Aktuelle Wettbewerbe: MUCbiennale, schweiz- statt inter-national, Braunschweig – geboren vor 1983

Münchener Biennale wird schweiznational
Ich erinnere mich an eine Debatte im Deutschen Komponistenverband zur einer Initiative an die Ministerpräsidentenkonferenz, ihre öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten zu bitten, sich für Musik von „in Deutschland schaffenden“ Autoren einzusetzen – deren Präsenz sei wieder einmal auf einen Tiefststand angekommen. Zuerst entwarf man „deutsche Autoren“, dann „in Deutschland lebende Autoren“, zuletzt zurückgefahren auf die Idee multinationaler Produktionsteams, deren Postadresse in Deutschland liegt, um ja niemand auszuschliessen „in Deutschland schaffend“, statt produzierend, damit sich auch die Kunstmusiker vertreten fühlen angesichts der finanziellen und personellen Dominanz der „produzierenden“ Genres.

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Bevor morgen die alte Biennale sich mit der letzten Pressekonferenz zur Edition 2014 verabschiedet, ist zu 2016 schon folgende Ausschreibung zu finden: Die Münchener Biennale, ein Festival, das sich bisher „international“ sah, schreibt für 2016 eine „Plattform Neues Musiktheater“ zusammen mit dem Theater Bern aus. Formal wird von einer internationalen Jury gesprochen, die aus Dozenten der Musikhochschule Bern und weiteren deutschen Künstlern besteht. Wie beim operare-Wettbewerb der Zeitgenössischen Oper Berlin sollen zuerst anhand eingereichter eigener Projektskizzen ausgesuchte Musiker, Komponisten, Künstler und Theatermenschen diese wohl in sich bildenden Teams auszuarbeiten, in Bern erste Ergebnisse zu präsentieren und zur Münchener Biennale 2016 als vollwertige Produktion zu zeigen. Soweit interessant, wenn Musiktheater z.B. vom Bühnenbild ausgehen soll. Zum Zusammenwürfeln von Grüppchen könnte man spitz formulieren: nicht mehr Namen mit eigenen Projekten samt Floppgarantie kuratieren, lieber Ursuppe mit Gruppendynamik und Psychoflops jener Truppe – die Scheiternden sind dann selbst Schuld, wenn sie ihre Teamfähigkeit nicht unter Beweis stellen können und somit den Teamerfolg gefährden. Bis dahin alles reine Geschmacksfrage und der Einzug des neoliberalen Assessment-Center im Autorentheater. Soweit „international“ oder zumindest „deutschsprachig-plurizentrisch“.

Engherzig und lokal wird es bei den Teinahmebedingungen. Die Altersgrenze sei geschenkt. Wie wir vom Next-Generation-Projekt der Donaueschinger Musiktage wissen, gibt es nichts hübscheres als leicht verschlafene, nerdartige, rollkofferklappernde, appleöffnende Youngsters nicht nur bei grünen Tee über Projekte Älterer reden zu lassen, sondern ihre eigenen Visionen nach kurzem Anreissen gleich wieder vergessen zu lassen, wenn der Kurator die Stirn runzelt, sofort unberunzelte Projekte der Anderen toll zu finden und um einen Platz in deren Team zu buhlen. Also ein echtes A-Chorus-Line, ein Casting im Stile einer Superstarsuche. Das erinnert mich an ein Treffen der freien Theaterszene in München mit dem Kulturreferat, wo junge, auch schweizerische, „in München schaffende“ Theaterleute die Kritik der Älteren an den Casting-Ideen der Kulturpolitik zurückwiesen, die immer noch davon träumen, dass sich die Formulierung von Bedarf und Wünschen aus der Mitte der Künstlerschaft selbst heraus artikuliert als durch Amtsformalien und politische Steuerungsbereiche infrastrukturell hervorgebracht werden können: die Älteren habe man noch in den Listen der Berliner Volksbühne gelesen, so seien sie quasi Versager. Das kulturpolitisch liebdienende Bonmot jener Braven: „Wir wollen mehr Kuratoren!“

Der Hammer kommt aber erst jetzt: das internationale Festival mit internationaler Jury wird nur Leute in die Plattform aufnehmen dürfen, die sich „mit klarem Schweiz-Bezug“ zeigen können. Was soll dies nun? Geht es um in der Schweiz Studierende, Wohnende? So würde man in Deutschland „in Deutschland tätige“ formulieren. Oder geht es um Rütlischwur-Stoffe? Denn so wird „Schweiz-Bezug“ im kulturellen Kontext meist belegt. Selbst die Miss Helvetia führte die Absurdität dieses Begriffs vor, als sie sich ganz in weiß in Moskau im „Nationalkostüm“ zeigte: ein weißer Hauch von nichts, der allein im Winterbezug einen Link zum schweizerischen Wintersport hatte. Genügt es also, ggf. unbeschriebene weisse Papiere einzureichen? Oder Sprüngli-Schokolade? Es ist schon wieder zum Lachen, wie verklemmt die Schweizer Offizialkultur sich an einen unbestimmten Rechtsbegriff aufhängt, der in seiner Neutralität erst Recht dem Wahlplakat der SVP ähnelt, auf der ein weisses Schaf ein schwarzes Lamm von der Landesfahne kickt, was genauso verschämt deutlich „Ausländer-raus“ bedeutet. Warum der „Schweiz-Bezug“ in jener Ausschreibung vonnöten ist, weiss ich nicht genau. Vielleicht geht es um die Finanzierung durch nationale Stiftungen. Für ein internationales Festival wie die Münchener Biennale sollte der Ruf weltweit erfolgen. Oder traut man sich einfach noch nicht in die Öffentlichkeit? Es gibt ja Gerüchte, dass jetzt schon ausgewählte Künstler einiger Sparten, u.a. durch Isabel Mundry, sich trafen und eine Art operare während Spielart in hermetisch abgeschirmten Hallen durchführten – hauptsächlich mit Berlin-Bezug. Warum dann nicht ein globaler Aufruf? So riecht alles nach Hauptstadtprovinz.

Seien Sie älter als 35!
Dies ist die Botschaft der Ausschreibung des „1. Internationalen Opernpreises Braunschweig“. Neben dieser Grundbedingung soll man texten und komponieren, wozu man Lust hat. Nach einer Vorstufe mit Einreichung älterer Partituren und eines ausgearbeiteten Teils des eigenen Projektes winken stattliche 40000 Euro samt Uraufführung. Das ist nicht das Maximum, aber ordentlich. Wenn das Stück mind. 75, max. 120 dauern soll, ergäbe das einen ungefähren Schnitt von 95 Minuten. Setzt man mal wieder die alte Honorarrichtlinie des Komponistenverbandes aus 2004 an. Die Rede ist von max. 20 Musikern und 6 Sängern, so dass zwischen 3500-5000 Euro pro 10 Minuten zu verlangen wären. Aufgrund der Inflationsverluste sollte man die Höchstsummen dazu ansetzen, also 5000 Euro. Mit 95 Minuten sind also volle 100 Minuten als Multiplikator anzusetzen. Dies ergibt 50000 Euro. Da die Besetzung allerdings auch bei mehr als 12 belassen werden kann, die Dauer ja auch nur 75 Minuten sein kann, sind die 40000 Euro ein guter Mittelwert. Aber nicht vergessen: das sind bald 10 Jahre alte Zahlen. Der Wermutstropfen ist der Ausschluss von Tantiemen, womit der den schwarzen Peter abbekommt, der tatsächlich knapp 120 Minuten Musik für die grössere Besetzung schreibt. Es wird wohl an der Stoffwahl liegen. Denn das Maximum von 2 Stunden zu 5000 Euro pro 10 Minuten würde sogar 60000 Euro plus Tantiemen plus Kosten des Stimmmaterials, das wohl getragen wird, plus Reise- und Übernachtungskosten, womit wir bald bei 70000 Euro sein könnten, ohne Inflationsaufschlag seit 2004! Bleibt zudem die Frage, wie die Zwischenstufe vergütet wird oder volles Risiko für die da Ermittelten bedeutet. Dennoch ist dies als Wettbewerb für Opern derzeit einer der bestdotierten und für No-Names somit durchaus hinnehmbar. Und wie gesagt: seien Sie älter als 35 Jahre!

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Eine Antwort

  1. Alexandermund tut definitiv hier Wahrheit kund!