Musikvermittlung oder Alle machen dasselbe

Geld macht die Musik. Nicht der Ton. Drastisch führte mir dies mein Metzger vor Augen. Nein, es war nicht so schlimm, dass ich ihm eine meiner Gliedmaßen gegen einen bescheidenen Obolus zur Verwurstung anbot. Es war noch abgründiger: Eine seiner Fleischwarenfachverkäuferinnen tippte elegant und zackig die Ware und ihr Gewicht in die Kassenwaage. Ihr rhythmisches Tastendrücken ließ den Apparat merkwürdig Piepsen, inklusive Mehrwertsteuer und eines markanten Finaltones der Entertaste. Der Wurstzipfel abtastende Metzger, ein flinker mittelgroßer Urbayer, sang und pfiff in einem Fort einige Male diese Kassiermelodie nach, mit leichten Varianten. Es war nur ein bescheidener Betrag, den ich zu zahlen hatte. So kann es nicht nur das Ablaßhändlerlied gewesen sein: „Die Münze in dem Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt.“ Seine Kassenwaage als musikalische Inspirationsquelle in seinem diesmal muzakfreien Geschäft. Sollte ich ihn auf elektronische Musik, Aleatorik hinweisen, sein Talent befördern? Würde ich das machen, müsste ich nicht meine Wurst demnächst nur noch im Discounter kaufen, wenn er eine erfolgreiche Karriere als Klingelton-, nein, Kassenwaagenkomponist hinlegen würde?

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Wie in dieser Anekdote wird die Förderung Neuer Musik heute dem schnöden Mammon Geld unterworfen. Sie wird auf Kreativität und Nachhaltigkeit von wohlbestallten Kulturbürokraten geprüft, bis dem förderungsnachfragenden Musiker, bewusst als soziales Wesen ein „nachfragender“ Mensch im Sinne der Sozialgesetze, diesen mit seinen dahintröpfelnden Einnahmen immer dicht auf den Fersen, nur noch die Phantasterei einer Antragskreativität bleibt, er zur Kreatur der Administration wird. Dazu kommen die Sümmchen die die Neue Musik überhaupt nur beantragen kann, nachdem ihr die Komponistenhonorare und Aufwandsentschädigungen im Antrag vorab untersagt worden sind, wie es immer wieder der Fall ist. So beantragt man statt 10000 nur noch 5000, statt diesen nur noch 3000 Euro, die immer noch zu viel sind, um genehmigt zu werden. Tage später erfährt man, wie ein anderer 50000 Euro wollte und noch 10000 drauf gelegt bekam. Der Neue Musik-Antragsteller wollte ein Streichquartett engagieren, um seine und einiger anderer Kollegen Musik zu spielen. Der andere preist ein Projekt zur Vermittlung des Crossover von DJ-Kultur und Neuer Musik in Problembezirken an, sichert sich die Prominenz von Problembären mit Problemzonen der Rapzunft. Das gefällt, das ist kreativ, das ist nachhaltig. Er erfährt von dem misslungenen Antrag des Komponisten und lädt ihn nobel ein, mit den Problemkindern eine Kollektivkomposition zu gestalten.

Nur wurde eines vergessen: das Problemprojekt wurde bereits einige Male durchgeführt und fütterte Kinder wie Künstler. Man ist lokal allseits stolz auf diese Meisterleistung von Antrag und Förderung, hat doch auch die Bundeskulturstiftung noch nachgeholfen. So präsentiert man wie die Nachbargemeinde, wie jede Neue Musik fördernde Kommune ein ähnliches Problemprojekt. Das ist ja viel hübscher, als das alte Neue-Musik-Festival, immerhin fast 50 Jahre alt, welches allerdings immer brav ein Jugendprojekt zentral integriert hatte. Nun hört man zwar die eigenen Kinder singen, auch nett anzusehen, wie sie sich mit Neuer Musik abmühen, wie Einjährige, die Musik auf Kochtöpfen machen, all die kriminell-gefährdeten Halbstarken plötzlich wieder als elterninstinktauslösende Riesenbabys. Die letzten Kammermusiken aus der ganzen Welt aber, die neuesten Entwicklungen der besten Festivals, die kommen schon seit Jahren nicht mehr in unserer Kommune an. Aber dafür hat man statt diesem kleinen, sehr eigenen Festival endlich dieselben Vermittlungslieder, wie alle im Lande auch. Statt Wurstwareneinzelhandel self-service-Bäckerfilialen, so auch immer öfters im Musikleben

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3 Antworten

  1. Erik Janson sagt:

    Sollte ich ihn auf elektronische Musik, Aleatorik hinweisen, sein Talent befördern? Würde ich das machen, müsste ich nicht meine Wurst demnächst nur noch im Discounter kaufen, wenn er eine erfolgreiche Karriere als Klingelton-, nein, Kassenwaagenkomponist hinlegen würde?

    Nicht so pessimistisch, lieber Alexander ;-) Probier´s beim nächsten Fleischpflanzerlkauf doch mal aus, bringe Deinen Laptop mit und mache in der Metzgerei „Feldaufnahmen“. Und, selbst wenn sich Deine Befürchtung bewahrheitet und Du dann der urbayerischen Metzgerei verwiesen würdest: die Frikadellen beim … (keine Shleichwerbung) sind manchmal gar nicht so schlecht.

    Zum anderen Thema (Geld/Aufträge etc. gibt´s für die Frei Szene /unsereinen nur noch wenn wir Komponisten „artig“ sind und auch soziale, Neue Musik VERMITTELNDE Wesen…):

    1. Als ob man nicht grundsätzlich, immer wenn man ein Werk schafft, auf Kommunikation und Vermittlung aus sei. Das Gegenteil Komponisten immer wieder (latent) zu unterstellen, nur weil vielleicht einige wenige sich innerlich nicht darum scheren und Komponieren als „Spielwiese“ oder nur zur Ego- und Geldpflege betrachten

    2. (gravierender) Problem ist machmal ganz einfach pragmatischer Natur, dass – wenn man Vermittlung in der Schule anbietet – entweder der durch die Schulzeitverkürzung gestauchte Termin- und Stundenplan von Schulen freie Projekte und Responce Projekte nicht gerade einfacher macht..
    Oder dass es überhaupt nicht einfach ist, Schulen zu finden, die ein eigenes/natürliches Interesse an Neue Musik-Vermittlung haben. Aktuell bin ich z.B. in einem Projekt beteiligt und habe eine Anfrage an eine Schule (möchte den Namen nicht nennen) gerichtet, mein im Rahmen dieses Projekts entstehendes Werk dann Oberstufenklassen vor zu stellen, auch in Verbindung mit Vorbereitung, allem Pipapo (und auch ungefähr in dem bescheidenen (noch nicht bewilligten) Geldrahmen, den Du beschreibst. Da muss ich z.Zt. erst noch zittern und warten, ob überhaupt Zeit oder Interesse besteht. Sonst müsste man weiter „tingeln“ bis man eine Schule (oder von mir aus auch eine Metzgerei) fände, die sich erbarm en würde ;-). Ich hoffe mal das Beste und bleibe in jedem Fall optimistisch. Aber ein wenig sollten die „da oben“ schon merken/wissen, dass es nicht einfach ist mal eben zu sagen „Komponisten, macht „Vermittlung“ sonst gibt´s nichts mehr“. Wo die Rahmenbedingungen dafür nach wie vor (trotz Netzwerken, Bundeskulturstiftungen, hin oder her – die ja nun auch nicht verlängert wurden!)- oder jetzt erst recht – alles andere als einfach sind…).

    Danke, Alexander für diesen Beitrag!

  2. Erik Janson sagt:

    Danke, Admin!

    Ich wusste, Ihr gebt mir mein schönes GRIMM-Augenzwinker-Logo wieder!

    und (@ Strieder): neues Icon selbst basteln, dazu fehlt mir leider vor lauter Finger-Wundtelefonieren die Zeit ;-)

    Buon Giorno, Erik

  3. 1) Gut komponierte Musik vermittelt sich auf der Bühne von alleine, deshalb halte ich nicht viel von den ganzen wohlgemeinten Vermittlungsversuchen. Ich bin deshalb auch nicht ganz unfroh, dass das Netzwerk Neue Musik bald oder schon am Ende ist.
    2) Wo es hapert, ist oft das missliche Umfeld, das nicht selten verhindert, dass die gut komponierte Musik auf ihre adäquaten Hörer trifft und umgekehrt. Die Besucher wissen oft nicht von ihrem Glück, das sie erwartet, wenn sie Programmankündigungen lesen, das fehlende Geld der Organisatoren, um intelligentere Werbung auf die Beine zu stellen, tut dann oft sein Übriges. Aber man sollte darüber auch nicht zu unglücklich sein, denn das Gute und das Frische ist am Anfang eine am Wegrand entstehende zarte Pflanze, die logischerweise nicht sofort von der breiten Masse der Wanderer erkannt wird.