der die das. musik?

welches geschlecht hat musik? weiblich. ganz eindeutig. DIE musik.

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welches geschlecht hat die musikgeschichte? männlich. ganz eindeutig. DER dahlhaus, DER riemann, DER eggebrecht, DER finscher …

es ist ja wahr. dass die geschichte der musik nicht anders als die geschichte der sexualität eine geschichte der unterdrückung ist. und, nein, es sind nicht die männer, die zu kurz gekommen sind.

man darf ja auch die gender-forschung, ohne die heute kein studiengang mehr akkreditiert wird, nicht irgendwie abtun. als den partyintellektuellen arm der frauen- oder queerbewegung oder so. es war ja lange schon an der zeit, dass man sich einmal bewusst darüber wird, dass wir in unserem menschsein – und wenn wir künstler sind, in unserem künstlermenschsein – geschlechtlich und kulturell verfasst sind. und dass beides das, was wir tun, beeinflusst. und dass das, was wir tun, seinerseits wiederum eine kultur hervorbringt, die wiederum andere menschen in ihrem geschlechtlichundkulturellsein beeinflusst. und dass man das einmal versteht. und mit einem mal das wunderbare spiel der signifikanten. mit eigenem auge sieht. und sich das ganze meer der möglichkeiten: auftut wie man sein könnte, wenn man denn einsteigen wollte in diesen wundersamen strom der iterationen, wenn man nur könnte, und warum man das nicht kann, weil man so ist, geschlechtlich und kulturell und weil das andere, auch das ganzandere – reinperformativ – irgendwie so gar nicht geht.

die gedankenoperation ist dann schnell gemacht. und nie wieder vergessen. und ihr wert besteht vielleicht viel weniger darin, woran sie sich festmacht, am geschlechtlichundkulturellsein, sondern darin, dass sie die sensibilität weckt für binäre kodierungen – und die gewaltherrschaft, die sie ausüben. so haben sich die besten unter den sotosay „new musicologists“ eine gedankenbewegung zueigen gemacht, die eindeutig zweideutige, pardon, zweiwertige festschreibungen unterläuft, indem sie gezeigt haben, wie eines das andere bedingt und durch sein sosein das anderssein einfordert, ermöglicht, bedingt, was schreib ich: der ganze poststrukturalismus – eine einzige rutschpartie, ein riesenglissando auf der selbstgebauten begriffsrutsche mit beachtlichem, gelegentlich halluzinogenem schwindeleffekt. i love it. echt. man kann sich geradezu ekstatisch reinsteigern in diese moderne form der gnosis. (hehe. das ist ein schönes paradoxon.) die gender-forschung könnte eine revolution der methode sein.

aber was, jetzt mal entschuldigung, haben wir davon, wenn musikwissenschaftler das gitarrenspiel eines thrashmetal-gitarristen mit dem geigenspiel eines paganini in beziehung setzen? was, außer dem hinweis darauf, dass da gerade jemand zwei vollkommen unterschiedliche dinge mit demselben ausdruck belegt: musik! und warum? aufgrund oberflächlicher übereinstimmungen: zwei menschen bewegen ihre hände auf äußerst schnelle weise, die ein hohes maß an feinmotorischer koordination erfordert, vermutlich jahrelanges training, begabung, dabei entstehen akustische ereignisse, die von anderen menschen unter beifallbekundungen wahrgenommen werden. und das tollste ist: sowohl das publikum von herrn paganini als auch das des herrn gitarrenspielers würde im gleichklang sagen: wir hören musik! ist das nicht toll?

jetzt wirds aber richtig verrückt: setzt man dem paganini-zuhörer den gitarristen vor die nase, so rümpft er dieselbe. und setzt man dem gitarristen-fan den paganini vor den zottelbart (sorry chicks!), so wird er gleich doppelt so lang. meinen sie also doch etwas völlig anderes, wenn sie sagen: musik?

ein glück haben ersiees ja derdiedas gender über derdiedas ersiees sich unterhalten können. und plötzlich tun sich verbindungslinien auf zwischen paganini und dem gitarristen, die zuvor unvorstellbar gewesen wären. plötzlich ist sie wieder heil: musik!

wenn sich diese genderforschung wirklich ernst nehmen würde, dann würde sie doch nicht beim begriff und bei der pose verharren. dann würde sie doch wirklich einmal hingehen und nicht nur allerlei kuriose dinge konstatieren über das geschlechterverhalten paarungswilliger großstädter im globalen proberaum. dann würde sie sich doch vielleicht noch einmal an die frage wagen, warum das eine musik ist. und der die das andere auch.

aber vermutlich ist das nur mein persönliches problem, schlechte performanz im gleichklang mit meinem gender model, ich hätte das nie sagen dürfen. jetzt werde ich mich nie mehr als studiengang akkreditieren können und auch stipendien sind jetzt passé. ist das am ende gar – schon diskriminierung? beim nachtgebet bitte ich meine anima um verzeihung. seid so gut und betet ihr: für meinen animus.

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Musikjournalist, Dramaturg