Pionierarbeit

Brian J. Nelson, Pionier der E-Musik?

Es war nur eine Frage der Zeit, aber jetzt ist es geschehen: Zum ersten Mal in der Geschichte der klassischen Musik kam ein Kompositionsauftrag durch Crowdfunding über „Kickstarter“ zustande. Wahrscheinlich ist Brian J. Nelson (so heißt der Komponist) gar nicht bewusst, dass er hier einen historischen Meilenstein gesetzt hat.

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Zuerst einmal eine kurze Erklärung des Bregriffs „Crowdfunding“, einem Begriff den viele noch nicht kennen, der aber – so meine vorsichtige Schätzung – eine zunehmend wichtige Rolle in der Förderung auch von Kunst und Kultur spielen wird.
Im Grunde versucht „Crowdfunding“ den „long tail“ abzuschöpfen, also die Tatsache, dass sich auch für spezielle oder abseitige Projekte durch die Verbreitung des Internets eine ansehnliche Zahl von Unterstützern finden lässt. Nachdem schon seit den Anfängen des Internets immer wieder Geld für verschiedenste Projekte gesammelt wurde, die dann entweder zustande kamen oder auch nicht, ist in den vergangenen Jahren ein Trend zur Professionalisierung dieser Praxis zu beobachten. Dies resultierte in zum Teil spektakulären Erfolgsgeschichten: so wurde zum Beispiel die Science-Ficton-Parodie „Iron Sky“ von findigen Finnen zum großen Teil aus privat gesammelten Geldern finanziert, die über eine glänzende Internetkampagne tausenden von Unterstützern ermöglichte, für kleinere Summen Mitproduzenten des Films zu werden. Das fertige Projekt brachte es bis nach Cannes, wird ins normale Kino kommen und muss sich neben teureren Studioproduktionen nicht verstecken.

Mit der Gründung der Seite „Kickstarter“ wurde das „crowdfunding“ auf einen neuen Level gehoben, denn nun wurde es auch normalen Usern möglich, Projekte aller Art zum Crowdfunding anzubieten. Die geniale Idee von „Kickstarter“ ist wie folgt: man bietet ein Projekt an, dass von den Betreibern der Seite begutachtet und dann zum Crowdfunding freigegeben wird. Hierbei muss ganz genau angegeben werden, wie viel Geld bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zusammengekommen sein muss, damit das Projekt erfolgreich ist. Nun kann jeder, der dieses Projekt unterstützen will, eine beliebige Summe spenden, entweder eine ganz kleine Summe als ideelle Unterstützung, oder auch eine größere Summe. Je mehr jemand spendet, desto größer sind die „Dankeschön“-Belohnungen. Wenn man zum Beispiel einen Film mit 25,-USD unterstützt, kann man auf jeden Fall mit der DVD rechnen, spendet man 50,-USD ist diese signiert, spendet man 100,-USD wird man in den Film-Credits erwähnt und wenn man 1000-,USD spendet, wird man zur Filmpremiere und zu einem Essen mit dem Regisseur eingeladen. Wie genau diese Belohnungen aussehen, kann natürlich der Erfinder des Projekts entscheiden.

Nun der Clou: Egal wie viel man bereit ist zu spenden, die Summe wird erst einmal nur vermerkt, aber nicht abgebucht. Erst wenn mindestens die volle Summe an Crowdfunding zustande gekommen ist, wird die Summe über Amazon abgebucht, ansonsten nicht. Dies minimiert das Risiko für die Unterstützer, und die öffentliche Dokumentation jedes Projektes über eine überwachte Webseite gibt den Unterstützern die Sicherheit, dass mit ihrem Geld kein Schindluder getrieben wird.

Inzwischen hat sich Kickstarter zu einer der am schnellsten wachsenden Webseiten entwickelt. Ein deutscher Ableger ist geplant, auch wenn „Startnext“ in Deutschland ein ähnliches Konzept verfolgt, wenn auch nicht ganz mit dem selben Erfolg.

Was ist nun die Geschichte von Brian J. Nelson? Wie es vielen von uns immer wieder mal geht, wurde er von einem kleinen Festival (in diesem Fall das „Imago“-Kirchenmusikfestival in Wien) gefragt, ein Stück für eine spezielle Besetzung zu schreiben, hier für Sopran, Orgel und Horn. Natürlich für umme, also ohne Honorar, denn es handelt sich ja wirklich nur um ein ganz kleines Festival. Brian J. Nelson hat sich nun also überlegt, wie viel er für dieses Stück haben möchte und kam auf die bescheidene Summe von 1250,-USD. So bot er es bei Kickstarter an, machte ein kleines Video mit Beispielen seiner Musik und überlegte sich Belohnungen für seine Unterstützer.

Diese sahen so aus:

Pledge $10 or more
6 Backers

➤ Autographed score and CD of the premiere performance.

Pledge $20 or more
2 Backers

➤ Autographed score and CD of premiere performance. ➤ Free, signed copy of 2009 Responsorial Psalms CD (preview at www.nelsonmusic.com/mystore).
Pledge $30 or more

13 Backers

➤ Autographed score and CD of premiere performance. ➤ Free, signed copy of 2009 Responsorial Psalms CD. ➤ Free, signed copy of 2010 Vocalise CD (preview both at www.nelsonmusic.com/mystore).

„pledge“ heißt „zusichern“, „Backers“ ist die Anzahl der Unterstützer, die letztlich zustande gekommen ist. Wie man schnell errechnen kann, haben die „Backer“ jeweils mehr als das Minimum gespendet, so dass die Gesamtsumme von 1689,-USD zustande kam, also immerhin 439,-USD mehr als ursprünglich beabsichtigt. Es waren zwar „nur“ 21 Unterstützer, aber diese Privatleute ermöglichten einen kleinen Kompositionsauftrag.

Es ist hierbei vollkommen unerheblich, wie wir die Musik von Mr. Nelson finden, oder ob das Projekt zu klein scheint, um es ernst zu nehmen. Denn ein Anfang wurde gemacht, und Nelson kann sich durchaus als Pionier des Internets bezeichnen. Denn eines ist auf jeden Fall schon jetzt sicher – Brian J. Nelson wird nicht der letzte Komponist sein, der einen Kompositionsauftrag auf diese Weise finanzieren wird.

Moritz Eggert

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