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op. 111 – Eine Analyse in 335 Teilen – Takt 2

Nach Folge 1 – und damit Takt 1 (mit Auftakt) – muss unweigerlich Takt 2 folgen. So ist es nun mal. Weil es doch nicht anders sein kann!

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Am 15. Dezember 2015 ging es also um den ersten Takt der letzten Klaviersonate Beethovens. Was ist aber eigentlich mit dem letzten Takt der ersten Klaviersonate? Einfach mal so aus Interesse, hey! Hier.

Der letzte Takt von Beethovens erster Klaviersonate. Ohne Erkenntnisgewinn. Aber: egal!

Der letzte Takt von Beethovens erster Klaviersonate. Ohne Erkenntnisgewinn. Aber: egal!

Was aber passiert in dem zweiten Takt von Beethovens op. 111?

Das hier, bitteschön.

Beethoven op. 111 - 1. Satz - Takt 2

Der erste Takt ging uns noch so heftig an! Harmonisch fast haltlos, ins Nichts gehämmert. Schärfste Punktierungen, die bei und für Beethoven in dieser Prägnanz eine Erinnerung an die Französische Revolution, an den (politischen) Kampf um die Freiheit des Individuums – Beethovens mit Abstand wichtigstes privates und künstlerisches Thema – bedeuten.

Die Französische Revolution hat scharfe Punktierungen – also einen durch Punktierung verlängerten Notenwert, der gleichsam die Folgenote rhythmisch an den Rand drückt, die Folgenote zwingt, nur noch ganz kurz zu erklingen, temperamentvoll, zornig oder auch mal feierlich-majestätisch – quasi hoffähig gemacht. Wobei sie das längst waren – und zwar spätestens mit dem Beginn des 18. Jahrhundert. Noch/schon Bach verwendete Punktierungen gerne – und schrieb „Französisch“ drüber!

Nach diesen erinnerungshaften Punktierungen des wütenden ersten Taktes: fast eine Ohrenweide in G-Dur und c-Moll! Auf dem Triller von Takt 1 soll der Pianist zunächst einen scharfen Akzent setzen – und anschließend zum Piano hin leiser werden. Fast schüchtern, naiv setzt Beethoven zu Beginn von Takt 2 einen G-Dur-Akkord in feinster Grundstellung dahin. Wie in einem Bach-Choral. Wie süß. Anschließend c-Moll. Was für eine triviale Wendung! Doch Beethoven wäre nicht Beethoven, wenn er nicht Beethoven wäre! Auch der dritte Akkord in Takt 2 ist nämlich irgendwie voller Bach. Aber das jähe – mit einem Crescendo versehene – Arpeggio vor dem Sextakkord ist dann halt wieder typisch Beethoven, der angesteuerte Akkord aber Rezitativ-Akkord. Eine totale Mischung also von Bach-Rezitativ-Erinnerung und Beethoven-Faust-Eigenstempel. Ein Rezitativ-Akkord also, ein Akkord, nach oder auf dem man in barocken Werken deklamierend sang. Etwas von Bedeutung, etwas, nach oder mit dem etwas gesagt, angedeutet, erzählt werden will.

Die 32stel-as-as1-Oktave am Ende des zweiten Taktes verheißt dann wieder Böses Revolutionäres. Nämlich Punktiertes. Doch wir warten weiter Tee und trinken ab!

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Arno Lücker wuchs in der Nähe von Hannover auf, studierte Musikwissenschaft und Philosophie in Hannover, Freiburg - und Berlin, wo er seit 2003 lebt. Er arbeitet als Autor (2020 erschien sein Buch »op. 111 – Beethovens letzte Klaviersonate Takt für Takt«, 2023 sein Buch »250 Komponistinnen«), Moderator, Dramaturg, Pianist, Komponist und Musik-Satiriker. Seit 2004 erscheinen regelmäßig Beiträge von ihm in der TITANIC. Arno Lücker ist Bad-Blog-Autor der ersten Stunde, Fan von Hannover 96 und den Toronto Blue Jays.