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op. 111 – Eine Analyse in 335 Teilen – Takt 48

Jeder einzelne Takt von Ludwig van Beethovens Sonate für Klavier c-Moll op. 111 aus dem Jahr 1822 wird an dieser Stelle von Bad-Blogger Arno Lücker unter die Lupe genommen. Ein Versuch, dieser Musik irgendwie „gerecht“ zu werden, was natürlich, dafür aber fröhlich, scheitern muss.

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Beethoven op. 111 - 1. Satz - Takt 48

Freunde, in der letzten Folge habe ich mich noch bei Herrn von van Beethoven beschwert… und jetzt das!

Natürlich kannte ich diesen Takt schon. Ich analysiere ja nur scheinbar jeden Takt so, als ob ich den nächsten noch nicht kennen würde. Ich versuche aber, durch diese Form der Analyse… nein: in dieser Form der Analyse authentisch zu sein…

Der Takt beweist: Es ist kompositorisch immer schlau, wenn man den Zuhörer dazu verführt, zu glauben, es passiere erst einmal nichts Besonderes mehr; so zu tun, als würde jetzt beispielsweise – in Bezug auf rein tonale Musik – Sequenz an Sequenz folgen… um dann mit einem Schlag – Bämm, in your face! – etwas Schockierendes zu bringen!

Und genau das geschieht in unserem heutigen, denkwürdigen Takt.

Die linke Pianist*innenhand spielt dabei etwas sehr Simples, nämlich einfach gebrochene Des-Dur-Akkorde in 16teln. Klar, die 16tel-Bewegung darf ja auch nicht einfach so unvermittelt gestoppt werden.

Aber gerade, weil die Begleitung im unteren System doch – gerade für Späthoven – sehr einfach ist, kann sich darüber etwas Erstaunliches ereignen. Ein ganz hohes f im Fortissimo, dann vier Oktaven plus eine große Terz runter in den Bass (die rechte Hand muss über die linke greifen, um das zu bewerkstelligen) – auf den zu allem Schrecken noch durch ein Sforzato herausgeknallten Ton des; ganz in den Untiefen der Klaviatur.

Das sitzt. Ein herrlicher Schock!

Hier hatte nicht nur die Geduld der Hörerinnen ein Ende, sondern vor allem die des Komponisten. SWOOOOSH! POCK! Nimm das, Rezipientin!

Als sei hier das Bonmot Anton Weberns – anlässlich eines Hinweises an den Uraufführungsdirigenten seiner Sinfonie op. 21, Otto Klemperer – schon früh anwendbar: „Ein hoher Ton, ein tiefer Ton, ein Ton in der Mitten – wie die Musik eines Wahnsinnigen!“

Damals ging es um Zwölftonmusik. Wir sprechen aber über Beethoven!

Nehmen wir statt Weberns Sinfonie op. 21 doch einfach mal seine Variationen op. 27 für Klavier aus dem Jahr 1936. Da gibt es Stellen, die klingen ähnlich wie der große Tonsprung unseres heutigen Taktes bei Beethoven. Halt nur ohne tonale Begleitung in der einen Hand. Sondern roh, einfach dahin getupft, atonal halt…

webern-ausschnitt

Bei Beethoven hat mich der Sprung von Takt 48 immer schon wohlig-schaudernd fasziniert. Als Kind konnte ich das immer gar nicht glauben, habe auch versucht, das nicht zu oft anzuhören, damit der Grusel dieser Stelle nicht weggeht… Ach, was sind das für angenehme Erinnerungen!

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Arno Lücker wuchs in der Nähe von Hannover auf, studierte Musikwissenschaft und Philosophie in Hannover, Freiburg - und Berlin, wo er seit 2003 lebt. Er arbeitet als Autor (2020 erschien sein Buch »op. 111 – Beethovens letzte Klaviersonate Takt für Takt«, 2023 sein Buch »250 Komponistinnen«), Moderator, Dramaturg, Pianist, Komponist und Musik-Satiriker. Seit 2004 erscheinen regelmäßig Beiträge von ihm in der TITANIC. Arno Lücker ist Bad-Blog-Autor der ersten Stunde, Fan von Hannover 96 und den Toronto Blue Jays.

Eine Antwort

  1. Peter sagt:

    Überhaupt ist man ja in Kindertagen besonders offen für alle Klänge. Vor allem die gruseligen… Buh!