GEMA und Co. bald ohne Kultur und Soziales? Kommentar zum Stand des neuen Verwertungsgesellschaftengesetzes

Fetzen wir Komponisten uns gerne um die Ausgestaltung der GEMA, so ist doch eines klar: wir schätzen sie als Autorenverwertungsgesellschaft. Wir profitieren von ihren Sozialwerken und Stiftungen. Und wir mögen ihre Förderung von kulturell bedeutenden Werken. Bisher sind die kulturelle und soziale Bindung per Gesetz eine Soll-Vorschrift für den Verteilungsplan: die GEMA ist verpflichtet, neben den Verwaltungskosten einen Teil der Ausschüttungen für kulturelle und soziale Zwecke einzubehalten. Selbst wenn für die meisten E-Komponisten die GEMA-Einnahmen nur wie ein 13., 14. oder gar 15. Monatseinkommen sind, so sind es doch Zuflüsse, die einem eben doch noch gerade am Hartz-IV-Niveau vorbeischrammen lassen und so zur sozialen Absicherung beitragen. Kultur und Soziales im Verbund: Besonders weil Werke der E-Musik durch die gesetzliche Vorgabe als „kulturell bedeutend“ eingestuft sind, haben Einnahmen daraus durchaus eine Funktion des sozialen Ausgleichs. So läuft vereinfacht das Gesamtsystem GEMA: sehr gute Verdiener helfen den Schwächeren. Das wird zwar seit Jahren z.B. durch Klagen durch GEMA-Mitglieder selbst unterlaufen, die in Gremien der GEMA wiederum erstaunlicherweise das soziale Element der GEMA preisen. Wie gesagt, es ist bisher gesetzlich festgesetzt, dass es so zu sein hat. Da ist § 7 Satz 2 UrhWahrnG glaskar: „Der Verteilungsplan soll dem Grundsatz entsprechen, daß kulturell bedeutende Werke und Leistungen zu fördern sind“ – Punkt!

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Nun liegt ein Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums vor, der das aufweichen will: „(1) Die Verwertungsgesellschaft kann kulturell bedeutende Werke oder Leistungen fördern. (2) Die Verwertungsgesellschaft kann Vorsorge- und Unterstützungseinrichtungen für ihre Berechtigten einrichten.“ So würde nach momentanen Stand der geplante § 32 Abs. 1 und 2 des neuen VGG, Verwertungsgesellschaftengesetz lauten. Auch wenn ich mich nicht in den letzten Tiefen der GEMA-Verteilungspläne und des Urheberrechts auskenne, fällt mir dennoch auf: Aus dem harten „Soll“ wird ein ermessensweiches „Kann“. Genau das, wie auch andere Punkte, kritisieren die Verbände, wie z.B. die Initiative Urheberrecht, an dem Entwurf, auch wenn er grundsätzlich auf Zustimmung stösst, da er für den einzelnen Autor einiges zu verbessern verspricht. Die Gefahr in der neuen Kann-Vorschrift liegt in den Möglichkeiten der Absenkung von Verwaltungskosten. Die GEMA vertritt knapp 70.000 Berechtigte und ein Repertoire, das weit über 150 Jahre geschützt sein kann sowie nimmt sie Rechte für ausländische Partnergesellschaften in Deutschland mit seinem grossen Musikmarkt wahr. Selbst bei der effizientesten EDV kann man das Personal irgendwann nicht weiter verringern, gerade wenn die GEMA kundenfreundlich für die Nutzer, z.B. Veranstalter, erreichbar sein soll und diese intensiv beraten muss.

Da würde nur eine Reduzierung der kulturellen und sozialen Abzüge Abhilfe schaffen. Denn selbst wenn Großverdiener genügend einnähmen, herrscht unter diesen eine schärfere Konkurrenz als es sich E- und Film-Komponisten vorstellen können, geht es z.B. um Marktanteile und Produktionsetats. Nachdem gerade eine Studie belegte, wie wichtig für die Big Player GEMA-Einnahmen sind, ist es sehr wahrscheinlich, dass ohne den gesetzlichen Schutz weniger kommerzielle Sparten die bisherige ihnen widerfahrene Solidarität einbüssen. Blickt man in die aktuellen GEMA-Mitgliederversammlungen, ist bei aller Kämpferei genau um die Anteile der E-Musik doch immer wieder ein Ausgleich gefunden worden.

Eine wesentliche Neuerung des VGG ist allerdings die Verteilung der Mandate: bisher sind Stimmrechtsübertragungen ausgeschlossen, damit kein Mitglied unverhältnismäßig durch Stimmhäufungen überstimmt werden kann. Übertragungen des Stimmrechts, ohne gesetzliche Begrenzung, sind nun vorgesehen. Dazu sollen Wahlbeteiligung über das Internet und ein möglicherweise weiter als bisher gefasster Begriff der ordentlichen Mitgliedschaft treten. Was einerseits wundervoll basisdemokratisch klingt, dient im hochpolitisierten Gefüge dieser Versammlungen möglichen Manipulationsversuchen, denen somit Tür und Tor geöffnet wären. Denn die GEMA schützt ja im Gegenzug zu den sozialen und kulturellen Abzügen das Recht auf geistiges Eigentum. Wer daraus hohe Einnahmen hat, muss darin geschützt werden wie der Schwächere in seinen Belangen. Zwar ist im geplanten § 32 Abs. 3 VGG die Rede von fairen Kriterien der festen Regeln für soziale und kulturelle Abzüge die Rede. Bei Massenabstimmungen mit hohem Mobilisierungsgrad ist die Fairness gegenüber Minoritäten gefährdet.

Der Gesetzentwurf selbst ist eine Umsetzung der EU Richtlinie 2014/26/EU. In der Präambel unter (28) sagt diese: „… und dass die Entscheidung über den Abzug anderer Kosten als Verwaltungskosten, beispielsweise den Abzug für soziale, kulturelle oder Bildungszwecke, von den Mitgliedern der Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung getroffen werden sollte.“ Deshalb die deutsche Planung der Kann-Vorschrift, was die Grundsatzentscheidung über jene Abzüge der Abstimmung unterwirft statt es wie bisher gesetzlich zu schützen. Es werden die objektiven Rechte des Berechtigten gestärkt, die subjektiven und tradierten Minoritätenschutzrechte werden nach momentanen Stand marginalisiert. Schaut man mal kurz zur vielleicht 2016 startenden GEMA-Konkurrenz c3s hinüber, könnte man aus dem Start nach dem Inkrafttreten des neuen VGG ableiten, dass diese neben den CC-Lizenzen, die übrigens dann jede Verwertungsgesellschaft anbieten muss, der GEMA ausländische Partnergesellschaften abjagen will. Denn die werden nach der neuen Richtlinie und dem neuen Gesetz höchstwahrscheinlich die inländische Verwertungsgesellschaft auswählen dürfen, die die geringsten Abzüge hat. Solange die GEMA der grosse Tanker ist, muss man sich da nicht sorgen. Aber der Run um die geringeren Abzüge ist dann eröffnet, sobald ein großes Label die von ihm dominierte Verwertungsgesellschaft zur kleineren Konkurrenz wechseln lässt. Es stellt sich eben grundsätzlich die Frage, ob auf Dauer „Fair-Use“ zwar auf dem Papier den einzelnen Urhebern und Nutzern mehr Rechte einräumt. Die sie aber aufgrund neoliberaler Abwertung nicht wahrnehmen werden können.

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