Der Walkman ist an allem schuld

Moritz hat allem Anfangen bereits ein Ende gesetzt . Und wahrscheinlich kann es keinen Anfang geben für etwas, was ohne Ende bleiben wird. (Ohne jetzt allzu prophetisch klingen zu wollen.)

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Und er hat mich schon vorgestellt. Das heisst, ich könnte mitten hinein springen in das, was Bad Boys so tun. Wobei es sicher eine meiner Fragen bleiben wird: was das denn ist, ein „Bad Boy“ in einem „Bad Blog“ mit „Words and Music“. (Feldman wusste, dass Beckett weiss, woran ich auch immerzu denken muss.)

Lernen, Bad Boy zu sein

Lernen, Bad Boy zu sein

Doch schon alleine um das ganze Abschreckungspotenzial von vielen tausend ZEICHEN auszureizen, kurz, um – wenigstens zu Beginn – einmal EIN BISSCHEN BÖSE zu sein, pflanze ich hinter das Credo von eggy mein eigenes Forschungsvorhaben. Nicht dran stören: da steht jetzt immer Klassik, nie neue Musik. Aber wie sehr neue Musik sich auch immer gegen „Klassik“ gestellt haben mag, so muss man sie im gleichen Wahrnehmungshorizont diskutieren. Oder nicht. Das wird sich zeigen. Das Ergebnis, wie immer bei guter Alchimie, steht bereits fest:

„Ich glaube, der Walkman ist schuld.“ (Grandmaster Flash)

Damit genug des Kulturpessimismus, hier sind die Thesen.

„Wenn Musik mehr ist, als nur Musik, dann ist das Pop“, notierte der Poptheoretiker, Kunstphilosoph und Musikzimmerbewohner Diedrich Diedrichsen am 1. Januar dieses Jahres in der Süddeutschen Zeitung.

Sein Artikel kreist um das paradoxe Phänomen, dass die Gegenbewegung der Pop-Kultur, die sich emphatisch der Massenmedien bediente, um auf psychedelischem, halluzinatorischem oder andersartig rebellischem Wege die Wahrnehmung auf die Welt zu verändern, inzwischen an jenem Punkt angekommen ist, an der die klassische Musik sich schon seit vielen Jahren bewegt: am Rande der Öffentlichkeit, wo

„[a]llenfalls […] ein kanonisches Wissen um glorreiche Epochen, geliebte Verstorbene und archaische Außenseiter gepflegt“ wird. „Da man im besten Falle in einer edlen Nische sitzt, mit nur begrenztem Zeitbudget und geringer Reichweite, ist die Pflege eines bestimmten Geschmacks und des ihn stützenden Wissens der vorherrschende Legitimationsdiskurs. Historische, politische Referenzen oder auch Bezüge zu anderen Gegenwartskünsten finden kaum noch statt. […] Was fehlt, sind die Medien, Kanäle und Formate, die die Extreme auf das Ganze zurückbeziehen und damit das möglich machen, was auch für die Pop-Musik-Öffentlichkeit entscheidend ist: Kritik.“

Die Partikularisierung der Öffentlichkeit hat die Partisanen der Partikularität eingeholt.

Auch die klassische Musik, das ist nichts Neues, darf man sich als eine einstige Pop-Kultur vorstellen. Oder sind die Arien aus Figaros Hochzeit, die man in Prag pfiff, als Mozart mit Don Giovanni im Gepäck anreiste, eine bloße Erfindung der Geschichte, von der man weiß, dass sie die Sieger schreiben? Ist die Wut über den „Kunstschlendrian“, wie sie aus den Erzählungen E. T. A. Hoffmanns spricht, der verknöcherte Grimm eines schulmeisterlichen Musikmetaphysikers oder der gerechte Zorn eines aufrechten, kritischen Musikanten?

Klassische Musik hat mit der Pop-Kultur, wie Diedrich Diedrichsen sie in seinem Artikel zu Grabe trägt, mehr gemein, als die geläufige Segregation in „high“ und „low“ Glauben machen will. Geht es doch in beiden Feldern um jenes „mehr“, das Musik in Augen des einen zu „Pop“ macht, oder in der Terminologie der Kunstreligion des 19. Jahrhunderts das „Meer des Unendlichen“ ahnen lässt, von dem die Konzerthausbesucher des 21. Jahrhunderts immer noch gelegentlich schwärmen. Aber auch in puncto „Distinktionsgewinn“ stehen „die feinen Unterschiede“ (Pierre Bourdieu) in der klassischen Musik jenen der Pop-Musik in nichts nach. Denn anders als es dass Vorurteil will, sind die Exklusionsmechanismen in der bürgerlichen Kultur ebenso ausgeprägt, wie deren Inklusionsimperativ: „Seid umschlungen, Millionen“! Im Konzerthallenbauboom versteinert dieser Gedanke zusehends.

Inwiefern also ist das Präteritum das richtige Tempus, um von der klassischen Musik als einer Pop-Musik zu sprechen. Zumal sich die Klassik-Industrie – ein letztes Aufbäumen? – Vermarktungsstrategien der Pop-Kultur-Industrie bedient, um ihr gar nicht mal rares Gut an den Mann und die Frau zu bringen. Ziel ist es, dadurch jener mangelnden Kritik(fähigkeit), die Diedrichsen für das Segment der Pop-Musik beklagt entgegen zu wirken, die auch auf dem Klassikmarkt längst zur „gediegenen Produktinformation“ als „höchstem der Gefühl“ geführt hat. Anstelle der Dialektik der Verklärung soll ein Blick in den „Maschinenraum der Musik“ (Harald Falckenberg) getan werden, dorthin, wo der „fame“ produziert wird, der einem Künstler heute noch eine globale Karriere erlaubt, also, wie es ihm gelingt, das zu produzieren, was sonst nur dem Endspiel der Fußballweltmeisterschaft, Barack Obama oder einem Tsunami gelingt: eine Weltöffentlichkeit herzustellen. „Diesen Kuss der ganzen Welt“.

Diesen Kuss der ganzen Welt

So viel für heute. Bald mehr Multimedia. Und weniger Text. Wenn ihr artig seid.

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Musikjournalist, Dramaturg

4 Antworten

  1. Gibt es den Diedrichsen-Text irgendwo komplett (der link oben geht nicht)? Ist sonst schwierig, in diese Diskussion einzusteigen…

  2. Kunstgorilla sagt:
  3. <a href="http://stadtlandkunst.twoday.net/stories/304610/&quot;
    Ich mag Diedrich Diederichsen nicht. Da lob ich mir den Retrogott und andere gute Künstler.

    Have Fun und gn8.

    LG, Sebastian