Wie war es eigentlich auf der diesjährigen GEMA-Generalversammlung?

Diese Frage stellen sich die ca. 50.000 angeschlossenen, außerordentlichen und ordentlichen Mitglieder der GEMA, die auch dieses Jahr wegen Lufthansastreik, der Landung außerirdischer Gnome vom Planeten Xröäöxerlöxl oder Schusseligkeit und anderer Verpflichtungen ihren Weg nicht nach Berlin gefunden haben.

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Ich selber konnte aus oben genannten Gründen ebenfalls nicht dabei sein, aber so ungefähr stelle ich es mir vor:

Nach einer wieder einmal sehr angespannten und chaotischen Versammlung der angeschlossenen und außerordentlichen Mitglieder, in der die Anwesenden GEMA-Vertreter wieder einmal dafür beschimpft werden, dass die Saalgäste noch keine ordentlichen Mitglieder sind, steht plötzlich ein unscheinbarer kleiner Mann mit Brille auf und geht an das Mikro. Er redet so leise, dass plötzlich die Tumulte verstummen und alle zuhören. Er hält eine flammende Rede, die an die Solidargemeinschaft aller Komponisten appelliert und auch daran, dass mit den ganzen endlosen Diskussionen nur wertvolle Zeit zum Komponieren verloren geht. Er fragt in den Saal, wer denn nun wirklich kandidieren wolle als Delegierter – sehr viele heben die Hand. Dann bittet er darum, dass jeder, der die Delegiertenrolle nur dazu nutzen wolle, um in der ordentlichen Mitgliederversammlung möglichst langsam und theatralisch zum Mikro zu gehen, um sich dann genüsslich selbst zu inszenieren, die Hand nun wieder senken solle. Peinlich berührt tun dies ca. 20 Mitglieder. Dann bittet er darum, in einem Schwung alle restlichen Kandidaten en bloq zu wählen. Da sie eh schon den ganzen Weg nach Berlin auf sich genommen hätten, könnte man ja davon ausgehen, dass sie es ernst meinen.

Nachdem die Sitzung nun überraschend schnell zu Ende ist, verbrüdern sich alle Komponisten bei einem Glas Bier. Viele wunderbare Freundschaften über jede stilistische Grenzen hinweg entstehen, und alle sind glücklich.

Bei der Sitzung der ordentlichen Mitglieder am nächsten Tag wird dann überraschend ebenfalls ein neues Prozedere angekündigt. Nachdem es ja unweigerlich immer so ist, dass gerade die Anträge die am längsten diskutiert und dann mit knapper Mehrheit gewählt werden, am nächsten Tag bei der Generalversammlung dann doch wieder kippen, weil die Textdichter oder die Verleger dagegen sind (oder umgekehrt) hat man sich umgehend entschieden, alle drei Kurien von vornherein zusammen tagen zu lassen. Natürlich ist der Saal nun so überfüllt, dass keiner mehr Platz findet. Der Versammlungsleiter bittet um Ruhe und fragt in die Runde, wer denn alles von der GEMA profitiere. Absolut alle heben die Hand. Nun bittet er darum, dass alle, die in irgendeiner Form Geschäftsmodeller sind oder die GEMA-Statuten ausnutzen, um sich selbst an der Solidargemeinschaft zu bereichern, die Hand senken und den Saal verlassen sollen. Beschämt schleicht sich ein größeres Grüppchen davon.

Nachdem der Saal nun merklich leerer ist, fragt er erneut in die Runde, wer denn eigentlich die Musik überhaupt noch liebe und wirklich gerne betreibe, anstatt in Paragraphen nach einem neuen eigenen Vorteil zu wühlen. Wieder einmal steht ein großer Trupp Menschen auf und verlässt den Saal. Inzwischen sind genügend Sitzplätze frei und alle setzen sich.

Der Versammlungsleiter holt nun das dicke Buch mit den Anträgen hervor und kündigt an, nun einfach alle Anträge rauszureißen, die entweder einen Hintergrund der Gier, der Eitelkeit oder des Ausnutzens von Lücken oder ohnehin keine Chance haben. Er reißt einige Seiten heraus, das Buch ist nur noch halb so dick. Nun schlägt er vor, dass über die rein formellen Anträge, bei denen es nur um nachträgliche Satzungsänderungen geht, in einer einzigen Abstimmung abgestimmt werde. Schnell ist dies erledigt. Alle Abstimmungen werden per Handzeichen durchgeführt, da allein schon die Erklärung der elektronischen Abstimmungsgeräte die meisten überfordert.

Um endlose Diskussionen und Wortbeiträge zu den übrig gebliebenen Anträgen zu verhindern schlägt er nun vor, dass jede Interessengruppe exakt einen – nämlich deren wortgewandtesten – Vertreter bestimmt, der zu den strittigen Themen etwas sagen solle, und zwar mit einer maximalen Redezeit von exakt 5 Minuten. Die anschließende Diskussion über die wenigen wirklich sinnvollen verbliebenen Anträge ist daraufhin knapp, produktiv und informativ, ebenso die Abstimmungen. Da von vornherein Verleger und Textdichter mitgestimmt haben, steht das endgültige Ergebnis der Versammlung dann auch schon schnell fest.

Daraufhin steht eine Komponistin auf und wendet sich an die Kurien mit dem Vorschlag, dass man sich den nächsten Versammlungstag ja dann eigentlich sparen und schon gleich in den geselligen Teil übergehen könne. Ein anderer Kollege meint: „Mensch Kinder, manchmal vergessen wir doch, um was es uns eigentlich im Herzen geht. Lasst uns doch einfach gemeinsam Musik machen!“. Jemand holt eine Gitarre heraus, ein anderer fängt an zu singen, ein Cellist spielt, einer fängt an zu beatboxen. Eine spontane Gemeinschaftskomposition entsteht, die in Zukunft die GEMA repräsentieren und bei youtube umsonst verbreitet werden soll.

In diesem Moment weist jemand Offizielles darauf hin, dass man das Stück ja dennoch bei der GEMA anmelden solle. Alle lachen, und im Trubel vergisst man, dies zu tun.

Erst spät in der Nacht gehen alle nach Hause – Textdichter Arm in Arm mit Jazzer, E-Musiker Arm in Arm mit Jingle- und Werbekomponisten, Schlagerkomponisten Arm in Arm mit Komponisten experimenteller improvisierter Musik. Alle haben sich lieb. Man verspricht sich gegenseitig, alle in dieser Liebesnacht entstandenen Jungen „James“ und alle Mädchen „Gemma“ zu nennen.

Insgesamt war es diesmal eine besonders schöne GEMA-Versammlung. Alle freuen sich schon jetzt auf’s nächste Jahr.

Und dann wachte ich auf.

Moritz Eggert

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Eine Antwort

  1. 15. April 2014

    […] träumte sich durch Berlin, nachdem er persönlich nicht dabei sein konnte. Ich war da! Allerdings nicht zur Versammlung […]