„Van“ – ein neues Klassikmagazin

Neue Medien sind momentan in aller Munde, nicht zuletzt bei der erhitzten Diskussion um die Einstellung von BR Klassik auf UKW (gegen die auch Peter Gülke in seiner Siemensmusikpreisrede bewusst Stellung bezog)….

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Das Problem ist ja nicht, dass man gegen neue Medien ist, sondern dass diese manchmal zu früh kommen. Irgendwann  wird Radio ganz sicher überall digital empfangbar sein, auch auf einer einsamen Lichtung im Regenwald (den es dann hoffentlich noch gibt), aber gerade jetzt den Klassiksender nicht mehr auszustrahlen und ausgerechnet jetzt einen Jugendsender auf der selben Welle zu platzieren (welcher Jugendliche hört heutzutage UKW-Radio???) ist natürlich bizarr.

Anderswo tun sich wiederum von selber neue Medien auf, aber niemand besetzt die Leerstelle, die sie bieten. So zum Beispiel im Tablet-Bereich – Geräte wie das ipad sind die Erfolgsstory der letzten Jahre, inzwischen gibt es schon haufenweise Magazine, Spiele und Apps, die die Möglichkeit von Tablets virtuos nutzen. Immer mehr Menschen nutzen Tablets zum Lesen von Nachrichten, Artikeln und Büchern. Es gibt Tablet-Publikationen zu den abgelegensten Themen wie Fliegenfischen und Briefmarkensammeln, aber noch keines für klassische Musik…..bis jetzt!

Seit einigen Tagen gibt es das neue Magazin „Van“, das sich an den modernen und nach alle Richtungen hin aufgeschlossenen Klassik-Fan richtet. Es kann hier (ios) und hier (android) käuflich erworben und heruntergeladen werden. Das Ganze ist – das muss man wirklich betonen – vor allem ein Liebhaberprojekt von Menschen, die einfach eine Notwendigkeit darin sehen, klassische Musik auf neue Weise zu vermitteln, ein do-it-yourself-Projekt ohne Budget oder großes Verlagshaus, quasi in Hand-und Teamarbeit entstanden. Um so erstaunlicher ist die große inhaltliche und technische Qualität des vorliegenden Magazins.

Natürlich mag man sich fragen, was denn so besonderes daran sei, Artikel über Musik nun auf dem Tablet zu lesen, wenn man sie als .pdf doch ohnehin quasi überall lesen kann. Nun – es ist etwas besonderes, weil man sich bei „Van“ eben besondere Mühe gegeben hat, auch das Medium tablet zu nutzen. Das fällt schon beim Titelblatt auf, einer wunderschönen Animation zu Stravinskys „Petruschka“, die speziell für die Erstausgabe erstellt wurde. Danach kommt man auf ein Editorial (Gespräch mit dem Cellisten Alban Gerhardt) und dann zum Inhaltsverzeichnis mit einer großen Bandbreite von Artikeln.

Wenn man sich hier durchklickt, merkt man schnell, dass es sich nicht wie bei den meisten Tablet-Magazinen um leicht aufgemotzte und verlinkte pdf’s handelt. Zum ersten Mal ist es also möglich, über Musik zu lesen und diese auch gleichzeitig zu hören, so zum Beispiel in dem Artikel über den Besuch im Richard-Strauss-Haus in Garmisch – wenn da von den „Vier letzten Liedern“ die Rede ist, kann man diese auch hören, immerhin gesungen von Cheryl Studer. Quasi jeder Artikel strotzt von speziell angefertigten Animationen, integrierten Videos, Links und vielem mehr. Und dabei ist keineswegs nur von Lang Lang und Kommerzklassik die Rede, sondern eben auch von zeitgenössischen Komponistinnen, der körperlichen Belastung von Musikern bei Konzerten, Bryce Dessners Musik (E-Gitarrist bei „The National“ und E-Komponist), dem Label col legno, ja es gibt sogar eine Art „Dirigentomat“, bei dem man den Dirigenten finden kann, „der zu einem passt“.

Auch sonst ist viel Musik im Heft – besonders schön ist die Bilderstrecke „Da ist Musik drin“ wo schöne Fotos von verschiedensten Orten mit bestimmten Musikstücken assoziiert werden, die eine oder andere überraschende Empfehlung wird einen hier anspringen. Ansonsten gibt es noch viel mehr qualitativ hochwertigen Inhalt von Autoren wie Alex Ross, Helmut Krausser, Bad Blogger Arno Lücker und vielen anderen.

Ja, auch ich konnte mich der Begeisterung von Herausgeber Hartmut Welscher nicht vollkommen entziehen und habe mich zu einem Artikel überreden lassen, und nein, es handelt sich nicht um eine Zweitverwertung aus diesem Blog.

Wer jetzt neugierig auf dieses wohlfeile Magazin ist, der besuche zum Beispiel die Facebook-Seite, wo man dankbar ist für Links, Hinweise, Tipps und verrückte Geschichten aus der klassischen Musikszene. „Van“ sucht weiterhin Autoren und ist offen für Ideen aller Art. Möge diesem mutigen Unternehmen ein ausdauernder Erfolg beschieden sein!

Moritz Eggert

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2 Antworten

  1. Thomas sagt:

    Danke für den Hinweis. Besitze leider kein tablet, ebensowenig wie ein DAB Radio. Hab mir aber die website angesehen. Bin wahrscheinlich zu alt dafür, doch mit diesem Klassik ist hip und schick Zeug kann ich einfach nichts anfangen. Playlist von irgendeiner Pop Lady mit Boccherini und Pärt, ein völlig nichts sagendes Interview mit einem hübschen Cellisten.
    Leider nichts besseres als die Duzendware von FonoForum und Co.. Da ziehe ich dann doch lieber die verstaubten Adorno Bände aus dem Regal.

  2. Hartmut sagt:

    Lieber Moritz, vielen Dank für die Vorstellung von VAN. Wir freuen uns sehr auf Feedback, Hinweise, Kommentare, Ideen und Beiträge von allen, die unser Magazin gelesen haben. Selbst Adorno kommt darin an vielen Stellen vor. Hier noch ein Link zu einem kleinen Text darüber, was wir mit VAN wollen (und nicht wollen). http://www.van-magazin.de/worum-es-hier-geht-oder-ein-magazin-fuer-klassische-musikkultur/
    Lieber Thomas, ein Urteil über etwas, was man nicht kennt, ist ein Reflex und leider schwer kommentierbar. Viele Grüße, Hartmut Welscher