Wir bauen ab

Wir bauen ab.

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Die Gründe dafür sind vielfältig. Die Finanzkrise. Die Jahrhundertflut. Die Jahrtausendflut. Die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus. Es ist eigentlich ziemlich egal, was passiert, ob Außerirdische landen oder Hitlers Tagebücher noch einmal gefunden werden, unsere Antwort darauf wäre immer: „Es muss gespart werden“.

Und um zu sparen, müssen wir anderswo abbauen, das ist schonmal klar.

Eigentlich geht es uns gut. Wir sind eines der reichsten Länder der Welt, zum Teil auf Kosten anderer, aber egal, irgendeinem geht es immer besser, irgendeinem immer schlechter. Man beneidet uns weltweit: um unsere schönen Autobahnen, auf denen Löcher noch repariert werden. Um unsere ehrlichen Bürger, die mieten und nur selten kaufen, und daher auch keine Kreditblasen erzeugen. Um unsere relativ unkorrumpierbaren Beamten. Aber vor allem auch um unsere Kultur und unsere Bildung: unsere Opernhäuser, unsere Theater, unsere Museen, unsere Akademien, unsere Universitäten. All dies war unseren Altvorderen einmal wichtig gewesen, und sie haben Stein auf Stein gesetzt um diesen ihnen wichtigen Dingen ein Haus zu geben: dem Humanismus, den Künsten, der Bildung. Oder auch: Dem Wahren, Schönen, Guten. Was heute nur so abgedroschen klingt, weil vergessen wurde, was es eigentlich mal bedeutet hat. Weil dennoch Kriege geführt und schreckliche Verbrechen begangen wurden.

Vielleicht könnte einer sagen: Medizin ist doch auch nicht ohne Wert, nur weil sie nicht immer vor Krankheit schützt.
Aber da hören wir nicht drauf. Wir haben nun neue Werte, und diese Werte sind nicht mehr ideell, sie sind materiell. Wertvoll ist etwas nur, wenn es finanziellen Wert erzeugt. Es muss sich rechnen.
Und das ist unser Mantra: Es muss sich stets und unentwegt rechnen.

Wir führen lange und immer länger werdende Listen: Wo etwas fehlt, wo etwas eingespart werden könnte. Am Ende dieser langen Rechnungen steht eine Zahl, und diese Zahl ist unser Gott. Dieser Zahl müssen wir wie einem Götzen das opfern, was sich nicht in Zahlen messen und nicht in Zahlen bewerten lässt. Und das ist so ziemlich alles Andere. Alles, was das Leben ausmacht, das Leben lebenswert macht, nicht in einen Profit umgerechnet werden kann.
Erfahrungen.
Staunen.
Erlebnisse.
Unbenennbares.
Einsichten.
Entrückungen.
Epiphanien.
All dies kann gibt keinen Profit, ist nicht greifbar.
Daher ist es uns nichts mehr wert.

Daher schicken wir Unternehmensberater zu den Orchestern, die dann – wenig überraschend – feststellen dass Töne, Klänge und das Erleben derselben keinen direkten Profit bringen. Was dann bedeutet, dass wir dieses Orchester abbauen müssen.
Und wenn das Orchester dann abgebaut und abgewickelt ist, gehen wir zu den Hochschulen, die die Musiker ausgebildet haben, die in dem abgebauten Orchester gespielt haben. Dann sagen wir dieser Hochschule – nennen wir sie Trossingen, oder Mannheim, oder wie auch immer – dass wir sie jetzt nicht mehr brauchen, da wir ja jetzt auch nicht mehr die ganzen Musiker brauchen, die früher in dem Orchester gespielt haben das es nun nicht mehr gibt. Weil wir es abgebaut haben. Diesen Vorgang kann man so lange wiederholen, bis es gar keine Hochschulen mehr gibt, und auch gar keine Orchester mehr, bis alles eingespart wurde.
Was wir mit all dem Eingesparten anstellen? Wir wissen es nicht. Wir denken nicht darüber nach, denn auch die Grauen Herren in „Momo“ wissen nicht so wirklich, was sie mit all der ersparten Zeit einmal machen wollen. Hauptsache sie haben sie gespart. .

Und so machen wir immer weiter, und als Vorwand benutzen wir dann, dass es ja eigentlich um „Qualitätssteigerung“ ginge. Was ungefähr so sinnvoll ist wie die Behauptung, dass möglichst wenig Konkurrenz die Qualität unserer Fußballspieler steigern würde. Aber niemand merkt das, denn das Wort „Qualitätssteigerung“ klingt erst einmal irgendwie beeindruckend. Auf jeden Fall besser als der Begriff „Abholzen“, der eigentlich richtig wäre. Und niemand merkt, dass wir nicht nur Kultur abholzen, sondern auch die Qualität derselben. Und die Lebensqualität gleich mit.

Aber egal, denn es ist einfach unser Mantra: Es muss stets und unentwegt gespart werden.

Immer weiter sparen.
Wir könnten ja irgendwann einmal nicht mehr die Besten sein, nicht mehr der europäische Klassenprimus. Wir müssen vorsorgen, so wie das schlaue Schweinchen in der Geschichte, das sein Haus aus Steinen baut.
Dieses Schweinchen ist ganz bestimmt ein gutes deutsches Schweinchen.

Wir müssen uns an der internationalen Konkurrenz messen. An den USA. An China. An Russland. In dieser Konkurrenz geht es vor allem darum, das meiste Geld von allen zu verdienen. Hierzu muss man gezielt abbauen, damit nicht etwa Geld verschwendet wird. Der Verkauf von Panzern, von Flugzeugen, von U-Booten – das bringt eine Menge Geld. Kultur dagegen kann man nicht verkaufen, man hat sie einfach nur. Wir verschweigen einfach mal die Tatsache, dass die jungen Menschen all dieser von uns beneideten Länder (und noch vieler weiteren) gerne zu uns kommen, um noch ein bisschen von dieser Kultur zu erhaschen…die man bei ihnen schon größtenteils abgeschafft hat.

„Nicht jede Stadt braucht ein Theater“. „Nicht jede Stadt braucht ein Opernhaus“. So fangen wir es an, das sind unsere Sätze, wie Pfeile. „Dieses Theater ist einfach zu groß/zu viel für diese Stadt“. Und das ist natürlich eine selbsterfüllende Prophezeiung, denn nachdem das Theater abgeschafft wurde, werden die wenigen Menschen, die es noch in der Stadt gab, auch weggehen. Und nicht wiederkommen. „Sehen Sie? Wir hatten recht!“ werden wir dann sagen. Und die, denen dann alles nur noch egal ist, werden uns wiederwählen.

Zusammen mit dem Theater schaffen wir dann auch gleich die Innennstadt mit ab: all diese Cafés, Bars, Hotels und Restaurants um das Theater herum haben ja dann folgerichtig keine Kunden mehr, und all die Kellner, Wirte und Hoteliers müssen sich einen anderen Job suchen. Wir bauen sie gleich mit ab. Und schließen auch die Museen, diese Geldvernichter. All den alten Kram, niemand braucht ihn mehr. Und dann schließen wir die Universitäten, an denen man all dieses sinnlose Zeug lernte, das einem half, das zu verstehen, was wir nun abgebaut haben. Es wird dann nur noch technische Universitäten geben. Und dort wird man vor allem lernen, Panzer und Kraftwerke und Autos zu bauen, denn all das bringt Geld.

Wir werden unsere Städte neu organisieren. Wir werden dorthin, wo früher das Theater und das Museum gestanden hat, ein Einkaufszentrum und ein Multiplexkino hinstellen. Dort werden wir unsere Bürger so lange versorgen, bis wir auch das Einkaufszentrum und das Multiplexkino nicht mehr brauchen, denn irgendwann wird man sich alles im Internet bestellen können, und jeden Film streamen und downloaden können. Dann bauen wir auch das Einkaufszentrum und das Multiplex ab. Unsere Städte werden dann alle zunehmend gleich aussehen. Wir werden Straßenzüge um Straßenzüge, Häuser um Häuser bauen. Und um zu sparen geben wir uns damit auch keine Mühe mehr, wir bauen billig und effizient.

Und irgendwann…endlich…wird alles überschaubarer, gleicher, geordneter sein als zuvor.
Nichts wird uns mehr Zeit stehlen, Zeit, die vom Geldverdienen ablenkt.

Wir sagen: Alles muss einen Zweck haben.

Wir sparen.

Wir bauen ab.

Moritz Eggert

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22 Antworten

  1. Janosch Korell sagt:

    Ja, die Entwicklung ist ganz erschreckend und wieso die Dampfwalze angelegt wird, entzieht sich mir jeglichem Verständnis. Irgendwann ists dann nunmal weg und dann kommt es auch nicht wieder.
    Aber die Situation gibt nun den Anlass zur Diskussion. Ich habe das schon vor Jahren kommen sehen, als ich an der HfM Würzburg zu studieren angefangen habe. Mir ist da eine starke Diskrepanz zwischen der Realität und der Hochschule aufgefallen und da ich die fadenscheinigen Argumente der Kulturgegner kenne, habe ich mir schon gedacht wann mit den „Argumenten“ auf die Hochschulen losgeht. Letztendes geht es ja darum, dass der echte Musiker, der echte Musik liefert immer mehr an gesellschaftlicher Relevanz verliert. Anstatt auf hirnrissige Art und Weise nun die letzten Bastionen von „echter“ und „guter“ Musik zu zerstören, wäre es doch viel sinnvoller die gesellschaftliche Relevanz von echten Musikern, die echte Musik liefern nicht wieder herzustellen? (da müsse man natürlich klären für was Musikhochschulen eigentlich da sind und man von gesellschaftlicher Relevanz, bezogen auf die HfMs, überhaupt sprechen kann)

  2. Sind sie Ersparnis-Taliban, die BaWü-Kulturfunktionäre? So denn wünsche ich sie alle samt in eine schweizerische Ersparnis-Anstalt eingesperrt. Da dies ein eidgenössisches Synonym für Bank ist, wäre dies dann eine richtige Bad-Bank. Und die kann man ja dann anstelle der Musikhochschulen und Orchester in BaWü abwickeln. Soviel, um unqualifizierten Dampf zum Thema abzulassen!!

    Eines sei aber doch gesagt: Eine stärkere Profilierung der Musikhochschulen in Baden-Württemberg wäre dennoch nicht schlecht, sofern sie einigermassen konsensual herbeizuführen wäre. Da trumpft zwar die eine HfM mit Alter Musik, die nächste mit Jazz, die übernächste mit einem Lernradio. Dies sind allerdings jeweils nur einzelne Institute. Klar, dass man neben Gesang auch generell alle Orchesterinstrumente sowie spezifische Spezialinstrumente anbietet. Da wäre wirklich eine Profilschärfung angebracht. Zudem ermöglichen 4 der 5 Schulmusik, jede Komposition, Musikwissenschaft, fast jede Musikpädagogik und ebenso jede Promotion. Eine regionale Bündelung von Konzertfach, Solisten-/Orchesterfach, Schulmusik und den wissenschaftlichen Studiengängen und eben auch Komposition und der Spezialinstrumente könnte behilflich sein. Das geht aber nur im Konsens.

    Und daran, am miteinander reden wollen, daran mangelt es in BaWü. Da ziehen die Funktionäre über die Intellektuellen ihre Sprüchlein vom Leder, genauso umgekehrt. Man hat von außen den Eindruck, dass jeweils nur noch Fundamentalisten am Werke sind, Sprach- und Verhandlungsverweigerung angesagt ist. BaWü als alemannischer Großkanton erfüllt von einem Kantönligeist, der selbst Schweizer neidisch werden lässt, wäre da nicht dieser grässliche rechthaberische Ton, der das Klischee vom ewigen germanischen Oberlehrer Europas bestätigt. Alemanni delirant!

  3. tom sora sagt:

    Um nicht im Kulturpessimismus stecken zu bleiben, ist es sinnvoll, Wege/Mittel zu suchen, um die beschriebene gesellschaftliche Entwicklung zu korrigieren. Denn nur beschreiben allein hilft ja nicht – auch wenn die Beschreibung und die Analyse der Situation notwendig ist.

    Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, dass es so viel wie möglichen Leuten klar wird, wie destruktiv die beschriebene „rationale“ „Logik“ des Einsparens um des Einsparen (oder des Geldes) willens ist.

    Dann könnte vielleicht ein kollektives Umdenken stattfinden: Ein bisschen wie im Fall der Ideologie des Neoliberalismus: Zwei Jahrzehnte hat sie gewütet, aber irgendwann wurde sie trotzdem als falsch entlarvt.

  4. Joe Weis sagt:

    Danke, Moritz.

    Wer sich über die Sachlage informieren möchte, aber auch an einem persönlichen Bericht interessiert ist (aus der Sicht eines Studenten, sagen wir mal aus Mannheim:

    https://www.facebook.com/notes/joe-weis/gedanken-zu-den-musikhochschul-sparpl%C3%A4nen-der-landesregierung-bw/543913792311844

    (Inklusive Links zu Berichterstattung, offiziellen Papieren, unterschlagenen Gegenkonzepten und polemischen Seitenhieben).

  5. Joe Weis sagt:

    Eine Möglichkeit, dem Geschehen entgegenzuwirken:
    http://www.petitionen24.com/rettet_die_musikhochschulen

  6. Dirk sagt:

    @Alexander Strauch: M. E. kann man Schulmusik sogar an allen 5 Hochschulen studieren. Und gerade dieser Studiengang, wo nur Halbwissen verbreitet wird, soll sogar nach der Reform an allen Hochschulen erhalten bleiben!!

    Andererseits ist es klar, dass zu viele Menschen Musik studieren. Pianisten z. B. gibt es viel zu viele: Eigentlich müsste man von systematischer Persönlichkeitszerstörung sprechen, denn die Klavierprofessoren nehmen lauter mittelmäßige Pianisten auf (um genügend Studenten zu haben), von denen sie genau wissen, dass sie es später zu nichts bringen werden. Dass sie als Klavierlehrer an einer Musikschule landen werden, so gut wie nie mehr Konzerte geben werden und finanziell ziemlich schlecht da stehen, darüber wird nicht gesprochen. Stattdessen wird wöchentlich mit neuen Klavierkonzerten und Virtuosenstücken auf sie eingedrescht und ihnen suggeriert – ja was eigentlich? Das das mit den Konzerten später so weitergeht wie im Studentenleben, nur dass man danach so viel Geld damit verdienen wird, um eine Familie ernähren zu können? Ein Witz.

    Zum Glück sind vermutlich 70% der Studenten Nutznießer, die in ihr Heimatland zurückgehen, ihr deutsches Zeugnis zeigen und sofort eine Stelle bekommen. Denn nicht mal 30% der Studenten kann man wohl hierzulande mit Stellen versorgen.

  7. Andrea Heuser sagt:

    Wir bauen ab

    Endlich sind wir soweit
    Wir bauen ab
    Zu lange schon geht es uns gut
    Das kommt uns noch teuer zu stehen
    Ihr werdet sehen
    ‚Gut‘ ist kein Gut
    Wir bauen ab

    Unsere Städte werden wir neu organisieren
    Die Theater schließen Opernhäuser Verlage und Cafés
    Was sich nicht rechnet das hat auch kein Recht
    Was gestern noch gut war ist heute schon schlecht
    Wir bauen ab

    Orchester Künstlerkasse Universität
    Die Qualität werden wir steigern
    Das Leben versteigern
    ‚Gut‘ ist kein Gut
    Wir bauen ab

    Baustellen werden wir bauen
    Autos Motoren
    Einkaufshallen Waffen
    Wir können Großes Größeres schaffen
    Mit der Kunst auch die Künstler vertreiben
    Wir leisten Leistung
    Von uns muss nichts bleiben

    Wir bauen ab

  8. Ich denke man sollte beim Sparen endlich einmal bei unseren Kultur-und Bildungsmanagern anfangen, die sich seit einiger Zeit wie Quallen, sei es in Ministerien, Rektoraten oder auch beim Funk in Deutschland ausbreiten. Im Grunde sind sie völlig überflüssig. Dass es für jeden Bereich des gesellschaftlichen Lebens ein Ministerium gibt, ist ein Relikt aus der NS-Zeit und dient nur zur Überwachung. In alter Zeit hatte Deutschland eine reiche und lebendige Kultur – ganz ohne diese Leute. Würde man die Löhne dieser Angestellten und Beamten stornieren, so würden Millionenbeträge frei werden, die für den Fortbestand unserer Orchester, unseres Kultur- und Bildungsangebots verwendet werden könnten. Kultur und Bildung würden in Deutschland wieder aufblühen und die Künstler könnten aufatmen.

  9. Janosch Korell sagt:

    @Dirk. Ja, da hast du recht und dieses Problem ist ja nicht nur auf Pianisten beschränkt. Generell sollte das Konzept der Muhos revolutioniert werden, da sowohl das Konzept wie die Probleme, die daraus resultieren, es schon immer gab.
    Andererseits muss ich da auch dagegenhalten und sagen, dass nun mal jeder auf sich alleine gestellt ist und man die Eigenverantwortung nicht außer acht lassen sollte.

    Die Probleme einfach zu lösen, in dem man ein paar Muhos dicht macht, halte ich für die falscheste Lösung. Das wäre eine ähnliche Logik zu sagen, dass der Sozialstaat hier und da Probleme hat und man ihn einfach auch abschafft.

    Die Problematik bietet nun die Chance, da man sich nun solidarisiert, etwas zu verändern.

  10. Christian Elsner sagt:

    Lieber Moritz,
    Deine Worte sind in einer Form klar, tief und beeindruckend, dass sie sowohl bei unsäglichen Auswüchsen des Kulturbetriebs wie der „Echoverleihung“ als auch für nahezu jeden prägenden Kindheitserfahrungen wie der „Sendung mit der Maus“ von jedem verstanden werden könnten und Pflichtlektüre für alle sogenannte Kulturschaffenden sein müsste…ein größeres Kompliment fällt mir nicht ein!
    Vielen Dank und lass uns weiterkämpfen, Christian

  11. Vielen Dank für diese vielen aufschlussreichen Kommentare!

  12. Lieber Moritz, auch Dir vielen Dank für Deinen schönen Text!
    Ich träume von den Zeiten, als in Deutschland noch wirkliche Musiker in den Leitungspositionen der Kulturpolitik sassen. Etwa Komponisten wie Felix Mendelssohn Bartholdy am Konservatorium in Leipzig. Also Leute die wussten um was es geht, und die den Künsten selbst mit Liebe und Hingabe begegneten. Kurz, echte, leidenschaftliche Künstler. Sie würden niemals Orchester oder Hochschulen auflösen, sondern sie im Gegenteil neu gründen (wie Mendelssohn) und für kommende Generationen produktiv und nachhaltig wirken. Weit entfernte, glückliche Zeiten…

  13. …jede Menge aktuelle Infos unter
    http://Www.nmz.de
    So traurig wie herzlich
    Theo

  14. wechselstrom sagt:

    „Wir werden dorthin, wo früher das Theater und das Museum gestanden hat, ein Einkaufszentrum und ein Multiplexkino hinstellen. Dort werden wir unsere Bürger so lange versorgen, bis wir auch das Einkaufszentrum und das Multiplexkino nicht mehr brauchen, denn irgendwann wird man sich alles im Internet bestellen können, und jeden Film streamen und downloaden können. “

    So ist es lieber Moritz,
    ich mache in 2 Wochen Urlaub und besuche deutsche Gegenden, wo das bereits Realität ist: mache dort Fotosafari (neben Wandern und frische Luft…) von den Ruinen und stelle diese dann in der Galerie wechselstrom, Wien aus (Herbst 2014 beim Monat der Fotografie)
    Titel der Ausstellung: Bad Fotos Boring Pictures Teil III

  15. Tobias Rapp sagt:

    Es ist ein Jammer das Herr Eggert (wie schon vor 10 Jahren, als wir mal gemeinsam in einer Talkshow saßen) nur sehr einseitig argumentiert. Und ich bin mir bewusst das ich auf diesem Blog sicher fast nur negative Reaktionen erhalten werde.
    Als ausübender Künstler, nunmehr schon 26 Jahre lang, kann ich dem nett geschriebenen Artikel so aber nicht zustimmen.

    Der überwiegende Teil der Kultur findet ohnehin im nicht subventionierten oder nur geringfügig geförderten Bereich statt, da wo Künstler aller Art, Schauspieler, Autoren, Musiker, Tänzer und alle anderen, tatsächlich noch aus dem künstlerischen Trieb und für die Sache, Kultur in die Köpfe der Menschen bringen, für Honorare, für die ein Ensemblemusiker eines Staatstheaters am morgen sicher nicht aufstehen, und Herr Eggert keine Note zu Papier bringen würde. Diese Kollegen sind Künstler, diese Kollegen fördern den Kulturstandort Deutschland, die Kollegen müssten so gefördert werden, dass sie zumindest mehr zum leben haben, als ein Harz4 Empfänger – aber diese Kollegen erhalten leider meist gar nichts von dem Kuchen, den alle die aufschreien unter sich aufteilen! …genauso wie die 10Tausende die ehrenamtlich auf Freilichtbühnen, bei Open Air Festivals und in Kulturvereinen oder sozialen Einrichtungen ihre Zeit und ihren kulturellen und künstlerischen Verstand zum Wohle der Allgemeinheit, zum Wohle der Kultur, einsetzen. Wenn ein subventionierter Theaterbetrieb so nicht mehr haltbar ist, würde das Theater sicher nicht verschwinden, es wäre nur „offen“ – und das muss nicht immer von Nachteil sein.

    Überbezahlte, satte Kultur von letztlich Staatsbediensteten, die den Bogen weglegen wenn die ohnehin schon geringe Probezeit um ist, hochvergeistigte Auftragskompositionen, die letztlich niemand hören will, oder zahllose moderne Inszenierungen die keiner sehen möchte, in Theatern die dann meist nicht einmal zur Hälfte gefüllt sind, sind für die kulturelle Entwicklung nicht wirklich wichtig und letztlich in dieser ausufernden Form ein Produkt des letzten Jahrhunderts. Kultur und vor allem auch der Umgang mit Kultur, verändert sich kontinuierlich, und das ist kein Schaden. Es könnte noch mehr gestrichen werden, und das Ersparte in eine konsequente Nachwuchsförderung und kulturelle Breitenbildung gesteckt werden, oder denen helfen, die an der Basis und für die Basis arbeiten – hier wäre es sicherlich sinnvoller angelegt als in Prada Schuhe der letzten Produktion der Saison (es müssen ja schnell noch Gelder ausgegeben werden, um die Subenvtionen für die nächste Spielzeit wieder in voller Höhe zu kassieren, auch ein Mantel für mehrere Tausend konnte da schon einmal drin sein – solche Geschichten hat fast jeder in seinem Portfolio).

    Der „Neid“ um unsere „kaputtsubventionierte“ Kulturlandschaft ist ebenfalls nicht nachvollziehbar – in Ländern wie Frankreich oder Italien hat Kultur tatsächlich die Bedeutung, die Herr Eggert uns hier zuschreibt, das habe ich bei zahlreichen Tourneen mit unpopulären Programmen, wirkliche Kunst, die hier keinen in einen Konzertsaal gelockt hätte, feststellen dürfen. Der „Neid“ existiert höchstens auf die Spitzengehälter, die die „alten Verträge“ heute noch kassieren.
    Sehr viele derer die den großen Aufschrei starten, sind die, die viel zu lange, viel zu viel für viel zu Unwesentliches verdient haben – eine kleine „Kulturelite“ die sich Aufträge und Gelder hin und hergeschoben hat, was sicher dem eigenen Wohlbefinden, mit Nichten aber der Kultur dienlich war. Auch die früheren Spitzengehälter in Orchestern und Chören, oder die Honorare von GMDs und Intendanten, sind Tante Gertrud, die mit Ihren Steuern einen Teil dessen bezahlt, aber sich eine Opernkarte ohnehin nicht leisten kann, und zwar vielleicht Bach und Mozart liebt, aber mit Eggert oder Trojan, wie die Meisten, aber nichts anzufangen weis, nicht wirklich vermittelbar – da können Steuergelder sicher sinnvoller eingesetzt werden, auch für die Kultur.

    Ich bin nicht dafür das die Kulturetats weiter zurückgefahren werden, aber ich würde eine Umverteilung sehr begrüßen – denn wenn wir die heutige Jugend nicht gewinnen, haben wir übermorgen kein Publikum mehr! Und an alle Kollegen, die dem Aufschrei folgen – wenn wir tatsächlich auch wieder etwas mehr verdienen würden, könnte ich es ja noch verstehen, aber durch die Öffnung der Märkte, einen (eigentlich so gar nicht existenten) Kostendruck und den Umstand das viel zu viele von uns in einem sehr begrenzten Markt auf der Suche nach Jobs, ist es nunmal eine logische Schlussfolgerung dass wir, auch wenn nicht gespart würde, leider nicht nennenswert mehr verdienen würden. Wir müssen und selber helfen, und das können wir auch, wie zahllose Beispiele von Theatern, Festivals und Künstlern belegen.
    So, das musste ich kurz loswerden, und bitte über Rechtschreibfehler hinwegzusehen.

  16. Man möchte hier die Dichterin Else Lasker-Schüler zitieren, die aus ihrem Exil in Zürich 1937 folgendes Gedicht schrieb, welches die geistige, kulturelle und moralische Verödung in Deutschland zur Sprache bringt:

    Ich habe zu Hause ein blaues Klavier
    Und kenne doch keine Note.

    Es steht im Dunkel der Kellertür,
    Seitdem die Welt verrohte.

    Es spielten Sternenhände vier-
    die Mondfrau sang im Boote.
    -Nun tanzen die Ratten im Geklirr.

    Zerbrochen ist die Klaviatur.
    Ich beweine die blaue Tote.

    Ach liebe Engel öffnet mir
    -Ich aß vom bitteren Brote-
    Mir lebend schon die Himmelstür,
    Auch wider dem Verbote.

    Oder auch Karl Kraus mit Blick auf unsere „Kulturfunktionäre“:

    „Wo die Sonne der Kultur sinkt, werfen Zwerge lange Schatten…“

  17. Nicholas Rimmer sagt:

    Danke Moritz – ein toller, profunder Text!

  18. Tobias Rapp sagt:

    es bliebe die Frage, warum ein nicht so zustimmender Kommentar von der NMZ bisher scheinbar noch nicht freigegeben wurde…

  19. Russ Spiegel sagt:

    Wow! Powerful und wahr. Leider läuft es genau so bei uns in der USA seit Jahrzehnten. Und da hast du es – eine ungebildete, kulturlose Bevolkerung auf das schnelle Dollar fixiert. Gottseidank für den Kabelfernsehen, Videospiele und Sport. Sonst würde es uns schlecht gehen.

  20. Eindrucksvoller Artikel mit aufschlußreichen Zahlen was der Kultur- und Bildungsgeiz kostet: http://www.freitag.de/autoren/soenke-paulsen/wenn-der-putz-in-die-tofu-stulle-rieselt (Sanierungsstau an Schulen usw. in Höhe von 1,5 Billionen).

  21. Joe Weis sagt:

    Mittlerweile gibt es eine ausführliche Sammlung von Links, Artikeln, Berichten, Unterschriftenlisten, Statements und offenen Briefen auf eine Blogseite, die von der Pressestelle der Musikhochschule Mannheim betrieben wird:

    http://muhomannheim.wordpress.com