Mundry und DiCaprio – wann wissen wir endlich den Siemens-Musikpreisträger 2014?

Habt Ihr alle brav den neuen „di-Caprio“-Film gesehen? Falsch! Den neuen „Skoasisi“ natürlich, korrekter, den von Sikorski, nein, verdammt, den neuen „Skorsesi“ aka Scorsese? Diesen mit dem Wolf von der Wall Street? Neben all den Orgien und der Menschenverführung, übrigens am Besten zu Anfang, die Orgien, wenn Bunny-Häschen mit der Brass-Band zusammenstossen und es jeder mit jedem unter Goldschnipseln im Grossraumbüro treibt. Und eben die „Verführung“, auch Verkaufstalent genannt: wenn Leonardo als Jordan Belmont, äh, Belfort – verwechsle immer den Forberg-Schneider-Preis mit der Stadt – , einem Unbekanntem am Telefon Anteile einer Garagenfirma verhökert. Da bewegt er sich am Markt des „Penny Stock“. Das sind Aktienwerte von weniger als einem Euro bzw. weniger als wohl fünf US-Dollar. Oder für die mit Abstraktionsschwierigkeiten unter uns: das ist in der Musikszene wie das Gefälle von Förderung und keiner Förderung. Wer nichts bekommt, der beutet sich eben noch mehr aus, um sein Projekt durchzuführen. Oder wieder für die Unverständigen: das ist wie das Schicksal von „suono mobile global“ im Umfeld der in Stuttgart, Berlin und der Welt arbeitenden Komponisten Malte Giesen und Thomas N. Krüger. Das Kulturamt der Stadt Stuttgart hat ihnen die eigentlich auf mehrere Jahre zugesagte Förderung nach einer Verkaufserfolgsevaluierung gestrichen. Nun beuten sie sich doch aus und es gibt ein Konzert statt mehrerer von suono mobile global.

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Wie drückt das Ernst-von-Siemens-Musikstiftung auf ihrer Homepage aus, die sich diesmal im Vergleich zu 2013 richtig Zeit läßt, ohne Lachenmann und Furrer im Kuratorium, dafür mit Mundry und Hopp. Hoppla, wird man mit Furrer nun nach dem Ausscheiden ähnlich der kurzen Ausscheidungs-Wiedereintrittsrunde mit Preismitnahme Rihms verfahren? Oder doch endlich der Zender ihn bekommen, immerhin Dirigent und Komponist in einer Hand? Aber das nun EVS-Homepage-Zitat: „Jeder Preis ist ein Triumph der Gerechtigkeit: für denjenigen, der mit ihm ausgezeichnet wird. Zugleich ist jeder Preis der Beweis für krasse Ungerechtigkeit: für diejenigen, die ihn nicht — oder: noch nicht — erhalten haben.“ Ungerecht ist diese Situation, wenn man dennoch weitermacht, für nicht mal einen Apfel und ein Ei. Besonders ungerecht ist dieses Jahr aber bisher gar nichts, ausser dass sich ausgerechnet die mittelständische Wirtschaft in Sachsen-Anhalt über drohende Kulturmittelkürzungen an den dortigen Theatern aufregt. Ungerecht spät dieses sich melden, ungerecht diese Kürzerei. Aber ungerecht ist daran vor allem, dass nun klar ist, dass Kultur nicht Kultur um ihrer selbst mit all der Staatsverschwendung einerseits, Künstlerarmut andererseits ist. Kultur ist ein Wirtschaftsfaktor.

Das mögen die Kulturfunktionäre nun seehundhaft beklatschen: ja, ja, ja, ja, endlich sind wir im Dienstleistungssektor relevant! Damit ist die Moderne nun endgültig abgeschlossen, hat sich der softe, anbiedernde Teil der Postmoderne selbst abgeschossen. Nun ist Künstler-Sein nichts mehr anderes als das Schuften in einem Grossraubbüro, denn nichts als Raub an Mensch und Umwelt ist diese, unsere Wirtschaft ja. Man kann sich also nur wünschen, dass die Siemens-Musikpreisverleihung im Sommer eine Orgie wie im Scorsese-Film wird. Wie gesagt, im Vergleich zu den Siemensaktien ist der gerade in den Projektförderungen so wohltuende Segen dieser Stiftung ein Penny-Stock der zeitgenössischen Musik. Eine Rettung in eine andere Richtung neben des Umbaus der Preisverleihung zu einer Orgie wäre die Annahme des grossen Preises durch Spahlinger, falls der in den Fokus des Kuratoriums rücken sollte. Allerdings bleibt dann zu befürchten, dass der trockene Mathias selbst jeglichen Anflug von Orgie mit seiner Dankesrede unterbinden wird. Und so ausgerechnet der Revolutionär das Hehre des Feierns der Selbstdarstellung der Hochfinanz, des Kapitalismus, bestätigt. Denn ohne das Geld dieser ist meist die Kritik an dieser per Kunst gar nicht möglich. Ohne die Ehre der Förderung vor ein paar Jährchen in die Verlegenheit zu kommen, gegen eine Förderung protestieren können, hätte es diesen Protest Spahlingers, die Ablehnung des Kompositionsauftrags niemals gegeben. Ohne Kapitalist ist der Linke leider kein Kommunist.

Also scheinen sich Gegensätze zu bedingen! War da nicht was mit diesen als Themendualismus in der Zeit der Sinfonik? Leben wir also mit diesen sich bedingenden Gegensätzen von Kultur und Wrtschaft, links und rechts, Geld und Selbstausbeutung nicht im Zeitalter des Sonatensatzes, nein, direkt in der Exposition der Sonatenhauptsatzform? Dies würde bedeuten, dass der Zeitvertreib der Konzeptualisten nichts anderes als Alberti-Bässe sind, Spahlingers Protest nichts als eine Schubertsche Vermollung von Dur-Feierfreuden? Tja, wann also erreichen wir endlich das Zeitalter der Durchführung? Hoffentlich in dem Moment, wenn endlich der Siemens-Musikpreisträger 2014 bekannt gegeben wird! Doch Eile mit Weile…

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2 Antworten

  1. Erik Janson sagt:

    Humorvoller Artikel,
    bleibt nur der Jury zu wünschen, dass sie bei der Urteilsfindung nicht genauso verschnupft ist, wie der Mann auf dem Video, der die „Sonatenhauptsatzform“ erklärt ;-)

  2. Die werden wohl schon einen guten Job machen. Und sind wir mal ehrlich: den big prize zu vergeben ist nach Ableben all der Olds nun wirklich diffizil.