Das vergangene Lachen (1)

Den folgenden Text schrieb ich schon vor 4 Jahren für das Jahrbuch der Opernwerkstatt in Ligertz, die Humor in der Oper zum Thema hatte. Leider kam dieses Jahrbuch nie heraus und der Text vergammelte auf meiner Festplatte (nicht ganz, da Teile daraus in andere Texte Eingang fanden). In seiner Gänze wurde aber der Text bisher noch nie veröffentlicht, was ich hiermit gerne in drei Teilen tun möchte. Manches würde ich heute etwas anders schreiben, manches ist hier teilweise schon besprochen worden (Hurz), manches nimmt meine Bad Boy – Kolumne bei der NMZ vorweg und manches bezieht sich auf aktuelle Ereignisse von vor 4 Jahren, aber man soll dann nicht noch nachträglich herumdoktern denke ich….Mich interessiert: hat sich inzwischen im Bereich Humor in der Neuen Musik mehr getan?

Das vergangene Lachen – von der Absenz des Komischen in der (Deutschen) Neuen Musik

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Es gehört zu den ältesten Klischees: Der vermeintlich humorlose Deutsche. Bis heute lachen sich Millionen von Briten über die berühmte „Fawlty Towers“ Episode mit den griesgrämigen Deutschen kaputt, denen gegenüber man keinesfalls den Krieg erwähnen sollte, da sie sonst in schuldvolles Jammern und Wehklagen ausbrechen.
(„Don’t Mention The War!“ in der Episode „The Germans“).

Wer jetzt hier wissend lächelt, muss auch einsehen, dass sich die von Adornoscher Ästhetik geprägte Musik in Deutschland seit der Nachkriegszeit gar nicht so wahnsinnig anders geriert als eben diese „Germans“ – auch wir Komponisten jammern lieber, als dass wir Freude und Esprit verbreiten. Auch wir verharren in einer seit nunmehr über 60 Jahren künstlich am Leben gehaltenen Bedeutungsstarre, in der weder Humor noch „schöne Stellen“, noch überhaupt irgendeine Form von Lebendigkeit und Natürlichkeit einen dauerhaften Platz haben können.

Nun war die ästhetische Linie der Darmstädter Schule und die darin inherente Kritik an allzu sorgloser Musik und dem Verdrängungsmuff der 50er Jahre sicherlich ein notwendiger und richtiger Weg, den man allein durch seine schon längst historische Bedeutung nicht mehr in Frage stellen muss. Durchaus in Frage stellen kann man aber die Tatsache, dass das dadurch geprägte Denken nach wie vor subkutan unsere gesamte musikästhetische Diskussion durchzieht.
Warum ist eigentlich noch nichts Neues an dessen Stelle getreten?
Über diese Frage lohnt es sich, ein wenig nachzudenken, denn an ihr erklärt sich der generelle Mangel an Elementen des Komischen sowohl auf der zeitgenössischen Opernbühne als auch im Konzert.

Allein mit der Begründung der Grauenhaftigkeit des Dritten Reichs und des Zweiten Weltkrieges kommen wir hier nicht weiter. Wie jeder weiß, wurden die Weichen für die Schrecken des Holocaust schon in der Sinnlosigkeit des Ersten Weltkriegs gelegt, der eine ebenso einschneidende wie katastrophische Wirkung auf die Menschen Europas hatte wie der Zweite Weltkrieg.
Nur dass schon wenige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg die 20er Jahre als hochinteressante Epoche in allen Künsten aufblühen, und dem Unglück der Menschen mit der Beschwörung einer wilden, ungezähmten Phantasie entgegentreten.
Den Menschen ging es in der Weimarer Republik zumeist nicht gut – gerade deswegen wussten sie das Lachen zu schätzen. Sowohl im Film wie im Theater wie in der Musik wurden hier Grundsteine für eine genuin eigenständige deutsche Sprache der Leichtigkeit, wie sie eben auch einem Heine oder einem Goethe eigen war, gelegt. Leider erfolglos bäumen sich die Autoren, Komponisten und Künstler gegen das herannahende Naziregime auf, das natürlich eine Epoche des staatsgesteuerten und damit grässlichen Humors einleitet. Ohne diese 20er Jahre, mag auch manches Ringen vergebens gewesen sein, wäre es aber vollends trostlos gewesen im 20. Jahrhundert. Viele gingen ins Exil, wie Weill und Brecht, und verbreiten eine Saat der Ironie, die vor allem in den angelsächsischen Ländern aufgeht.
Nie war aber z.B. ein Hindemith später wieder so komisch wie in seinem Jugendwerk aus eben dieser Zeit, der genuin lustigen Kurzoper „Hin und zurück“, und noch vor dem Ersten Weltkrieg versucht sich selbst der meist eher nicht heitere Schönberg an vulgär-schmissigen „Brettl-Liedern“ fürs Cabarét (erfolglos, vielleicht ist das symptomatisch für die eher humorfreie Wiener Schule).

Vielleicht geht es uns heute zu gut, dass wir das Lachen nicht mehr schätzen?
Auf eine ähnliche Explosion der Kreativität nach dem 2. Weltkrieg wartete man auf jeden Fall vergebens – die Deutsche musikästhetische Diskussion der Nachkriegszeit ist von großer Strenge und Kontrolliertheit bestimmt (sich seltsamerweise Elemente der vorangehenden Diktatur aneignend oder zumindest unbewusst emulierend). Schnell machte sich z.B. ein Bernd Alois Zimmermann verdächtig, der unverschämt und virtuos mit Versatzstücken jonglierte – das stand in zu hartem Kontrast mit der religiös-dogmatischen Ernsthaftigkeit die zum Beispiel einem Stockhausen eigen war, immerhin in Mission vom Sirius und Gott persönlich unterwegs. Auch ein Hans Werner Henze, der sich relativ schnell wieder einem fast naiven Schönheitsbegriff näherte und zumindest in der „Englischen Katze“ und dem „Jungen Lord“ an einer Art musikalischen Komödie versuchte, wurde geächtet, und mit ihm viele andere Komponisten, die nicht ins Bild passten.
Über diese Problematik wurden schon viele Worte verloren und manches wurde schon rehabilitiert – mich beunruhigt aber, wie stark diese Jahre nach wie vor auf das Heute ausstrahlen.
Noch einmal: Geht es uns zu gut? Sind wir zu gesättigt und gepäppelt in unseren musikalischen Reservaten? Haben wir unser Herz an der Biegung des Flusses vergraben?

„Don’t mention Adorno!“ möchte man den griesgrämigsten Sittenwächtern der Neuen Musik gerne fawltygleich zurufen, denn kaum wird musikästhetisch etwas diskutiert, steht man nach wie vor im Schatten der nun auch schon Staub angesetzt habenden Titel, Thesen und Temperamente des Teddy Wiesengrund A..
Ja, manch besonders eifriger Komponist sieht in ihnen sogar etwas wie eine ewige Gültigkeit: geil, fast lüstern in der Perzeption der eigenen Standhaftigkeit peitscht man sich selbst und fordert noch kritischere, noch durchdrungenere Musik, die in immer neue Dimensionen der Selbsthinterfragung vordringt, dorthin wo noch nie ein Mensch zuvor gewesen ist (und wahrscheinlich auch nie hinwill).
Da freut man sich schon so richtig auf die heiteren nächsten 400 Jahre mit der Zweiten, Dritten und schliesslich dann auch neuneinhalbten Moderne! Lieber gäbe ich mir die Kugel – die kleine schwarze Gangsterpistole eines George Antheil wäre hier genau das richtige.

Vielleicht schieß ich aber auch auf das gar gruselige Schreckgespenst mit dem Namen „Hui-Bäh“, das uns vor der bösen, bösen Spaßgesellschaft warnt, die uns angeblich schon seit Jahrzehnten verdummt.
Nun bin ich der letzte, der die unsägliche Trostlosigkeit dessen verneinen würde, was einem in hunderten von Medien heutzutage um die Ohren gehauen wird – ganz im Gegenteil, auch ich finde das zum Kotzen.
Nur bezweifle ich stark, dass frühere Epochen freier von Oberflächlichkeit waren. Ja, vielleicht war es sogar noch schlimmer und dümmer als heute, nur noch nicht per Satellit gesendet und bis in die Antarktis verbreitet. Nicht die Dummheit ist das Schlimmste, sondern dass man ihr immer schlechter entkommen kann. Aber um etwas dagegen tun zu können, müssen wir wieder diejenigen erreichen, die sonst nie mehr etwas von unserer Musik mitbekommen. Wir müssen den vermeintlich trostlosen Alltag zumindest teilweise zurückerobern, darin aggressiv präsent sein, sonst ist Hopfen und Malz verloren. Eine komplett individuelle Haltung wie die von Frank Zappa, dem es einerseits gelang, erstaunlich freche Popparodien in die Charts zu bringen wie auch hochanspruchsvolle Musik zu schreiben, mag hier als Vorbild dienen.

Mehr als die gesammelten Werke von Stockhausen, Nono und Schönberg kennen die Deutschen den Sketch „Hurz, der Rabe“ des begabten Hape Kerkeling, in dem ein Neue Musik-Konzert auf geradezu frech simple Weise parodiert wird – mit realem Publikum, dass nichts von der Satire weiß. Viel lustiger als die Musik ist dann eben auch dieses Publikum, das den dargebotenen Scheiß mit ernstester Miene goutiert und gar mit dem sich das Grinsen nicht verkneifen könnende Kerkeling über dessen Motivation diskutiert. Der Herr im gelben Pulli, der dem als Komponisten verkleideten Kerkeling nach der albernen, durchweg improvisierten Performance klugscheißerisch schleimig attestiert, hier wohl seine innersten Gefühle ausgedrückt zu haben, setzt dem Ganzen die Krone auf (zu sehen bei youtube). Das ist dann tatsächlich so unglaublich komisch….wie es leider nie, nie, nie in einem echten Neue-Musik-Konzert ist.

Für die meisten Menschen ist – und wir müssen dieser Realität ins Auge sehen – Neue Musik eine Art Zirkel von Verrückten, die sich Dröges gegenseitig vorführen und dabei sehr ernst und tiefgründig schauen. Das gilt für das Konzert wie für das Musiktheater. „Hurz, der Rabe“ kann nur deswegen komisch sein, weil es sich bei diesem Klischee bedient. Das Klischee beruht aber auf tatsächlicher Wahrnehmung eines Großteils der Bevölkerung. Daraus sollten wir lernen.
Was für eine Verunsicherung könnte man hervorrufen, wenn wir eben genau diesem Klischee NICHT entsprechen würden?

(Ende Teil 1 von 3)

Moritz Eggert

zappa and folks

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4 Antworten

  1. Erik Janson sagt:

    @ Moritz,et amigos,

    Thanks for Inspiration. So was liegt in der Tat in der Luft und ist überfällig…

    na, ich schreib gerad was, wo Humor, Komik, Kritik und krit. Religiosität thematisch im Spannungsfeld miteinander stehen: „Kö-Ramboulage“, ein Werk über Eindrücke der berühmten Düsseldorfer „Neoliberalisten“-Meile, „kö“ (Königsallee).

    UNd bissel „Verrücktes“ und Zappa-ähnliches (nettes Bild) ist da auch dabei…

    Buona notte, eilig und schläfrig nun,
    weiter arbeiten! Sommer ist die beste Zeit.

    Erik

  2. Max Nyffeler sagt:

    TJa, in der neuen Musik ist das Lachen wirklich eine verdammt ernste Angelegenheit. Ich habe mir dazu auch mal einige Gedanken gemacht und möchte sie hier als Ergänzung zu Moritzens sehr zutreffenden Feststellungen gerne anfügen:
    http://www.beckmesser.de/themen/lachen.html
    Den Zustand, fürchte ich, kann man wohl nur beklagen, aber kaum ändern.

  3. peh sagt:

    lieber moritz, liebe leute, der band ist erschienen, inklusive deines texts!
    http://www.pfau-verlag.de/shop_detail/27411.html
    jetzt weiß ich, warum er noch nicht in der bestseller liste ist, wenn noch nicht einmal alle autoren von seiner existenz wissen!

  4. strieder sagt:

    Ein paar Notizen …
    Eigentlich war die 2. Wiener Schule recht humorvoll, nur weiss das keiner ;) Gerade Schönbergs Werk enthält viel witziges, man denke an die Serenade op. 24 oder die Suite op. 29 (mit Inhalten wie – lt. Skizzen – „flotte Kolisch-Schwester“, „Foxtrott“ und „Filmdiva“), und dann gibt es ja auch noch die drei Satiren.

    Und auch Stockhausen war ja gar nicht so – immerhin ein grosser Liebhaber der Musik von Bernd Alois Zimmermann, Siegfried Palm hat folgende Worte Stockhausens überliefert: „Es ist nicht zu fassen, wieder einmal ist der Bazi uns allen um Jahrhunderte voraus. Wieder einmal. Das ist unglaublich, diese Klänge! Das darf gar nicht wahr sein, das es sowas gibt.“