Heiteres Beruferaten

Heiteres Beruferaten

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Als Kind stellt man sich ja immer vor, wie es später so ist, wenn man einen Beruf hat. Und zwar als Tätigkeit, die man dann auch hauptsächlich ausübt, mit der man die meiste Zeit seines Tages verbringt.

Und später ist das dann ja auch so. Der Bauarbeiter steht morgens auf und ist dann den ganzen Tag lang auf dem Bau und bohrt und schuftet und schleppt und macht. Dann geht er nach Hause und schaut das „Literarische Quartett“. Ach, das gibt es ja gar nicht mehr.

Der Arzt ist ebenso vielbeschäftigt damit, vor allem Arzt zu sein. Ein Patient nach dem anderen will etwas, man kuriert, verschreibt Rezepte und erklärt komplizierte Krankheiten. Und auch die Sprechstundenhilfen wollen bei Laune gehalten werden!

Der Winzer widmet seine ganze Zeit dem Erzeugen guter Weine. Morgens schreitet er seine schönen Weinberge ab und entfernt lässig im Vorbeigehen die eine oder andere Reblaus. Er überwacht die Lagerung, die Reifung und kostet auch mal gerne sein eigenes Tröpfchen. Muss er ja, denn es ist sein BERUF.

Bei all diesen Professionen kann man ganz klar sagen: hat man diesen Beruf, dann verbringt man seine Zeit vor allem damit diesen Beruf auch auszuüben.

Genauso habe ich mir als Kind auch das Komponistendasein vorgestellt: man sitzt zu Hause und horcht auf die himmlischen Eingebungen, schreibt Notenberge und liefert sie getreuen Gehilfen ab, die diese an Verlage und ungeduldige Orchestermusiker weiterreichen. Und ab und zu reist man zu einer Aufführung, wird dort bejubelt oder mit Tomaten beworfen oder beides und führt dann geistvolle Gespräche mit Kollegen und Freunden über Kunst, Gott und die Welt oder alles drei zusammen.

Ach, wenn es doch nur so wäre (der Verfasser dieser Zeilen seufzt)!

Was früher einmal so war ist heute nicht mehr so. Die Zeiten haben sich verändert. Die Technologie hat sich verändert. Die Medien haben sich verändert.

Neulich habe ich mich mal hingesetzt und eine Analyse von dem gemacht, mit dem ich Zeit verbringe. Familie zuerst, klar, dann Klavier üben, Komponieren, Dirigieren, Singen, schreiben, Hochschule, Freunde, diverse Ehrenämter, die Liste ist lang.

Wenn man also obigen Maßstab ansetzt, wäre das, was ich am meisten mache dann auch mein Beruf.
Ich habe herausgefunden, was mein Beruf ist.

Wollt ihr es wissen?

Zu meinem eigenen Erstaunen musste ich feststellen, dass ich mich eigentlich nicht Komponist nennen darf (das ist was den zeitlichen Anteil angeht wahrscheinlich eher ein Hobby). Nein, in Wirklichkeit bin ich hauptberuflich….Email-Beantworter.

Ungelogen, so ist es. Mehr Zeit als mit dem Schreiben von Opern, Symphonien und Kammermusik widme ich ….dem Lesen, Löschen, Sortieren und Beantworten von Emails! Und zwar mehrmals am Tag. Schon morgens auf dem Klo wird auf dem Handy geschaut, was sich wieder alles in den wenigen Stunden Schlaf an wichtigem angesammelt hat. Es gibt Menschen, die schreiben einem anscheinend um 4 Uhr morgens ellenlange Mails und leben noch nicht mal in Australien. Über den Tag verteilt folgen viele weitere Lese-und-Antwort Sessions. Am PC (dort immer mindestens 2 Stunden, egal wann ich mich daran setze und wie viel Zeit inzwischen vergangen ist). In der Straßenbahn. Kurz vor dem Konzert. Kurz nach dem Konzert. Beim Frühstück. Beim Mittagessen. Beim Abendessen.

Emails beantworten ist eindeutig mein Hauptberuf, und ich kann es auch tatsächlich ganz gut. Ich habe aber noch ein paar Nebenjobs: ich bin nämlich auch professioneller SMS-Beantworter, professioneller Facebook/Twitter/LinkedIn/what the f****-Beantworter und natürlich auch – nicht zu vergessen, professioneller WhatsApp-Beantworter. Aber das ist tatsächlich nur ein Teilzeitjob, weil ich es manchmal vergesse oder übersehe.

Und irgendwann nach dieser langen, langen Liste kommt …das Komponieren. Mache ich auch manchmal, aber anscheinend nur kurz, denn dann wartet ja schon wieder die nächste Mail. Wenn ich 3 Stunden am Tag komponieren kann, bin ich schon froh. Die restlichen 15 Stunden (abzüglich 6 Stunden Schlaf) verbringe ich nämlich mit Emails. Manchmal habe ich Angst zu vergessen, wie das Komponieren überhaupt geht.

Auf meinem Grabstein wird einmal stehen: „Hier liegt M.E., staatlich geprüfter Emailbeantworter. Manchmal schrieb er auch Opern“.

Und wahrscheinlich muss ich selbst dann nach wie vor eines machen, sei es in der Hölle, im Elysium oder sonst wo (weiß ich jetzt noch nicht):

Ich muss…. Emails beantworten.

Luja, sog I.

Lemke

Quelle: wikipedia

Moritz Eggert

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3 Antworten

  1. Die Medien sind neu, das Phänomen alt. Wenn man sich die Korrespondenz so mancher Komponisten des 19. Jahrhunderts so anschaut, fragt man sich, wann die das alles geschrieben und nebenher auch noch das eine oder andere komponiert haben. Paradebeispiel: Liszt.

  2. Ja, das scheint wohl so zu sein… man wehrt sich innerlich dagegen und sagt: So will ich nicht sein…aber ohne ist es schwierig. Schon allein wegen der Kinder sollte man wissen, wie es geht, um Missbrauch vorzubeugen. Aber ich denke, im Innersten bleibt man doch das, was man von Anfang an war…in Ihrem Falle Komponist. Wo ein Wille, nun ja, alle kennen den Spruch…Wie wäre es mit einem medienfreien Tag??? Ich schwöre Ihnen, das funktioniert… Probieren Sie es aus!!

  3. Guntram Erbe sagt:

    Ich habe schon seit geraumer Zeit als Dauereinrichtung nur mehr medienfreie Tage. Ich telefoniere nicht, ich lese keine Zeitung, ich schalte den Computer nicht mehr an, ich mache kein Stühlerücken und ich schreibe keine Blog-Kommentare. Seitdem fühle ich mich wohler.