Orchester-Kon-Fusionen, diffus entfuselt

Nicht jede Mücke taugt zum Elefanten, ausgenommen es gähnt das Sommerloch bevor die fetten Sommer-Festspiele oder dieses Jahr die schlanken Darmstädter Sommerkurse so richtig in Fahrt kommen. Es bleibt Zeit für Dinge, wie gerade einem aus den Augen und Sinn geratene Dirigentennamen bei unerwartetem Auffinden im CD-Schrank in Suchmaschinen einzugeben. Manchmal sind die Suchergebnisse aufgeblasen oder auf dürre CV-Fakten eingedampft, selten aber leisten sie einen so wertvollen Beitrag, schnell und konfus durch ihren Autor hingeschrieben, zu aktuellen Zeiterscheinungen wie zum Beispiel der im Juli 2014 nun vollkommen unausweichlich wirkenden SWR-Orchesterfusion: „Er produziert regelmäßig CD’s mit Orchestern wie z.B. den Bamberger Symphonikern, der Bayerischen Staatsphilharmonie, den Rundfunkorchestern des SWR und WDR, der Radio Philharmonie Hannover des NDR.“ Den Stolperstein entdeckt? Nochmals, übrigens aus der CV des Dirigenten Florian Merz, dessen Gesamteinspielung der Schumann Sinfonien Inhalt der hervorgekramten CD ist, die ich seinerzeit nur wegen der darin auch enthaltenen unbekannten „Festouvertüre mit dem Rheinweinlied“ erstand.

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Vom Thema abgekommen. NOCHMALS: „Er produziert regelmäßig CD’s mit Orchestern wie z.B. den Bamberger Symphonikern, der Bayerischen Staatsphilharmonie…“ Dem Textautor unterlief „aus eins mach‘ zwei“, die Diffusion! Seit 2003 sind die Bamberger Symphoniker durch grosszügige finanzielle Unterstützung des Freistaates Bayern dessen „Bayerische Staatsphilharmonie“. Der Namenszusatz führte nicht zu einem neuen Namen wie z.B. „Bayerische Staatsphilharmonie Bamberg“. Weil die Symphoniker erfolgreich unter ihrem bisherigen Namen in aller Mund und Köpfe kursierten, entschloss man sich zur Namenserweiterung anstatt einer Wörterfusion. Was nun wieder Raum für kleine Flüchtigkeitsfehler ließ und wie in unserem Falle aus einer Mücke zu einer Sommerloch-Biene werden lassen könnte.

Immerhin unterlief dem CV-Schreiber durch seine Diffusion das edelste, was öffentlich-rechtliche Radioanstalten unternehmen sollten und wir, um zu den Sommer-Festspielen zurückzukehren, von den mehrsprachig anmoderierten Übertragungen aus Salzburg und Bayreuth kennen, wenn die sprechende Person plötzlich französisch von einer „diffusion mondiale“ des musikalischen Ereignisses näselt. Also eine Ermahnung aus dem Visier der Zeit, um an Derridas Gruselmomente aus „Marx‘ Gespenster“ zu erinnern: wenn Fusirgendwas, lieber SWR, bitte nur konfus und diffus! Zwar wird durch das beschwörende Diffusionslesen die hiesige Theater- und Orchesterlandschaft nicht grundlegend größer, da die meisten Fusionsorchester doch neue Namen tragen, aber es führt zu nettem „Nimm2“-Bonbonpapierrascheln – keine Sorge, diese Marke sponsert nicht diese Glosse.

Wäre dieses Rascheln doch für die wenigen verbleibenden Saisons der beiden SWR-Orchester die geräuschhafte Bezeugung von Bürgerunmut und Musikersolidarität, eine Art publikumsinteraktiver Lachenmann-Mouvement! Denn mag man nun Doppeltitulaturen z.B. in Münchener Nationaltheater, Bayerische Staatsoper oder Philharmonie Coburg, Landestheaterorchester Coburg oder Neue Philharmonie Westfalen, Landesorchester NRW entkoppeln oder im Falle Niederrheinische Sinfoniker, Orchester des Theaters Krefeld, Orchester des Theaters Mönchengladbach enttrippeln, so trappelt der badische Anteil der noch nicht fusionierten SWR-Orchesters in ein SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und ein SWR Sinfonieorchester Freiburg.

Ach wäre das schön, wenn Textautoren so den Guano für erneut breit blühende Orchesterlandschaften mit Rheinwein und Weissbier herbeifuseln könnten, für die Fusionierer reinstes Faseln, Ihr Fassnachts-Ernstmacher! Aber Weiterlesen hilft, statt sich im Unwesentlichen zu verhaspeln. Im weiteren Verlauf von Merz‘ Dirigenten-CV heisst es dann doch richtig: „Für die CD-Produktion »Ernst Krenek-Violinkonzerte« erhielt Florian Merz gemeinsam mit Peter Rosenberg (Violine) und den Bamberger Symphonikern/Bayerische Staatsphilharmonie 2001 den begehrten Preis der Deutschen Schallplattenkritik.“ Übrigens sind beide Aufnahmen, die Schumanngesamteinspielung mit der Klassischen Philharmonie Düsseldorf, ein Neugründung eines Orchesters durch Merz und die durch ihn leider doch nicht verdoppelten Bamberger mit dem Krenek-Violinkonzert durchaus zu empfehlen, besonders die Schumann-CD in ihrer historischen Aufführungspraxis kann für schöne hitzige Diskussionen im Biergarten oder bei Festspielbratwürsten herhalten.

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