Ihr seid die Läuse auf dem Rücken des alten Himmels (Abenteuer im ZKM, Teil 8)

Bruce Albert heisst der (übrigens französische, nicht wie letztes Mal fälschlich erwähnt brasilianische) Anthropologe, der schon seit drei Jahrzehnten die Yanomami studiert, über die unser Stück unter anderem spricht.
Mit ihm heute zu sprechen war ein Lichtblick in dieser Produktion, denn bei allem totalen Medientheater, das hier angestrebt wird, vergisst man leicht, dass es auch um die Anliegen realer Menschen geht. Das geht in der Flut der Pixel und Granularklänge manchmal verloren.

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Die kleine Delegation des Goethe-Instituts bringt enorm frischen Wind in die Probenarbeit – zum ersten Mal sind Beobachter von außen da, und zum ersten Mal kommen wir an einen Punkt bei den Proben, bei dem die Szene beginnt, überzeugend zu werden. Vielleicht ist also tatsächlich der gestern erwähnte tote Punkt überwunden?
Eine der entscheidenden Impulse ist, von der „perfekten“ Powerpointmultimediakonferenz wegzukommen, und sie in eine zweitklassige, abgehalfterte Konferenz zu verwandeln, die immer mehr ins Absurde abdriftet. Das macht nicht nur uns, sondern auch dem Publikum (hoffentlich) mehr Spaß, wenn der Ökonom mit seinem iphone rumwerkelt und der Politiker jovial Schultern klopft.

Ich als Schamane darf mich auch mal genervt hinlegen und einschlafen (das muss ich kaum spielen übrigens), denn genau das machen die Yanomami auch, wenn sie sich endlose Konferenzen von Wissenschaftlern oder zeitgenössisches Musiktheater anhören. Allerdings ist die Luft am Boden des Medientheaters durch diversen Elektrosmog so abgestanden und schlecht, dass man es nicht lange auf dem Boden aushält.

Um Christian Kesten ein bißchen Beschäftigung zu geben, stelle ich ihm auf meinem iphone das alte legendäre Computerspiel „Dragon’s Lair“ ein, das lenkt ihn allerdings so ab, dass er prompt seinen Einsatz verpasst. Überhaupt müssen wir schneller und präziser werden, im Moment mummelt alles ein bißchen vor sich hin.

Ludger Brümmer hat einen Klang erfunden, der ab der 2. Hälfte unseres Teils immer lauter wird und unsere Stimmen überlagert, so dass wir uns immer mehr fühlen wie in einem Stück von Galina Ustwolstkaja oder einer besonders langweiligen GEMA-Sitzung. MAN MÖCHTE SCHREIEN und das ist gut so.
Etwas überraschend schlägt dann die Musik am Schluss in dramatische verminderte Akkorde um, die einen sofort an das Phantom der Oper und Froschmännchen Webber denken lassen. Ich bin noch nicht ganz sicher, ob das ernst gemeint ist, wenn nicht, ist es auf jeden Fall genial.

Heute abend kommen die restlichen Sänger, vielleicht singen wir dann auch mal wieder ein bißchen.
Nur noch drei Probentage – weder den ersten Teil noch den Schlussteil haben wir bisher auch nur ein einziges Mal geprobt. Es wird spannend.

Ach, was der Titel bedeutet?
Die Yanomami erzählen von einem alten Himmel, der vor dem jetzigen Himmel existierte. Dieser „Hutukara“-Himmel fiel irgendwann herunter und die Menschen (denn das heisst Yanomami) leben nun auf dem Rücken des alten Himmels.
„Ihr seid die Läuse auf dem Rücken des alten Himmels“ wendet sich wiederum an uns, die zerstörerischen Europäer.

Man könnte es aber auch anders sagen: „Ihr seid die Läuse auf dem Rücken unserer Klänge“. Und das würde ziemlich genau das beschreiben, was die Geschäftsmodeller bei der GEMA treiben….

Moritz Eggert

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Politiker und Ökonom an einem (Frühstücks-)Tisch, ratlos

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