„Note Performer“ – Freud und Leid der Simulation

Mal was Praktisches:
Wir Komponisten schlagen uns ja oft mit dem Problem herum, dass wir aufgefordert werden, ein elektronisches Demo unserer akustisch komponierten Stücke zu liefern, was bei aussterbenden partiturspielfähigen Korrepetitoren, fehlendem Geld für Klavierauszüge und vor allem dem langsam schwindendem inneren Gehör von Dirigenten und Co. nicht wirklich verwundert.
MIDI-Simulationen begegnen wir natürlich auch im Kompositionsunterricht: wogegen sich zu alten Zeiten die Komponisitionsstudenten ums Klavier scharten, wo man meistens mehr schlecht als recht versuchte, alles irgendwie mit 10 Fingern darzustellen, wird heute ein Laptop aufgeklappt und es dröhnen blecherne und manchmal abstrus schreckliche MIDI-Sounds aus dem Kleinlautsprecher. Ersters war deutlich charmanter (und förderte das innere Hören!).

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Aber selbst wenn man noch in der Lage ist, seine eigene Musik gut auf dem Klavier darzustellen, bevor sie live gespielt wird, gibt es dann eben doch den Choreografen, der schon mit der Musik arbeiten will, bevor das Orchester sie einstudiert, oder den Regisseur, der einen „Eindruck“ bekommen will, Sänger, die ihre Partie nur noch mit CD lernen, Dirigenten, die zu wenig Zeit haben, sich die Noten allein zu erarbeiten. Und dann muss eine MIDI-Simulation z.B. des neuen Orchesterstücks her.

Im Filmmusikbereich wird inzwischen ein Großteil (vielleicht 95%) der Musik rein elektronisch produziert, nur noch selten verirrt sich ein Livemusikerchen in ein Aufnahmestudio. Die meisten Filmkomponisten besitzen teuerste Sample-Libraries und sind programmiertechnisch in der Lage, die Klänge zu erzeugen, die sie sich auch vorstellen. Das bedeutet oft mehr Arbeit als das Schreiben der Noten. Für E-Komponisten ist das allerdings nicht so praktisch – wer will sich schon Equipment für 50.000,-EUR kaufen, um einmal schnell ein Demo von etwas zu machen, was letztlich aber live gespielt oder gesungen werden soll? Von der Programmierarbeit mal abgesehen….

So nutzen die meisten von uns die Sample-Libraries der gängigen Notenprogramme, wobei sich vor allem „Sibelius“ immer als Vorreiter in dieser Richtung erwiesen hat und schon früh „humanizing“-Funktionen in die MIDI-Wiedergabe eingebaut hat, die auch Programmierlaien benutzen können. Dennoch stößt man mit den programminternen „Sibelius Sounds“ oft an Grenzen, dann muss man sich mühsam langweilige MIDI-Kommandos aus Fachbüchern zusammensuchen, um den Klang zu bekommen, den man will. Mich persönlich nerven solche Aktionen immer, denn letztlich ist das Demo ja immer nur ein erbärmliches Hilfsmittel, bis das Stück dann live gespielt wird. Andererseits will man natürlich auch nicht Komponisten MIDI madig machen, die es nutzen um ihr Orchesterstück z.B. mal eben hören können, wenn eine Aufführung einfach nicht ansteht.

Vor wenigen Tagen bekam ich eine Werbemail die auf ein neues Sampleprogramm speziell für Sibelius hinwies: „Note Performer“ von Wallander Instruments. „Sensationell realistische Wiedergabe“ hieß es da, und: „Das Programm denkt voraus wie es ein menschlicher Musiker tun würde“.
Nun war ich erst einmal skeptisch, dann aber von den Soundbeispielen auf der Seite nicht unüberzeugt. Mit knapp über 100,-EUR liegt das Programm auch durchaus im günstigeren Bereich der Sample Libraries. Da ich gerade dringend eine verbesserte Klangwiedergabe für meine Ballettproduktion in Gießen brauchte, habe ich es also besorgt. Die Installation könnte einfacher nicht sein: Das Programm erkennt automatisch die Sibelius zugeordneten Ordner und platziert alles an der richtigen Stelle. Alles in allem daurte die Installation exakt eine halbe Minute!
Wenn ich da an die Stunden denke, die ich mit „Garritan“ Sound-Libraries zugebracht habe (vor allem an die schrecklichen Aktivierungscodes), und die waren ja auch mal speziell auf Sibelius zugeschnitten….

Was kann „Note Performer“ nun? Zuerst einmal ist dies eine speziell für die Simulation von Orchester- und Ensemblemusik geeignete Library – sie besitzt leicht verbesserte Äquivalente zu allen von Sibelius an sich schon angbotenen Sounds. Und die Kontrabässe dürfen endlich auch mal ein tiefes H spielen! (Was bei Sibelius Sounds nur unter Anwendung einiger Programmiertricks möglich ist). So weit so gut. Was „Note Performer“ nun anders macht, ist das Einlesen und Umwandeln der Partitur in MIDI-Befehle. Tatsächlich ist das Programm – ähnlich wie ein menschlicher Musiker – immer ein wenig voraus, es liest also mit, wohin ein crescendo wirklich geht, ob ein Taktwechsel kommt, ein Accelerando oder ein Ritardando, und versucht eine Art „Übergangssimulation“. Dadurch werden zum Beispiel plötzliche fortes nicht so abgehackt wie bei Sibelius Sounds, plötzlich funktionieren auch fortepianos, Phrasierungsbögen klingen agogischer und vieles mehr. Ich arbeite erst sehr kurz mit dem Programm und fand sofort, dass es wesentlich mehr automatisch „richtig“ macht als Sibelius Sounds, und die vielen musikalischen Fachbegriffe wie sul ponticello oder tremolo wesentlich „natürlicher“ umsetzt. Woran man sich gewöhnen muss: bei der Noteneingabe sind die Töne sofort zu hören, beim Abspielen allerdings gibt es eine ganz leichte Verzögerung von um die eine Sekunde, eben weil das Programm „voraus“ liest. Das stört aber beim Arbeiten nicht wirklich.

Von mir bekommt das also eine absolute Kaufempfehlung, allerdings mit dem caveat, dass es nur für Komponisten Sinn macht, die Bedarf an akustischer Simulation von Musik ohne allzu viele spezielle Spieltechniken haben, sprich: Lachenmann und Ferneyough ließen sich nur schwer und unbefriedigend realisieren, Feldman, Andriessen oder Michael Gordon unbedingt. Für erstere ist dagegen eher dieses tolle Projekt interessant, das aber leider noch nicht für PC verfügbar ist (nur für Mac): con timbre, die Datenbank speziell für moderne Spieltechniken.

Und hier zum Vergleich zwei Beispiele, aus meinem Orchesterballett „Der Blick des Raben“ nach Edgar Allan Poe, „Mahlstrom“ (Ausschnitt).

Beispiel 1: Sibelius Sounds Grundeinstellung

Beispiel 2: nach der Installation von „Note Performer“

(Der Unterschied ist vor allem beim crescendo der Hörner zu hören).

Beide Beispiele wurden nicht programmiertechnisch manipuliert, sondern spielen die Partitur so wie notiert, also ohne zusätzliche Befehle. Arbeitsaufwand war in beiden Fällen gleich Null.

Natürlich ist das auch immer noch künstlich, aber doch deutlich erträglicher. Auf die perfekte Simulation müssen wir aber noch weiterhin warten.

Möge sie nie, nie kommen…..

Moritz Eggert

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18 Antworten

  1. Janosch Korell sagt:

    Irgendwann werden die ganzen schönen Technologieunternehmen leider ihren Markt zerstört haben, da die Menschheit nun unter der vollständigen musikalischen Demenz leidet, die ja heute schon sehr stark bemerkbar ist.

    Dass Technologie einmal nur die Verlängerung des Menschen ist und keine Seele besitzt, scheint in der Industrie ja keinen Halt davor gemacht zu haben im Sinne der Steigerung der Produktivität, Menschen einzusparen wo es nur geht.

    Dass dies dann in die Musik nun hereingeschwappt ist, technikverliebte schlechte Komponisten, die ohne Idealismus und ihren billigen „Sequenzer“ Produktionen den Auftraggebern in den Arsch gekrochen sind, haben nun weitesgehend die Musikwelt verpestet. Filmmusik und Popmusik ist nur noch ein re re re re re produzierter Brei, bei der die künstlerische Vielfalt und die Freiheit der Kunst ausgelöscht worden ist.

    Schlimm finde ich es, dass es auch bei „E“ Musik soweit ist wiederum Faulheit, Inkompetenz und Einfaltslosigkeit (seitens der Auftraggeber) durch Technologie zu kompensieren. Man gibt quasi geistige Arbeit ab.

    Interessant ist sich mal folgendes vorzustellen: Anstelle, dass man lernt, seinen wohl leistungsfähigen Bio-Computer, das Gehirn, zu bilden, schwelgt man sich in Faulheit, akzeptiert die Inkompetenz und versucht dann mit billigen 3 GHz -Rechner diese fehlende geistige Leistung zu kompensieren. Dass das auf Dauer zum Abbau von musikalischen Fähigkeiten führt, sowohl bei dem Menschen, insbesondere bei Komponisten, die gar nicht mehr Noten schreiben und bei den Auftraggeber, die kein Vorstellungsvermögen mehr haben und letztendlich bei der Menschenheit, somit ein Kulturabbau, ist das nicht vorprogrammiert?

    Findet nicht durch die Auslagerung von geistiger Arbeit in der Popular/Filmmusik nicht auch eine Rezession statt und keine Progression?

    Ist es nicht wahnhaft, wie technikverliebt alle sind, als dass man als Mensch einfach mal mit einander redet und kommuniziert? Aber dafür hat man ja heute keine Zeit mehr…

  2. Was soll ich sagen – Du hast Recht. Nur leider kann man die Uhr nicht zurückdrehen, und man muss – wie immer bei durch Technik verursachten Veränderungen – das Beste draus machen. Ich persönlich bin allerdings tatsächlich froh, noch „old school“ ausgebildet und durch die Nutzung von Noten- und anderen Hilfsprogrammen nicht grundsätzlich geschädigt worden zu sein…

  3. Wer Komponist werden will, sollte gnadenlos erstmal auf Papier schreiben, auch als Student! Für spätere professionelle Produktionsprozesse ist ein rechnergestützt erstelltes Werk eine ganz andere Sache. Am Anfang muss aber die Auseinandersetzung mit dem Papier stehen. Denn hier kann man am Besten wild radieren, durchstreichen, ohne x-fach auszudrucken auch mal 50 Seiten nebeneinanderlegen, vertauschen, mit der Schere zerschnipseln. Direjte Haptik ist angesagt. Denn Komponieren ist eben erstmal keine Wissenschaft, sondern ein Handwerk, wie letztlich jedes Instrument auch analogen Handbetrieb erfordert. Was Laien-Komponisten sofort am Rechner erledigen, entbindet den Profi noch lange nicht von konservativen Herangehensweisen. Ein Schwank aus meinem Musikerleben: als ich begann, Note neben Note zu setzen, benutzte ich den 70ern alte Notenhefte meines Vaters aus den 50ern, übermalte seine Studieninventionen bzw. kritzelte eigene Noten daneben auf den bräunlich, gelblich vergilbenden Notenblättern. Wobei ich heute weißes, neues Notenpapier auch zulassen würde ;-) Handbetrieb hat noch niemand geschadet. Im Gegenteil ist dies der Einlaßschein in richtiges Komponieren! Denn erst wer kreativ mit dem Papier zu Rande kommt, kann auch subversive Kreativität am Rechner beweisen, sich eigene Notationsstrategien, Kompositionswege zurechtlegen, ohne in den Präliminarien des Programmes hängen zu bleiben, so weitgehend die sein mögen. Wenn man diese unterlaufen kann, mit dem Wissen konservativen Schreibens, beginnt wirklich was Eigenes. Alles andere ist von einem Niveau wie das Gelaber von Firmen in Bereitstellung moderner Arbeitsplätze. Erst die Holzgeige, dann die E- oder Midi-Violine. Punktum!

  4. knopfspiel sagt:

    Ich erlaube mir mal, als Vertreter einer jüngeren Generation meinen Senf dazuzugeben.

    Das mit dem „gnadenlos auf Papier schreiben“ gibts heute eh nicht mehr. Ich finde es unsinnig. Papier ist als Medium nicht besser oder schlechter zum Notieren geeignet als digitale Notenlinien. Allerdings mit der Einschränkung, dass viele Notenschreibprogramme die Eingabe erheblich einschränken. Das ist die Schuld einzelner Programme, nicht der Technik an sich.

    Was die „Seelenlosigkeit“ der Technik betrifft, das halte ich für Humbug. Papier ist genauso seelenlos. Handschrift ist auch Technik.

    Ich bin als Komponist mit einem Notenschreibprogramm und MIDI großgeworden – ich habe mit elf Jahren angefangen, mit Capella zu komponieren, und ich betrachte diese Übungen jetzt noch als ausgesprochen wertvoll. Es ist auch nicht so, dass sich dadurch das Innere Hören verschlechtert hätte – ganz im Gegenteil! Es wurde dadurch stetig trainiert, weil der Rechner sofort eine Rückmeldung gibt, auf jede Eingabe. Trial und Error mag zwar primitiv sein, ist aber ungeheuer effektiv, wenn es darum geht, die Fähigkeit, Akkorde fehlerfrei auf Anhieb richtig zu notieren.

    Soviel dazu. Ich muss aber sagen, dass mir die Entwicklung, Notenschreibprogramme immer weiter mit besseren Abspielmodi aufzumotzen, nicht wirklich gefällt. Denn damit wird nur die eingestaubte Musiknotation des 19.Jhdts weiter zementiert, indem man sie versucht algorithmisch nachzustellen. Und effektiv nimmt man damit den Komponisten erst recht wieder die Kontrolle. Mir ist lieber, wenn das Programm ganz genau das spielt, was in den Noten steht, und sei es noch so „unmusikalisch“. Die Unmusikalität liegt ja eigentlich in der Ungenauigkeit der herkömmlichen Notation begründet. Die wiederum ist für die Interpreten wichtig…

    Man kann alle Bereiche voneinander trennen, aber auch neu zusammensetzen. Als Komponist abhängig sein von Technik ist dumm – wir haben das Innere Hören zu kultivieren. Abhängig zu sein von Interpreten und Besetzungen ist auch dumm – daher suche ich nach möglichst vielen Möglichkeiten, Ton zu erzeugen, gemäß meiner Vorstellung – was Abspielalgorithmen von Notensatzprogrammen jedoch tun, ist, die momentan vorherrschenden Klänge noch einmal weiterzuzementieren.

  5. Willi Vogl sagt:

    Notenschreibprogramme ersetzen weder die eigene Fantasie noch das innere Hören. Auch Erfahrungswerte durch eigenes Musizieren am akustischen Instrument und das damit erworbene handwerkliche Wissen werden damit nicht überflüssig. Richtig eingesetzt können Notenschreibprogramme als „elektronische Bleistifte“ alle diese Bereiche befördern, ergänzen und beschleunigen.

  6. angleichung von papier/rechner. da gibt es ja genügend ansätze, angefangen von hauchdünnen, biegsamen monitorexperimenten bis zu all den schreib-, zeichenpads über all die notenerkennungsscan-programme. die direkten vorgaben eines schreibprogrammes sind aber heute auch seine schwächen, wie knopfspiel schrieb. das problem ist, dass programme viele facetten erfüllen sollen: einerseits möglichst standardisiert für gewisse gebräuche, nischen, zu sein, andererseits möglichst viele nischen umfassen, s. all die jazzfonts bei finale, das ich nutze, bis hin zu schnittstellen mit ircam-programmen. dann all die musiktheorie-lerntools, etc. zum teil ja wunderbar, ja, und wenn man eher über den rechner als seine langsamen klavierhände hörende kontrolle will, dann haben die richtung keyboardeinspielung, audiodesign gehenden bestandteile solcher programme auch wieder ihre vorteile. ich behaupte allerdings, dass für das erlernen eines möglichst weiten eigenen kreativitätsspektrum diese programme wenig taugen, gerade z.b. wegen der erweiterungen. man setzt z.b. selbst gefundene fonts ein, man erstellt eigene zeichen, man bekommt sogar mikrotonale audiodarstellungen zustande. dabei muss man allerdings weit in den innereien des prgrammes, manchen programmes rumdrehen. wobei dies nicht wirklich schwierig sein muss. besser wäre allerdings, man könnte die verschiedenen komponenten selbst zusammenschieben, analog z.b. zu maxmsp. ja, und so sagt man wohl, wird das alles bereits hier und da schon machbar sein. im prinzip erlernt man so musik aber über die grossen oder kleinen möglichkeiten des programmierens und nicht des originären schreibens, den direkten ritzenden und selbst löschenden kontakt mit griffel und schreibpapier.

    ich sehe es so, und versuchte es zu untermauern: man lernt ein instrument ja auch erst langsam kennen, jahrelang. man bekommt es in finger und ohren. man schraubt am klang, am spielstil in verschiedenste richtungen herum, wenn man beim streicher z.b. linke und rechte handtechniken beherrscht sowie auf entdeckungsreise an verfremdung geht. dem sind natürlich durch den bau des instruments auch wieder grenzen gesetzt. aber es passieren andere merkwürdigkeiten: je nach erlerntem instrument stellt man sich z.b. intervalle abstrakt innerlich hörend, auf dem papier vor dem inneren auge stehend und in der hand als netten bis weit schmerzhaften griff vor. man kombiniert relativ bewusst oder unbewusst die erlernte spieltechniken mit den unterschiedlichen metiers zu einem eigenem umgang mit den kulturtechniken, der quasi cyberartig direkt im hirn durch das haptische erlernen erfolgen kann. so ähnlich wie für den instrumentalisten verhält es sich mit instrument als korrektor, papier und stift: man erlernt mit relativ einfach und schnell erlernbaren techniken der notation den eigenen umgang damit, verlässt sich in bereichen auf erlerntes, geht woanders weit darüber hinaus bzw. absorbiert dann im selbststudium, nach dem das studieren im studium oder auf anderen autodidaktischen wegen auch erlernt wurd, diese vorgaben mit diesen doch einfachen kulturtechniken, die genauso körper und medien zusammenbringen.

    und ich sage: wenn man auf diesem wege lernte, was man am ende eines schreibprozesses will, dann fängt ein rechner an, immens sinn zu machen, vereinfacht er schlichtweg die produktion und kann das ergebnis lesbarer und einfacher versendbarer, durch andere weiter zu bearbeiten machen, als der „papierkrieg“ von hand. von der warte aus aber macht es auch sinn, die vorgaben eines schreib-audio-etc.-programmes, also den von mir so wahrgenommenen monstren, zu beeinflussen und bei entspr. programmierkenntnissen sogar sein eigenes schreibprogrämmchen zu erschaffen, wo man dann selbst notenzeilen und all die anderen ereignisse anders darstellt. mir fiele da z.b. johannes‘ coit ein, womit er irgendwie die darstellung von midizeittabellen und die idee der fonts in eigene zeichen und zeitpfeiltabellen umsetzte. davor steht selbst bei ihm als digital native die analoge ausbildung, macht ihn zum kreativen in beiden bereichen.

    natürlich lässt sich auch anders komponieren: im sinne des sounddesigns mit konkreten samples und deren manipulation, mit eingeklimperten midis, im sinne des programmierens. wenn es um komponieren im sinne von tönen als notat auf fünf oder mehr zeilen geht, ist der analoge weg der einstieg, um im digitalen die potentiale dieser alten technik anwenden zu können. zudem: selbst wenn man weiss, was man will und dies am rechner eintippt, einspielt, im untergrund umstellt, umprogrammiert, beeinflussen dessen grenzen dann doch wieder bei längerem umgang das eigene schreiben, das vom händischen kommt. und schränkt es irgendwie wieder ein bzw. klingt auf lange zeit angewandt anders als dieses, eher einschränkend als wirklich erweiternd. erweiterung hole ich mir dann v.a. über sounddesignliches. oder über die vorübergehende rückkehr zu stift und papier.

    also nochmals: um die dinge später einmal sinnvoll kombinieren, also komponieren im eigentlichen sinne, zu können, muss man sie erst mal getrennt erlernen: umgang mit instrumenten, egal ob analoger oder digitaler natur – denn ein rechner ersetzt auch keine e-gitarre in den händen – , die in vielen generationen entwickelten schreibtechniken direkt mit hand und hirn am papier, den umgang mit rechnern und ihren programmen, den umgang mit jetztzeitlichen kompositionstechniken wie das sounddesign, die elektronische komposition. ja, man sollte in all den fächern die studenten auch in der getrennten art drangsalieren. und dann im weiteren verlauf die kombination dieser techniken. das wäre am effektivsten. und ein prof. sollte sibelius oder was auch immer für notationsfiles erstmal verbieten, wie er mit vielen engelszungen andere dinge nicht direkt verbietet, aber als aufgabe einschränkt, auf interessanteres ästhetisches können hinbugsiert, etc. später dann erst die rechnerarbeit als addendum der berufspraxis. denn wie musiktheorie aufbauend erlernt wird, ja, an einer hochschule, so muss das schreiben an sich erlernt werden. denn noten sind eben nicht nur buchstaben, sie sind zeichen, die gerade im bereich der neuen musik von jedem und jeder weiterverändert eingesetzt werden können und irgendwie auch sollen. denn nur so ist es eine umfassende ausbildung. toleranz vor dem rechner von anfang an ist falsch. oder man unterrichtet letztlich ein anderes fach als komposition…

  7. Franz Kaern sagt:

    Mal was ganz Anderes: Die Hörbeispielausschnitte aus Ihrem Ballett, Herr Eggert, machen sehr viel Appetit auf mehr! Lustvolle Musik!

  8. tom sora sagt:

    Hallo Moritz, beim Lesen Deines Beitrags und der angeschlossenen Kommentare habe ich mir diese Fragen gestellt: Warum dieses Lob auf die

    „old school“

    (Kommentar Moritz Eggert) und die

    „konservativen Herangehensweisen“

    (Kommentar Alexander Strauch)? Warum ist es schade, dass

    „man die Uhr nicht zurückdrehen“

    kann und wieso sollte man durch Notensatz-Programme mit Play-Funktion

    „geschädigt“

    (Kommentar Moritz Eggert) werden?

    Und dann verstehe ich auch gar nicht, warum Du Dir wünscht, dass

    „die perfekte Simulation“ „nie, nie kommen möge.“

    Warum eigentlich sollte sie nie kommen sollen? Wem schadet sie? Warum diese Ablehnung der Technik? Wieso sollten Notensatz-Programme schädigend sein können? Es sind ja nur harmlose Schreibhilfen.

    Du beklagst Dich, dass Dir Klang-Demos Deiner Stücke von Interpreten/Dirigenten mit

    „schwindendem inneren Gehör“

    verlangt werden. Ich fände es im Gegenteil toll, wenn mehr Interpreten den Wunsch hätten, solche Demos zu hören. Das zeugt von Interesse ihrerseits. Meine Erfahrung ist jedoch eher, dass Interpreten gar keine Klang-Demos aus dem Computer wollen, weil sie die Stücke sozusagen „von innen heraus“ üben und erstmals technische Lösungen für die verschiedenen Passagen suchen. Und danach haben sie ganz einfach keine Lust sich die Computersimulationen der Komponisten anzuhören.

    Und dann habe ich mich auch gefragt, warum Alexander so apodiktisch behauptet, dass

    „am Anfang … die Auseinandersetzung mit dem Papier stehen“

    muss. Hier bin ich einer Meinung mit knopfspiel :

    „Papier ist als Medium nicht besser oder schlechter zum Notieren geeignet als digitale Notenlinien.“

    Meine vielen Fragen lasse ich erstmal offen. Aber ich persönlich finde, dass Computer-Midi-Simulationen von Kompositionen sehr nützlich sind, um den Interpreten eine schnelle Vorstellung von den neuen Stücken geben. Ausserdem finde ich, dass man sehr wohl als Anfänger gleich ein anderes Notations-Medium verwenden kann – wichtig ist, dass

    „die eigene Fantasie“ und „das innere Hören“

    (Kommentar Willi Vogl) den Ton angeben.

  9. Lieber Tom, „das korporal Haptische“! Habe es ja lange ausgebreitet, wie ich mir die Wechselwirkung und den Abfolge von manuell zu digital vorstelle, über die Hand und das Papier Komponieren direkt in die Sensorik des menschlichen Körpers und dessen Vorstellungskraft eindringt. Für den zeitgemäßen Produktionsprozess wird man allemal schnell auf den Rechner kommen, wobei andre Lösungen auch immer denkbar wären, wie z.B. dem Verbleib bei der Handschrift oder einer beidseitigen Abwechslung von Hand auf Papier und Notensatz am Rechner, etcpp. Kann nur von mir und etlichen Kollegen sagen, dass basal von Hand Geschriebenes doch was Anderes als das am Rechner komponierte ist, was in der Natur oder besser den Begrenzungen der Medien liegen kann. Die bei jeder Art hervorgebrachten Stücke können davon unabhängig besser oder schlechter sein. Allerdings kann das Manuelle, das Direkt-Stoffliche, „skills“ bereitstellen, die man am Rechner nie kennenlernen dürfte, eben durchaus bewährte „Kulturtechniken“, na, „Handwerkstechniken“. Oder mal unterstellend von mir auf Dich bezogen: das Stechen von Tonverläufen auf Lochkarten ist doch was Anderes als dies nur am Rechner zu programmieren, mag auch die Vorplanung da erfolgen. Der Rückschluss von der Lochkarte zur Soundkarte und ihrer Midischnittstelle dürfte durchaus bei genauerer Beobachtung den Horizont beträchtlich erweitern als bliebe es bei der Beschäftigung am solitären Monitor. Ausserdem ein kleiner Hinweis auf all die „Pads“: man versucht ja schon länger das „paper-feeling“ mit dem digitalen Notensatz direkt zu korrelieren. Letztlich muss es jeder für sich selbst entscheiden. Dennoch bin ich zu 110% der Auffassung, dass ein waschechter Komponist dann am ehesten sehr gut ausgebildet ist, wenn er analog wie digital genauso beherrscht, in seiner Kreativität vom einem auf das andere und umgekehrt schliessen kann. Für das Metier der kommerziellen Musik mag der Rechner reichen. Für notierte Kunstmusik reicht er niemals ganz aus, wenn das ganze Spektrum schöpferischen Tuns erfasst sein will. Wer natürlich elektronisch oder aus Aufnahmen seine Musik schöpft, kann auch ohne diese Notationsformen auskommen. Nur glaube ich selbst da, dass die Erfahrung z.B. von Schneiden mit Magnetband vielmehr über das Wesen des gesamten Genres als die besten Onlineartikel und Simulationen, Emulationen erzählt. Oder ganz expressiv: wehe dem Lehrer, der seinen Studienanfängern von Anfang digitalen Notensatz durchgehen lässt. Das ist falschverstandene Toleranz und Technikgläubigkeit. Erst das manuelle Kyrie, dann das industrielle Gloria, gefolgt vom digitalen Credo. Dann erst sind die Sanctus-Rufe der umfassenden Ausbildung zulässig…

  10. Strieder sagt:

    @All … da darf ich „als Vertreter einer jüngeren Generation“ noch mehr Senf draufknallen! ;)

    Ich fände es im Gegenteil toll, wenn mehr Interpreten den Wunsch hätten, solche Demos zu hören. Das zeugt von Interesse ihrerseits. Meine Erfahrung ist jedoch eher, dass Interpreten gar keine Klang-Demos aus dem Computer wollen, weil sie die Stücke sozusagen “von innen heraus” üben und erstmals technische Lösungen für die verschiedenen Passagen suchen. Und danach haben sie ganz einfach keine Lust sich die Computersimulationen der Komponisten anzuhören.

    Warum sollte ein Instrumentalist Interesse daran haben sich sowas anzuhören, wenn Du mit Deiner Computersimulation Dein DESINTERESSE an den Interpreten demonstrierst!?

    Niemand will sich sowas anhören – weil das Stück dann einfach Mist klingt! Und wer will schon Mist spielen? Deshalb wollen Interpreten die Partitur, nicht zum „üben“(!?), sondern weil sie sich dann die ganze Musik vorstellen können. Und in ihrem Kopf klingt es dann natürlich nicht wie eine Computersimulation, sondern ECHT.

    Das Gedudel vom Computer ist eben auch völlig unrealistisch – z.B. Bläser mit unbegrenztem Atem und drei Händen (extra zum Umblättern!) …

    Desweiteren verführen Computerklänge dazu so zu komponieren, das es trotzdem halbwegs gut klingt – und spart damit unendliche Möglichkeiten aus, die bei den Samples (oder was auch immer) schlecht klingen, bei echten Interpreten aber saugeil.

    (Für mich bringt’s eh alles nichts … Vierteltöne werden nicht abgespielt geschweigedenn von Achteltönen, von mir gerade erfundene Spieltechniken sowieso nicht …)

    Viele Grüsse!

  11. Strieder sagt:

    fuck, das Zitat von „tom sora“ in meinem Text oben sieht trotz „blockquote“ so aus, als hätte ich es geschrieben. Editieren lässt sich mein Beitrag auch nicht.

  12. tom sora sagt:

    Hallo @strieder, warum so ein agressiver Ton ?
    Ich hätte trotzdem eine Frage:

    Auf was beziehst Du Dich denn konkret in Deinem Kommentar? Sind Deine Behauptungen ganz allgemein oder denkst Du konkret an jemanden, wenn Du schreibst, dass :
    „Du mit Deiner Computersimulation Dein DESINTERESSE an den Interpreten demonstrierst“?

  13. Strieder sagt:

    @tom sora: Meine Feststellungen sind ganz allgemein an all‘ jene gerichtet, welche Computersimulationen an Instrumentalisten schicken.

  14. Also ich bin Komponist für Theater, Konzerte…. und versuche auch in Richtung Medienkomposition (sprich Sample Libraries und Sequenzer usw…) voranzukommen.
    Ich kann nur sagen, dass ich heilfroh bin, meine Kompositionen mit der Hilfe des Computers an den Mann bringen zu können.
    Das Herumgejammere vieler Kollegen hinsichtlich der verlorenen guten alten Zeit kann ich nicht nachvollziehen.
    Ich hätte in unserer schnelllebigen Zeit niemals so viel als Komponist zu tun, wenn ich nicht die technische Krücke verwenden würde. Ich nutze vor allem die teuren Samplelibraries (VSL, EWQL, Eduardo Tarilontes Bibliotheken: Era, Forest Kingdom2, Epic World, Shevannai…) um meine musikalischen Visionen mitzuteilen. Da ergeben sich Ensemblebesetzungen, welche in Wahrheit nicht selten an die 200-300 Mann benötigen würden! Also meine lieben Kollegen und Kolleginnen: Kopf hoch! ich bin auch ein Komponist der alten Schule und ich liebe es trotzdem mit der Zeit zu gehen und die Technik zu meinen Bedingungen zu nutzen. Ich bin auch Dirigent und dirigiere 3 – 4 Theater-Premieren und an die 30 Konzerte in einer(!) Saison. Wie wäre es mal, die Technik in Form von Zuspielungen mit dem echten Orchestersound zu verbinden???
    Ich kann nur sagen: Da tun sich Möglichkeiten für uns auf, von denen ein Herr Richard Wagner heutzutage begeistert wäre und sie auch sicher nutzen würde!
    Denn: Was wollten denn immer alle Komponisten???: DEN PERFEKTEN SOUND!!!!!!
    Also ich wünsche euch allen viel Spaß und Begeisterung bei der Arbeit!!!
    Liebe Grüße, Oliver Ostermann (1. Kapellmeister der Bühne Baden/ Wien, Komponist & Arrangeur)

  15. Mathias Richter sagt:

    Lieber Herr Eggert,
    haben Sie vielen Dank für den informativen Testbericht.
    Ich beabsichtige seit längerem, von Finale auf Sibelius zu wechseln. Die Qualität und die gewaltige Datenmenge der Sibelius Sounds hat mich bislang davon abgehalten.
    Einige technische Fragen hätte ich noch, wenn’s gestattet ist. Vielleicht können Sie oder andere Nutzer mir ein paar Tipps geben.
    Wenn ich das richtig verstehe, erwirbt man eine Lizenz zum Download des Produktes. Ist das korrekt oder gibt es auch die Möglichkeit, eine DVD zu erwerben?
    Kann ich Note Performer als Ersatz für die Sibelius Sounds verwenden, so dass ich diese erst gar nicht installieren muss? (Meine SSD gibt nämlich nicht so viel freien Speicherplatz her.)
    Gibt es eine bevorzugte Seite zum Erwerb? Wenn ich von der Herstellerseite bestelle, bezahle ich $ 129, damit läge ich deutlich unter der für Deutschland geltenden unverbindlichen Preisempfehlung von 119 Euro.
    Mit besten Grüßen
    Mathias Richter

  16. Oliver sagt:

    Hallo Herr Richter!
    Meines Wissens sollte es kein Problem sein, die Sibeliussounds wegzulassen! Noteperformer wird ständig ausgebaut. Deshalb hat man Alles zur Verfügung!
    Die DVD betreffend: Noteperformer ist ein Downloadprodukt (1,5 GB) und sehr überschaubar in der Datenmenge. Da es ständig tolle Updates gibt, wäre eine DVD-Version auch nicht sinnvoll. Ich kopiere mir allerdings immer die aktuelle Version auf eine DVD, oder einen USB-Stick. Der Support bei Wallander Instruments ist auch immer sehr entgegenkommend und man kann sich bei allen Fragen und Problemen in sicheren Händen wissen. Was den Erwerb betrifft, kann ich auch folgendes empfehlen: unter http://www.bestservice.de können sie Noteperformer um 119€ erwerben. Sie bekommen dann einen Downloadlink und können dann das Produkt bei Wallanderinstruments herunterladen. Sie können auch direkt bei Wallander Instruments einkaufen! LG Oliver Ostermann

  17. Mathias Richter sagt:

    Haben Sie vielen Dank, Herr Ostermann! Moritz Eggert und Sie haben mich überzeugt.

    Da m3c gerade ein Sibelius 7 Crossgrade für 159 Euro anbietet, habe ich mal zugeschlagen.

    Ich bin seit Jahren eifriger Leser des Bad Blog, halte mich mit Kommentaren aber zurück. Ich genieße das intellektuelle Niveau, auf dem hier diskutiert wird, empfinde es aber gelegentlich etwas einschüchternd. Ich möchte trotzdem mal ein Dankeschön an die Blogger loswerden für die stets anregenden Postings. Man merkt, dass da eine Menge Energie reingesteckt wird.