Sinnvolle Ausgaben. Sommerlochtagebuch 6.

Heute in der Tagesschau-App: ein Bericht über die Premiere von Harry Partchs Oper „Delusion Of The Fury“, die gerade bei der Ruhrtriennale Premiere hatte. Das kurze Video ist schon erstaunlich tendenziös und geilt sich an Dingen auf, die der „normale“ Tagesschauappnutzer (wer ist das überhaupt?) possierlich findet: Ruhrtriennale Intendant Goebbels darf Johnny Depp zitieren und Meisterschlagzeuger Thomas Meixner erzählt von den Gläsern aus seiner Stammcocktailbar, die er zum Instrument umgebaut hat. Von der Musik hört man wenig, aber die besteht natürlich aus „schrägen Tönen“, die auch im Titel des Beitrags erwähnt werden.

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Wenn ich noch einmal den Begriff „schräge Töne“ höre, muss ich kotzen. Was ist das überhaupt, ein „schräger Ton“? Gibt es das überhaupt? Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie einen schrägen Ton gehört, allerdings durchaus zu laute und vor allem sehr viel langweilige weil absolut vorhersehbare Töne. Aber ich schweife ab.

Es ist kein Geheimnis, dass ich Partchs Musik wegen ihrer bedingungslosen Eigenwilligkeit sehr schätze, und ich würde „Delusion Of The Fury“ wahnsinnig gerne sehen und finde es ein schönes Projekt. nicht so aber Tagesschauappkommentator (wunderbar wie man auf Deutsch solche Worte bilden kann) „DeHahn“ (doch nicht Du, Patrick? Aufgrund des Inhalts unwahrscheinlich, denn der lautet so:)

„Es ist erstaunlich, dass man dafür Geld hat. Für die neue „Oper“ wurden sogar 60 Instrumente neu gebaut. Ehrlich gesagt, mir kommt es so vor, als wenn die Barone von Münchhausen immer selbstgeiler werden und die „Macher“ solcher Festivals sich in deren Abglanz baden.“

An diesem Kommentar ist so viel verwerflich, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Mal angefangen bei der Tatsache, dass sich Harry Partch zu Lebzeiten sämtliche seiner Instrumente allein zusammengebaut hat und dafür keinerlei öffentliche Gelder bekam, dass man eine solche Beschäftigung nun weder mit „Selbstgeilheit“ noch mit dem guten Baron von Münchhausen in Verbindung bringen kann, und zwar weder sprachlich sinnvoll noch begründbar, noch dass es Heiner Goebbels nötig hat, sich im Abglanz davon zu „baden“. Das Schlimmste aber sind die ersten beiden Sätze, in denen das typische, inzwischen fast schon reflexartig wiederholte Arschloch-Gestammel über falsch verwendete Steuergelder für Kultur aufblitzt. Da wurden also 60 Instrumente gebaut, und dafür wurde Geld ausgegeben, für eine „Oper“ in Anführungszeichen, ogottogott, das ist doch „sinnlos“.

Sinnvoll dagegen ist es, das Vielfache an Steuergeldern auzugeben für:

– dubiose Drohnenprogramme die dann in den Mülleimer kommen
– nie fertig gestellte Autobahnbrücken, die irgendwo sinnlos in der Gegend herumstehen
– veraltete Energietechnologien, die noch jahrtausendelang die Umwelt vergiften werden
– marode Banken, die sich selber in die Scheiße geritten haben
– die insolvente Nürburgring GmbH
– die Tabakforschung in Baden-Württemberg (kein Witz)
– Reinhold Beckmann
usw. und so fort…

All das ist natürlich viel „sinnvoller“ als 60 Musikinstrumente zu bauen und die Welt ein bisschen schöner zu machen.

In diesem Sinne,
Moritz Eggert

Harry Partch: Delusion of the Fury. Foto: Betty Freeman: Lebrecht Music & Arts Harry Partch: Delusion of the Fury. Foto: Betty Freeman: Lebrecht Music & Arts

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Eine Antwort

  1. PONADER sagt:

    … anders kann darüber nicht schreiben! BRAVO!!