Für Ersatz sorgen Sie selber. Eine Vision.

Wie mir gerade Kollege Alexander Keuk mitgeteilt hat, wurde vor kurzem beim MDR ein Stück von mir „aus Zeitgründen“ nicht gesendet, wobei die Hörer dann aber netterweise darauf hingewiesen wurden, dass man ja auch Musik von mir bei „youtube“ hören könne.

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Eine Kommentatorin schrieb dann gleich „So schaffen sich die alten Medien ab!“. Ich würde es nicht ganz so drastisch sehen, und natürlich geht auch die Welt nicht unter, wenn mal ein Stück von mir nicht gesendet wird (meine 4 Millionen Fans sehen das vielleicht anders). Dennoch ist es lustig darüber nachzudenken, was denn Äquivalente dieser Handlungsweise sein könnten:

Ich gehe zum Bäcker und bestelle ein Brötchen. Der Bäcke sagt zu mir: „Ich habe gerade keine Lust, Ihnen ein Brötchen zu geben, aber sie können sich gerne eins aus der Mülltonne nebenan nehmen, die schmecken auch gut“.

Oder:

Ich sitze im Kino und schaue einen Film. Plötzlich bricht der Film ab, der Besitzer des Kinos geht vor die Leinwand und sagt: „Wir haben jetzt leider keine Zeit mehr, Ihnen den Film zu Ende zu zeigen, aber Sie können ihn natürlich gerne zu Hause eine verwackelt im Kino aufgenommene Kopie mit rauschendem Ton illegal herunterladen. Viel Spaß dabei!“

Oder:

Er: „Du, Schatz, Du bist so süß heute, ich habe total Bock auf Sex mit Dir!“

Sie: „Ach, Lieber, ich habe gerade Migräne. Aber Du kannst natürlich die gerne die Dienste einer Straßenstricherin in Anspruch nehmen, die besorgt es Dir auch so richtig gut, und Du darfst Dir sogar noch eine Geschlechtskrankheit gratis holen..“

Oder:

Kurz vor Spielende verlassen sämtliche Spieler Bayern Münchens und Dortmunds das Spielfeld. Uli Hoeneß tritt vor das Publikum und verkündet: „Unsere Spieler haben jetzt gerade keine Lust mehr, das Spiel fertig zu spielen, da der Gewinner – natürlich wir – ohnehin schon fest steht. Es steht Ihnen aber frei, das Spiel zu Hause auf Ihrer Playstation von vor 5 Jahren in verruckelter Pixelgrafik nachzuspielen. Vielleicht geht es dann sogar anders aus!“

Oder:

Darmstädter Ferienkurse: „Da dieses Jahr aus Terminschwierigkeiten die Ferienkurse leider nicht stattfinden können, verweisen wir sie auf Arno Lückers großartigen und unterhaltsamen Bericht von vor 5 Jahren im Bad Blog. Es gibt sogar ein paar Bilder und kurze Tonausschnitte…“

Und so weiter Ad Infinitum.

Aber mal ehrlich: Warum stellen die öffentlich-rechtlichen Rundfunksender nicht einfach im Bildungsauftrag ihre tollen Bild- und Ton-Archive online, all die tollen Kultur-und Unterhaltungs- und Sport- und Nachrichtensendungen der vergangenen Jahre, finanzieren das von Werbeeinnahmen und machen den unersättlichen Gierhälsen von youtube endlich mal Konkurrenz???

Das frage ich mich manchmal.

Moritz Eggert

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5 Antworten

  1. @Moritz: Ich habe eben noch mal nachgeschaut: Im Augenblick hast du 114 Videos auf dieser Plattform eingestellt, wozu dich – wenigstens hoffe ich das! – niemand gezwungen hat. Da kann ich deine Empörung nicht ganz nachvollziehen, wenn auch mal auf diese umfangreiche, öffentliche, kostenlose und zudem vom Komponisten autorisierte Präsentation deiner Arbeiten verwiesen wird. Kannst du sie mir erläutern, bitte?

  2. Ich „empöre“ mich hier nicht über die Möglichkeiten von youtube (obwohl deren Geschäftsgebahren fragwürdig ist) sondern einzig und allein über den Vorgang beim MDR. Wobei „empören“ wirklich das falsche Wort ist, eher schmunzele ich darüber.

  3. @Moritz: Vermutlich ist, äh, „Schmunzeln“ auch das Klügste, was man hier tun kann. Ich kenne natürlich die näheren Umstände der Angelegenheit nicht, aber spontan stellte ich mir die Motivation des MDR so vor: „Harhar, jetzt geben wir von den öffentlich-rechtlichen Anstalten es diesen internet-affinen Künstlern mal zurück!“ Sollte dies so gewesen sein, hätte der Sender ein veritables Eigentor geschossen.

  4. Genauso sehe ich es auch, Stefan!

  5. Thorsten sagt:

    Die zeitliche Dimension ist doch für Musik existentiell . Ein Musikstück „aus Zeitgründen“ nicht zu senden ist etwa so intelligent wie es „aus akustischen Gründen“ nicht zu senden.