich mich immer an ein feines Lächeln, dass ihm grundsätzlich anhaftete, frei von Zynik oder Bitterkeit. Ein durch und durch liebenswürdiger Künstler also.

Nur 58 Jahre ist er geworden, und wir werden ihn sehr vermissen. Möge seine Musik nicht verstummen.

Moritz Eggert

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Eine Antwort

  1. Harald Muenz sagt:

    Lieber Moritz Eggert, danke für diesen Nachruf. Ich hatte die schockierende Nachricht noch nicht gehört, wir kannten uns leider auch nur flüchtig, seit ich einmal bei seinen „Liedern nach Texten aus dem täglichen Leben“ mitgewirkt hatte. Ein Grund mehr, jeden Tag zu genießen, den man hat…