Klangbesäufnis in Neufundland Teil 1: Ankunft

Es kann keinen größeren Kontrast zwischen zwei Orten geben als den zwischen New York und St. John’s, Neufundland. Hier endlose Straßenschluchten, dort ein paar bunte Holzhäuser die sich um gefühlte 3 Straßen am Hafen sammeln. Hier schwüle, stickige, benzinverpestete Luft, dort eine frische Brise vom Atlantik ohne die geringste Luftverschmutzung.

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Eine Menschenmenge auf den überfüllten Straßen von Neufundland

Eine Menschenmenge auf den überfüllten Straßen von Neufundland

Wer Neufundland allerdings nur aus dem Kevin Spacey-Film „The Shipping News“ kennt, hat einen falschen Eindruck: Tatsächlich ist St. John’s eine sehr lebendige Stadt – sicherlich nicht riesig mit 200.000 Einwohnern (die sich allerdings in mehreren Vororten weit ins Innere der Insel verteilen), aber immerhin groß genug um Kulturmetropole der gesamten kanadischen Provinz Labrador/Neufundland zu sein, eine lebendige Stadt mit zahllosen Kneipen und noch viel mehr Musikern, einer Uni und auch sonst dem meisten, was eine Stadt so haben muss.
Alle zwei Jahre findet hier etwas Besonderes statt: Das „Sound Symposium“, ein ungewöhnliches Musikfestival, bei dem ich nun schon das zweite Mal zu Gast bin. Gegründet wurde es vor vielen Jahren von Don Wherry, einem Schlagzeugprofessor an der Universität (die auch für ihre Schlagzeugabteilung in ganz Kanada bekannt ist), der sich eines Tages entschloss, die vielen Musiker die er auf seinen zahllosen Reisen um die Welt kennen gelernt hatte, nach Neufundland einzuladen. Die Idee hierbei war, Musik selber in den Mittelpunkt zu stellen, aber keinerlei Stil oder Schule. Das Sound Symposium ist also ein ziemlicher Mischmasch – Klanginstallationen, improvisierte Musik, Jazz, Rock, aber auch E-Musik, experimentelle Musik, Punk, Volksmusik aus allen Regionen der Welt, Tanz, Oper und Musiktheater – all dies kann man beim Sound Symposium erleben. Zwischendrin macht man eine Schiffstour um Wale und Puffins zu sehen, verbringt die Nächte in der legendären Musikkneipe „The Ship“ (Jam Sessions bis in den frühen Morgen) oder erlebt die „Harbour Symphonies“ (Hafensymphonien), eine Spezialität von St. John’s: Kompositionen aller Beteiligten für die Schiffe, die jeweils im Hafen liegen, und die meilenweit zu hören sind.
Don Wherry konnte den Erfolg seiner Idee nur noch teilweise miterleben – bei einem musikalischen Umzug durch die Stadt erlitt er als Mitwirkender einen Herzanfall (man muss sich dies als einen glücklichen Tod vorstellen). Seitdem wird das Symposium von einem Team um seine Frau Kathy Clark-Wherry geleitet, alles ehrenamtlich natürlich, Geld verdient hier niemand.
Die familiäre und freundliche Atmosphäre dieses Festivals ist vielleicht einzigartig auf der Welt- Teilnehmer des Symposiums wohnen privat bei Familien und werden liebevoll betreut. Ein tägliches Programm aus Workshops, Konzerten und „Klangwanderungen“ lässt keine Langeweile aufkommen.

Der erste Tag des Festivals mag hierbei exemplarisch sein: In der Universität wird die Skulptur „Le Chevalier de la résignation infinie“ von Diane Landry aufgebaut: ein faszinierendes Gewerk aus mit Sand gefüllten Plastikflaschen, die sich endlos im Kreis ent- und beladen und dabei ein sanftes rieselndes Geräusch von sich geben. Mittags erklingt eine Hafensymphonie des Deutschen Folkmusikers und Neufundlandexperten Delf Hohmann. Am Nachmittag präsentiert das Maryem Tollar Ensemble ägyptischen Tanz und Gesang im Harbourside Park. Am Abend erzeugt Joshua Fried, langjähriger Mitmusiker von Fred Frith, Radiogeräusche aus den unmöglichsten Objekten, und Louise Moyes aus den Niederlanden vertanzt die Begegnung der Europäer mit den Ureinwohnern Nordamerikas, den M’ikmaq.

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Ich bin hier um einerseits „Hämmerklavier“ zu spielen und das traditionelle Abschlussevent des Festivals zu gestalten, das „Cape Spear“-Projekt. Es handelt sich – wie man unschwer erahnen kann – um ein Open Air-Konzert, Erinnerungen an Tirol werden also wach, vor allem, da Neufundland nicht gerade für ständigen Sonnenschein bekannt ist. Noch müssen Musiker für die Aufführung gesucht werden – Posaunen sind anscheinend Mangelware auf der Insel.
Wünscht mir Glück. Und Sonne…

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Moritz Eggert

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