Gastartikel von Peter Köszeghy und ein Denkanstoss von Köszeghy und Martin G. Schmid: wider das „pseudowissenschaftliche Komponieren“

Peter Köszeghy dürfte den meisten Bloglesern als regelmäßiger Kommentator bekannt sein, im folgenden formuliert er eine Kritik an „Methoden“ und an der fehlenden Musikalität in deren Anwendung.
(Moritz Eggert)

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Musik = Mathematik? … oder ein Angriff auf das pseudowissenschaftliche Komponieren

Seit dem Serialismus wird es mittlerweile als Normalität betrachtet, dass Komponisten für ihre Vorstellung von Musik ständig neue „Systeme“, neue mathematische Zusammenhänge mithilfe mathematischer Theorien ausklügeln und herausspekulieren. Meiner Meinung nach erweist sich gerade dieses Spekulative in der Musik als eine der größten Ursachen, warum das Publikum so ausgedörrt und uninteressiert geworden ist. Nun, keiner redet darüber. Warum eigentlich?
Die Antwort ist: dadurch, dass sich Komponisten in höchstwissenschaftlichen und darum für den Normalsterblichen nicht mehr betretbaren Gedankenkonstrukten bewegen, wurde der Diskurs mit den Zuhörern als solche komplett eingestellt. Das an Musik interessierte „Normalpublikum“ wurde und wird ganz verschreckt, es müsste, um nachzukommen und solche musikalischen Werke zu verstehen, vorher 10 Jahre Mathematik studieren, um überhaupt mitreden zu können. Von musikalischem „Genuss“ zu reden ganz zu schweigen…
Spätestens beim sogenannten „algorithmischen“ Komponieren müssten viele Komponisten erklären, warum sie sich überhaupt noch „Komponisten“ nennen und nicht Systemtheoretiker oder Systemforscher…(((Kochen könnten sie genauso gut nach mathematischen Formeln – ob das Essen dann schmeckt – das ist nun die gleiche Problematik wie in der Musik.))) Die meisten sogenannten „algorithmisch“ komponierenden Komponisten sind leider Epigonen von einigen anderen sogenannten „Neuerfindern“, algorithmischen Komponisten, die denken, „jetzt können wir uns einfach zurücklehnen, den Rechner für uns arbeiten lassen und dann einfach alles in Noten ausdrucken“ – eine Scharlatanerie des größten Ausmaßes. Algorithmische Vorgänge wurden in ihrem Ursinne lediglich von Ligeti betrieben. Bei ihm ist nicht die Theorie selbst, sondern die Musik als solche der Hauptschwerpunkt gewesen, daher bleiben und sind seine Werke einzigartig und sehr gut genießbar – um es kulinarisch auszudrücken.
Warum gibt es in Deutschland so viele Komponisten, die kollektiv alle das gleiche gemeinsames System benutzen und ihre eigene Individualität zugunsten eines Modephänomens aufgeben? Ohne das Risiko der beständigen eigenen Entscheidung bleiben die Stücke so wie auch das eigene Leben blutleer und uninteressant. Theorien zu entwickeln, Zahlen in Musik umzusetzen oder nach einer Liste von vorher festgelegten musikalischen Bausteinen komponierend zu arbeiten ist für mich eher ein „Armutszeugnis“: in solchen Werken vertrauen die Komponisten selbst nicht ihrer eigenen inneren Musikalität. Psychologisch gesehen betrachte ich das algorhythmische Komponieren eigentlich als „Hilferuf“ – „Hilfe, ich kann es nicht anders, ich brauche Unterstützung durch die Mathematik…. „
Das Phänomen Xenakis: ich bin ein großer Verehrer von Xenakis. Wir wissen alle, wie sehr Xenakis gerade systemtheoretische und mathematische Vorgänge seiner Musik zugrundelegte – allerdings sind gerade die Werke, die sich ausschließlich mit Stochastik beschäftigten (die ganzen ST- Stücke) ganz ungenießbar und für mich auf der gleichen musikalischen Stufe wie „Hurz“ von Hape Kerkeling…In einem Buch (Varga, Bálint András: Gespräche mit Iannis Xenakis (1980 und 1989), ISBN 978-3-85450-414-6) erläuterte Xenakis selbst, er würde die mathematischen Vorgänge, die er früher ausgeklügelt hätte, nicht eins zu eins umsetzen. Er vertraue innerlich mehr seiner eigenen Musikalität. Die Musik Xenakis` ist also eher als phänomenologisches Entwickeln.
Schlussfolgerung: es sollte wirklich tiefgehend überprüft werden, in welcher Weise dieses mathematische Denken zu einer Entfremdung des Publikums der Musik der letzten Jahre gegenüber geführt hat – solange sich fast ausschließlich Komponisten gegenseitig bei Konzerten anhören und in Programmheften für eben diese Kollegen Romane und schwer verstehbare pseudointellektuelle mathemathische Theorien verfassen, brauchen wir uns eigentlich überhaupt nicht zu wundern, das wir vom „Aussterben“ bedroht sind….

Pèter Köszeghy 05.02.2011

Als Denkanstoss folgende Zeilen:

ideenorientiertes Entwerfen – phänomenorientiertes Entwickeln
Beim ideenorientierten Entwerfen gibt es einen Plan und anschließend dessen Ausführung. Alles was diese Ausführung stört wird wenn möglich ausgestrichen. So kann das Werk nahezu der Idee entsprechen. Der Künstler schreibt die Idee in das Werk und diese ist darin ablesbar. Der Vorgang besteht in der Erstellung und dem Erreichen eines Ziels. Im Vollzug der Materialisierung wird das Material möglichst angepasst und ausgerichtet. Jegliche Möglichkeiten werden reduziert auf das zu erzielende Ergebnis. Mit Hilfe von Reduktionen findet die Ausrichtung stat t. Es ist die Herrschaft des Geistes. Jede Entscheidung wird zielgerichtet auf das Ergebnis gefällt. Mit tels einer adäquaten Ästhetik wird eine Aussage getroffen. Es ist der Monolog der Aussage. Eine Störung wird als eine Subtraktion bezüglich der Aussage verstanden.
Beim phänomenorientierten Entwickeln wird ein Phänomen wahrgenommen und auf dieses reagiert. Dadurch entsteht ein neues Phänomen, auf das wieder reagiert wird. Es gibt kein abschließendes Ziel, worin der Prozeß münden soll. Ein ständiges Abgleichen der Phänomene mit dem reagierenden Künstler ist der Prozeß. Von dem Künstler fallen die Entscheidungen auf die Phänomene und von den Phänomenen auf den Künstler. Sie schreiben sich ineinander. Der Künstler ist entlang dem Prozeß am Werk ablesbar. Das Material ist herausgefordert zu sprechen und schreibt selbst. Ständig werden endlos viele Möglichkeiten freigesetzt, für deren eine sich der Künstler entscheidet. Eine ständige Anreicherung von Möglichkeiten vollzieht sich im Laufe des Prozesses. Es ist die Herrschaft der Dinge. Alle Entscheidungen laufen entlang der Phänomene. Die Dinge sprechen unentwegt und dieses Sprechen wird aufgenommen. Ein Dialog findet stat t. Es gibt keine Aussage, es gibt das Gespräch. Eine Störung wird additiv verstanden, da sie eine weitere Möglichkeit ist. Die Entscheidung am Phänomen ist hier die Reduktion. Sie dient der Freiset zung weiterer Möglichkeiten.

Pèter Köszeghy/Martin G. Schmid

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20 Antworten

  1. querstand sagt:

    ECLAT: Nach dem gestrigen Eröffnungskonzert auf Eclat kam ich mit einer Stuttgarter Kulturrätin ins Gespräch. Nach 1,2 Absätzen über den Abend allgemein ging es um „den systemischen Blick“ den sie in ihren weiteren Verantwortungsbereichen, wie in ihrem Hauptgebiet, einer leitenden Tätigkeit im Sozialbereich, als Soziologin auf die Vorgänge hat im Gegensatz zu ihren Sozialpädagogen, die doch oft in ihrer Frontarbeit ersticken, die grösseren Zusammenhänge nicht überblicken, was sie als Systemtheoretikerin sehr wohl hat. Da dachte ich sofort wieder an die aktuellen Kompositionskollegen aller Couleur, wie sie sich auf Luhmann oder Deleuze oder Openmusic oder sonstige schreibende Vorbilder der algorithmischen Kompositionsautomatik stürzen. Als es dann um die Bewertung wieder der drei Stücke des Abends ging, erkannte die Systemtheoretikerin sehr wohl als einfache Hörerin, dass das systemischste Stück, welches rein entwicklungsorientiert zwar eine gute Arbeit war, aber das Stück mit den verschlungeneren, sehr irrationalen Wegen das verlaufsstärkere, expressiv aufgeladenere Werk war, gerade weil es risikoreicher war.

    Was will ich sagen? Wie Peter Köszeghy genau feststellt, an Xenakis exemplarisch zeigt, muss oder zumind. sollte im technischen Ablauf des Zusammenstellens rein methodenorientierten Schreibens immer der Komponist aus sich selbst heraustreten, sein eigener erster Hörer sein, so weit er es in seiner Vorstellung vermag. Manchmal glaubt man, dass die Methodentypen wie klassische (!) Bildhauer wirken, die zwar in dem bearbeiteten Stein die spätere Form sehen, das lebendige Modell aber doch nicht in Bezug zur Materialeigenschaft des Steins setzen können. Weiters hat man doch oft den Eindruck, dass die Methodenbewältigung allein das Werk ist. Eigentlich ist es aber eine Etüde, so gelungen diese sein mag. Aber der Bedeutungs-Voodoo der umfassenden Selbsterklärungen des Autors schreibt ihr fast schon Gesamtkunstwerkeigenschaften zu.

    Was für ein Missverständnis! Eigentlich sollen doch all diese Automatismen des methodischen Schreibens das Komponieren so erleichtern, dass man wieder viel Zeit für phänomenologische Selbstbetrachtung des Entstehungskprozesses haben sollte. Aber nein – die perfekte Beherrschung des Computerprogramms ist schon die Musik. Je perfekter der Beherrscher ist, um so wichtiger ist er der Szene. Das ist so, als ob zum perfekten Teamassistentinnen-Dasein allein das Beherrschen der Office-Programme genüge. Wehe aber ihr, wenn sie den Kaffee nicht so brühen kann, wie die Chefin ihn möchte. Oder sie in Standardbriefen den Tonfall der Vorgesetzten nicht einhält, immer wieder korrigiert werden muss. So sollte sich die reinen Methodennutzer auch selbst korrigieren.

    Ich selbst nutze durchaus gerne Prozesshilfen via Rechner. Das ist aber nie das Stück! Das Material wird betrachtet, bis Musik aus ihm herausspringt. Die Fehlerstellen sind oft der Anreiz, überhaupt das methodengenerierte Material weiter zu benutzen. Mag ein Stück eines puren Methodenschreibers noch so kristallin wirken. Wenn beim Hören die Spannung schwindet, stimmt was nicht. Dann ist vielleicht sogar der Komponist gar nicht der Autor des Stückes, sondern nur Nutzer der Autorschaft des Programmentwicklers.

    Mit der sehr gut hörenden Systemtheoretikerin kam ich dann übrigens zu dem Schluss, dass die letzten vier Minuten des systemischsten Stückes der drei Werke des Eclat-Abends doch sehr spannend waren, da sie den ewig zerkauten Anfang des Materials verliessen. Letztlich war das Stück wohl doch sehr bauchig entwickelt, die genauen transitorischen Zustände von einer Situation auszisliert zur nächsten nervten aber doch schon nach drei Minuten, fünf weitere dachte man an das Wetter und Hotel, da man nichts Neues wahrnahm, so gut dies geschrieben sein mag. Das war übrigens das Stück Rituel bizarre von Ansgar Beste, ein supernetter und begabter Kollege, der sich allerdings so studiert abgesichert hat, das einem wieder ganz unheimlich wird: Korrepetition, Komposition, Theorie und Management!! Also Methode auf allen biografischen Ebenen. Jetzt wird es aber nach den letzten vier irrationalen Minuten seines Stückes Zeit, fröhlich unsystematisch weiterzumachen.

    Ganz anders der hier schon mal erwähnte Erratische Block Leopold Hurts: Da sind die einzelnen Teile sehr wohl sehr methodisch in sich organisiert, gerade das historische Volksmusikaudiomaterial, welches behutsam durch die Elektronik systematisch aufgedeckt wird, von den Live-Instrumenten angesteuert und wieder verlassen wird, so dass man immer wieder das reine, uralte Jodelmaterial erwartet, bis es endlich eingelöst wird, auch wenn der Weg ein langer, aber wunderbar verschlungener, verwunschener ist. Da hat Hurt sich als Zitheristen, das alte Material wie als Komponist, immer wieder im Prozess aus sich selbst herausbewegt und so ein wirklich stimmiges Stück geschaffen, was das Rad nicht neu erfindet, aber dessen Entstehung spannend neu erzählt – ganz im Sinne Köszeghys Forderungen.

    Gruss,
    Alexander Strauch

  2. Erik Janson sagt:

    @ Pèter Koeszeghy,

    was fällt Ihnen eigentlich ein, so abfällig über das Thema Komponieren und Mathematik zu schreiben. Als ob Algorithmen NICHTS mit Musikalität zu tun hätten.
    Sie sind die Musikalität und der Ausdruck selbst!!!
    Es gibt hervorragende Komponisten, wie beispielsweise Hanspeter Kyburz (neben Xenakis), die sich auf diesem Gebiete außerordentlich um die Deutsche Musikgeschichte für alle Zeiten verdient gemacht haben.
    Es gibt doch gar keinen „Prozess“, Herr Koezygy! Wo soll denn Prozessualität sein? In der NEUEN MUSIKSZENE etwa?
    Im Werk? Im Kompositionsprozess?

    Es gibt nur richtige und falsche Musik, geförderte und nicht geförderte, hörenswerte und nicht hörenswerte, politisch korrekte und unkorrekte Musik.

    Denn nur derjenige schreibt gute Musik, der alles im Griff hat, der Herr über sein Werk ist wie über seine Zuhörer. Schämen Sie sich, Herr Koeszeghy, hier solch kätzerische Theorien in die Welt zu setzen!!
    Musik, die nicht den Möglichkeiten unserer modernen Technik und Kalkulierbarkeit Rechnung trägt und diese nicht abbildet, die taugt nichts.

    Nächtlicher Gruß aus der Rheinischen Hölle …

  3. Willi Vogl sagt:

    Zu allen Zeiten haben außermusikalische Vorgänge kompositorische Setzungen beeinflusst: Seien es naturalistische (wie etwa Tierstimmen in den Violinsonaten eines Franz Biber, die Jahreszeiten bei Antonio Vivaldi oder Meeresimpressionen bei Claude Debussy), politisch-gesellschaftliche (Wellingtons Sieg bei Ludwig van Beethoven, Hunnenschlacht bei Franz Liszt), oder technische Ereignisse (z.B.: in Arthur Honnegers Pacific 231, Alexander Mossolows Eisengieserei). Auch die jüngere Kompositionsgeschichte bedurfte der außermusikalischen Blutauffrischung (György Ligetis in seiner Beschäftigung mit dem Mathematiker Gödel und dem Maler Escher, Iannis Xenakis in der Übertragung diverser mathematischer Verfahren in den Kompositionsprozess)
    Auch im 21. Jahrhundert angekommen stellt sich bei allen Kompositionen, die außermusikalisch motiviert und bisweilen auch weitgehend außermusikalisch bestimmt sind, die Frage, inwieweit die Übertragung von ursprünglich musikunverbundener Ereignissen und Prozessen eine Musik generieren kann, die auch ohne diese Matrix existieren kann – eine Musik, die nicht blind einem abstrakten und starrem Rechenmodell folgt, sondern auf energetisch-klangliche Notwendigkeiten reagiert – eine Musik die gerade in fantasievoller Abweichung zur arithmetischen Vorgabe zu emotional hochgeladenen Momenten führt – eine Musik, die sich im Idealfall durchaus als überzeugende klingende Chiffre einer mathematischen Matrix zeigen kann.
    Der Komponisten sieht sich dabei immer wieder neu vor die Aufgabe gestellt, die notwendigen Kompetenzen für ein adäquates Komponieren und Hören zu erwerben. Man kommt nicht umhin, jede mögliche außermusikalische Matrix mit einem Maximum an MUSIKhistorischem, MUSIKästhetischen und MUSIKtheoretischem Sachverstand zu hinterfragen. Wenn man dabei ehrlich genug ist, läßt man die Komposition gelegentlich sein, weil die eine oder andere Vorlage auf Grund mangelnder Transformierbarkeit oder auch mangelnder kompositorischer Fantasie nicht dazu taugt.
    Oder anders: Kalkeier kann man nicht ausbrüten!

  4. strieder sagt:

    Hallo Pèter, gerade Xenakis‘ ST/4 und Syrmos – beide aus der stochastischen Hochphase – sind (nebst Ioolkos, einem Spätwerk und einigen anderen) meine Lieblingswerke von ihm, deren anhören mir größtes Vergnügen bereitet. Bin ich jetzt bekloppt? ;) Und trotz Ferneyhough seit ca. 1992 mithilfe von Patchwork, sowie dem Nachfolger OpenMusic und PWGL intensiv arbeitet, gefallen mir sowohl seine alten, wie auch seine neuen Werke sehr, auch er ist einer meiner Lieblingskomponisten. Natürlich neben vielen anderen, wie auch Ligeti, der übrigens im 4. Satz seines großartigen Klavierkonzertes – hoppla – seriell schrieb ;) Hast Du die DVD vom Jack Quartet? Sie enthält alle Quartette von Xenakis und ist Grossartig. Nach mehrmaligem Hören hat sich bei mir ST/4 als Favorit herausgeschält, gefolgt von dem Ioolkos-Krawallbruder Ergma.

  5. @John: ja, es kann ja sein, dass diese Werke, die Du erwähntest Wertvoll sind. Ohne Frage. Es ging mir auch nicht darum, gewisse „Schönheiten“ – auch, wenn diese sehr subjektiv sind – zu „zerstören“. Es ist eher die Frage, wie und was „Autonormalverbraucher“ bei den ST-Stücken – oder eben Ferneyhough – empfinden…und da wär`ich ziemlich sicher, zwischen Hurz und einige o.G. Sachen, gäbe es bei den Reaktionen überhaupt keinen Unterschied.
    Übrigens: die Musikalität bei den Stücken von Ferneyhough entsteht erst, durch die Musiker, die die Stücke spielen :-) – ohne den Komponisten angreiffen zu wollen (ich mag die Musik auch gerne). Ohne Musiker wären die Werke ausschliesslich mathematisch konstruierte, trockene, in sich geschlossene Systeme, die nun in diesem Falle mit der Kodierung der Noten an das Papier (oder eben ins Rechner) geschrieben worden sind.

  6. strieder sagt:

    Lieber Pèter, da kann ich nur herzlich uneinig mit Dir sein ;)

  7. eggy sagt:

    Eimal sagte ein holländischer Neue Musik-Pianist (Experte für die Musik von Ferneyhough) zu mir: „Weißt Du, Moritz, die Musik von Ferneyhough ist mir einfach zu simpel und zu tonal“
    No comment.

    Moritz Eggert

  8. Das Problematik, die in „konstruktiven“, oder „algorithmischen“ oder wie auch immer von und durch mathematik abgeleiteten Musikwerken besteht ist nicht die Methode, wodurch bestimmte Werke „errechnet“ worden sind. Das Problem ist eher, dass gewisse Dinge von der Haltung eines Komponisten her, oder – ich gehe soweit dies zu sagen – PR Mechanismen her ganz von der unnatürliche Seite abgeleitet und „aufgebauschelt“ werden und worden sind. Ein Komponist darf eigentlich – für mich – nie vergessen, dass er/sie letztenendes Musiker ist. Er schreibt Musik. Und da ist die Frage, die daraus folgt wiederum: was ist Musik überhaupt? Was will „Musik“ als solche weitergeben: will „Musik“ als solcher Theorien, Systeme, Strukturen auf eine Stück Papierblatt kodiert mit Notation, ohne ein anderen Sinn dahinter, als die Ausklügeln diesselbe, in die Welt setzen? Oder soll Musik Menschen innerlich „anfassen“, Emotionen erwecken, oder sogar zum Tanzen, Mitsingen animieren? Daher: Ferneyhough ist zwar „tonal“ – ohne Frage :-) : aber erreicht er seine „tonalität“ durch innere Notwendigkeit, oder durch unpersönliche Rechnereien? Letzenendes zählt, was herauskommt. Eine ganz ganz primitive Frage, die ich immer wieder beantworten musste – als ich einigen Jahren sehr komplexe Werke schrieb – war: „Hörst du denn, das was Du aufschreibt?“. Mein Antwort war: „Nein, ich höre es nicht. Aber ich stelle mir innerlich vor, wie es klingen sollte“. Da ist es wiederum meine Frage: Komponisten, (oder die sich so nennen) ihr, die durch Konstrukte und Systemtheorien mathematische Vorgänge in die Musik „umsetzt“, stellt ihr überhaupt denn vor, was ihr „schreibt“? ODer vertraut ihr euch einfach die Zahlen: „Oh ja, die machen das schon selbst“—–da fehlt mir bisschen das Blut aus dem Fleisch. Und gerade das ist es, was z.B. Xenakis in seinem späteren Stücken ausmacht. Da steckt die innere Notwendigkeit, und die innere Musikalität dahinter…
    (((Übrigens, ich erlbte mal 1996 in Dresden Ferneyhough, der mit bei am unseren Tisch Abend gegessen hatte (mitsammt mein ex-professor Paul Heinz Dittrich und einige, mittlerweile bekanntere Komponisten): Ferneyhaugh bestellte ganz gestresst ein Salat, und als der kam, hat den Kellner gesagt, er solle den Salat zurückbringen, weil er ganz schnell wegmuss: sein Rechner rechtet gerade Rhythmen in seinem Hotelzimmer aus, und er muss das überprüfen. Ganz ganz dringend…..

  9. Willi Vogl sagt:

    @ Moritz Eggert
    Die Aussage „…die Musik von Ferneyhough ist mir einfach zu simpel…” gefällt mir. Möglicherweise führen auch bei größter Differenzierungswut der Interpreten die dicht gedrängten(Noten-)bäume tatsächlich (nur) zu einem beschaulichen Erlebnis von Wald.

  10. strieder sagt:

    Na ob das so gemeint war? ;) Einen so knappen, unkommentierten Kommentar zu kommentieren ist immer etwas heikel. Mir würden da gleich mehrere mögliche Interpretationen einfallen.

  11. querstand sagt:

    Jede Musik durch Musiker gespielt verliert ihre theoretische und/oder schriftliche Abstraktion. Die Frage ist nur: macht es dem Musiker oder der Musikerin Spass? Ist er/sie unter- oder überfordert oder passt es genau? Wenn der Musiker nicht zu unlustig ans Werk geht, gewinnt das Meiste doch einen entsprechenden bedeutungsvollen Ausdruck. So ist es egal, ob Pärt oder Ferneyhough erklingt. Dann erhält jedes autophänemenologische wie computergenerierte Stück seinen „Sinn“, ob es einfach, mit Bravour oder im Scheitern genommen wird.

    Garantiert wäre ein neues autophänemenologisches Schreiben – wie ich Peters These jetzt mal bezeichne – eine neuere Herausforderung als der letzte Rechnerschrei. Rechner sollen ja v.a. unterstützen. Die letzte Ausahl aus viel oder wenig Material hat immer das komponierende Wesen, selbst wenn Alles nur die Maschine ausspuckt: was dann an die Öffentlichkeit gelangt, ist eine einfache ästhetische Entscheidung nach der Maschinenleistung. Im autophänemenologischen Schreiben sind dagegen vielmehr ästhetische Entscheidungen zu fällen. Bei der Rechnerarbeit ist allerdings zu überlegen, ob die Vorauswahl der Recheneinstellungen oder deren eigene Programmierung durch den Komponisten oder durch einen Helfer im Sinne des Komponisten schon eine ästhetische Leistung ist oder eben erst eine subsummierende Zwischen- oder Endauswahl.

    Es läuft mal wieder auf „Ehrlichkeit zu sich selbst“ heraus. Wie das Stück letztlich zustande kam ist egal, ob erwürfelt, errechnet – was Beides sehr ähnlich im Ergebnis sein kann – oder nur „erfühlt“ wurde oder aus einer Kombination aller drei und noch mehr, mir gerade nicht enfallender Schritte, entstand. Natürlich sind die kombinatorischen und graphischen Leistungen eines sog. „komplexistischen“ Komponisten an sich sehr beeindruckend, auch kann ein im Vergleich dazu planer Winbeck oder Killmayer im Autograph faszinieren. Es ist immer eine Frage der ästhetisch halbwegs richtigen Entscheidungen, im richtigen Moment des Schreibprozesses.

    Und die wichtigste Frage: will man nachhaltig komponieren oder geht es – auf welcher Ebene auch immer – um ein „höher, weiter, schneller“? Eine graduelle Neuerung wird einem im Komponistenleben immer auch mal unterlaufen, so unwichtig oder weltbewegend sie sein mag. Also gibt es immer ein Fort-Schreiten. Nachhaltig sollte dagegen nicht missverstanden werden mit „für spätere Generationen“ („er schreibt zu hoch für seine Zeitgenossen“…), sondern für das Jetzt die Mittel so massvoll und effektiv einzusetzen, dass man die sinnvollen ästhetischen Entscheidungen treffen kann. Und wenn nach x-1000 Rechenoperationen ein einfacher Vogelruf herauskommt, kann dies fortschrittlich wie nachhaltig sein. Man sollte eben v.a. Mitteleinsatz und Ergebnis vor sich selbst verantworten können, egal was die Herren Pärt oder Ferneyhough dazu sagen könnten.

    Gruss,
    A. Strauch

  12. strieder sagt:

    Vielleicht ist hier auch wieder der Glaube am Werk, der Computer würde bzw. wäre in der Lage, die ganze Arbeit zu übernehmen. In meiner Arbeit als CG Artist begegnet mir diese Ansicht des öfteren. Man bräuchte bloss einen Knopf zu drücken, und dann läuft ein Dinosaurier auf dem Bildschirm herum, und bis zu Jurassic Park ist es da nicht mehr weit. Sicher ist das Arbeiten am Rechner anders, aber meist keinesfalls leichter. Das erstellen eines Characters am Rechner per Grafiktablett oder an der Werkbank mit einem Werkzeug ist sich sehr ähnlich und erfordert beides Können. Aber die Möglichkeiten sind anders.

    Und das sage ich, obwohl ich persönlich beim komponieren den Rechner nicht verwende, meine Skizzen mit Bleistift und die Partituren per Tinte fertige ;)

  13. querstand sagt:

    Der Glaube an Technik, also auch Rechner, sollte schon soviele Probleme lösen. Ich denke nur an „Erleichterung“, statt 100 Akkorde von Hand ausrechnen, macht es das Programm. Wie ich aber dies oder ganz anderes so errechnetes Material verwende, ich es manuell oder digital aufs Papier bringe, das liegt an mir. Ich z.B. schreibe inzwischen gerne frühzeitig am Rechner, rechne aber o.g. Akkordoperationen händisch aus, male sie auf Notenpapier, mache da Schlenker herum, die zu Zellen von Ideen werden, fixiere das Ergebnis dennoch im Notenschreibprogramm, kopiere und ändere da dann wild umher, bis die so brav errechnete Abfolge nur noch meinen Ohren gefällt, losgelöst vom Ursprung.

  14. strieder sagt:

    Anmerkung zu meinem vorigen Post: Mit dem „Glauben“ meinte ich nicht den Glauben jener, welche den Rechner bedienen (die haben allenfalls nach dem x-ten Absturz jeden Glauben verloren :P ), sondern im Gegenteil die Ansicht vieler, die sich nicht näher mit der jew. Technik beschäftigen konnten. In der CG Branche drückt sich das dann etwa als Kundenkommentar so aus: „Der Computer macht doch die Arbeit, warum kostet das so viel!?“

  15. querstand sagt:

    @ strieder: da sollte unsereins doch mal wieder versuchen, so oft schon mühsam gescheitert, die Schreibstunden, gerade die immer zahlreicheren am Rechner denn die händischen, ganz heizungsablesergleich den Kunden in Rechnung zu stellen. Da kann ein rechnergeschriebenes und gar computergeneriertes Flötenstück schnell eine Menge kosten: 25 Euro die Stunde mal 6 dieser pro Tag mal 5 Tage (schnell komponiert), gleich 750 Euro. Dann noch die Probenzeit verrechnen, Materialkosten, Reisekosten. So kostet ein Flötenstück von 5-7 min. Dauer schnell 1000 Euro – das Alles netto angesetzt, brutto also knapp 2000… Tja, wenn man nun an Kosten und Preise z.B. in der Film-Postproduktion denkt, wo ein einfacher Cutter oder Animationsbearbeiter pro Tag mit 300 Euro netto herauskommen kann, sollten sich die Kunden lieber jeglichen Kommentars enthalten…

  16. eggy sagt:

    @querstand: Magst Du nicht einen schönen detaillierten Abschlussbericht über „Eclat“ machen (hast Du ja teilweise schon gemacht), den wir hier und Du in Deinem Blog veröffentlichen/veröffentlichst?
    Fände ich ganz toll!

    Moritz Eggert

  17. @querstand: oh ja, das würde mich auch interessieren – was Du da über ECLAT schreiben würdest (übrigens finde ich diese Name für dieses Festival total fehl am Platze. Es sollte eigentlich heissen Festival „Innzucht“…oder „Die geförderten bekannte unbekannte“ oder „Festival für Klüngelkomponisten“…o.Ä. (((allerdings weiss ich langsam warum dieses Festival mit dem Namen „ECLAT“ kokettiert – die Name ist nicht dafür gewählt, wofür es steht. Nur in sehr abstraktem Sinne……
    Spass bei Seite: Hoffentlich wirds was köstliches, Alexander!

  18. Erik Janson sagt:

    Also Herr Koeszeghy!!!
    Nun MÄßigen Sie sich hier. Oder brennt der Neid mal wieder mit Ihnen durch? Was heißt hier Festival ECLAT = „INzucht“? Das müssen Sie schon beweisen! Haltlose Unterstellungen bringen gar nichts. Wer sollte da denn, bitte schön, Inzucht betreiben?

    Alexander, Du wirst sicherlich hier den Beweis antreten, dass das Eclat-Festival ein voller Erfolg war und dass dort die richtigen Komponistinnen und Komponisten aufgeführt werden, die es auch verdient haben. Oder?
    (bin gespannt…)

    Ja, es wäre doch nichts falsch, selbst wenn nicht immer nur die Musik/die Qualität zählen WÜRDE, was da so programmiert wird. Wer hat was gegen gesunde „Mentorschaften“…?

    [… ich hab schließlich noch meine Partitur da im Rennen (zu dem Vorauswahl-Wettbewerb…) und die Jurysitzung kommt noch.]

    @querstand:

    Ich z.B. schreibe inzwischen gerne frühzeitig am Rechner, rechne aber o.g. Akkordoperationen händisch aus, male sie auf Notenpapier, mache da Schlenker herum, die zu Zellen von Ideen werden, fixiere das Ergebnis dennoch im Notenschreibprogramm, kopiere und ändere da dann wild umher, bis die so brav errechnete Abfolge nur noch meinen Ohren gefällt, losgelöst vom Ursprung.

    Und das mag der Grund sein, warum Du vielleicht eher mal Stuttgart gewinnst bzw. bei ECLAT und überall gespielt wirst.

    Selbst wenn man hinterher doch wieder seinen guten alten OHREN vertraut, VORHER (und ohne zu rechnen) darf man das anscheinend nicht bzw. es ist schick/gefällt, wenn man als Komponist zuerst die Umwege/Irrwege über das Rechnen,Errechnen-Lassen, über die pseudointellektuellen „Krücken“ geht. Denn es scheint ein TABU, immer noch, wirklich a priori – direkt – auf Sinnlichkeit und Stimmigkeit des inneren Ohrs zu setzen.

    Oder mal den Spieß umdrehen: ein geiles Stück schreiben, nur dem Ausdrucksbedürfnis folgen, „unvernünftig“ sein
    aber hinterher BEHAUPTEN, es sei alles perfekt errechnet
    und man habe sich an einem zuvor benutzten Computerprogramm und einem hochkomplexen Konstrukt dann intellekuell „abgearbeitet“.

    Oder: möglichst viele Zusatzinstrumente oder Toys oder Samples benutzen und in ein Werk einbauen, auch das steht hoch im Kurs.

    Es gibt viele Strategien – die üblichen – um beim Avandgarde-Mainstream auch heute noch Eindruck zu machen.
    Ich wähle leider immer die „falsche“… ;-)

    Buona Notte,
    Erik

  19. @Erik: vielleicht beschäftigst du dich viel zu tiefgehend mit „Taktiken“ und Strategien??? Rezept vom „Dottore“: Vielleicht mehr „Musik“ schreiben, die du selbst schreiben möchtest, und nicht aus der Strategien heraus entstehen?

    Buon giorno,
    Pèter

  20. Erik Janson sagt:

    @ Pèter,

    ;-) ich wusste nicht, dass Du die Ironie Deines „Rheinischen Engels“ nicht verstehst.
    Taktiken sind mir total abhold, aber halt anderen leider nicht. Und auch nicht alles Jurys, leider.
    Aber mich interessiert nur, mein Ding zu machen.

    Buona Notte ins ungarische Berlin,
    Erico